Bundesliga:Dribbelkünstler aus der Karibik

Bundesliga - Bayer Leverkusen vs Borussia Dortmund

Konstant nach oben: Für Leverkusens Leon Bailey (rechts) sind die vordersten Plätze in Reichweite.

(Foto: REUTERS)
  • Bei der Verpflichtung von Leon Bailey konnte sich Bayer Leverkusen gegen große Konkurrenz durchsetzen.
  • Im Laufe der aktuellen Saison konnte sich der 20-Jährige als Stammspieler etablieren.
  • Baileys starke Leistungen sollen auch Karim Bellarabi aus dessen Formtief helfen.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Die Luminus-Arena in Genk ist ein Fußball-Stadion der kleineren Sorte, eine typisch belgisch dimensionierte Spielstätte. Im Alltag fasst sie knapp 25 000 Zuschauer, bei internationalen Begegnungen 21 500. Normalerweise kommen durchschnittlich 15 000 Besucher, aber vor einem Jahr herrschte bei den Heimspielen immer ungewöhnlich hoher Andrang. Die flämische Gemeinde Genk war Schauplatz einer Invasion durch ausländische Spione. Unter anderem kamen die Späher aus England, Italien und Deutschland, dazu gesellten sich der übliche Haufen freischaffender Vermittler sowie eine Schar von Verwandten und Freunden und Freundesfreunden jenes jungen Mannes, der all diese Leute dorthin gelockt hatte.

Der Magnet im Luminus-Park hieß Leon Bailey, und besonders anziehend wirkte er, wenn der KRC Genk seine Gegner in der Europa League empfing. Die Spiele gegen Rapid Wien, US Sassuolo und Athletic Bilbao verschafften Bailey internationale Aufmerksamkeit, und selbstredend waren auch die Scouts von Bayer Leverkusen auf ihn aufmerksam geworden. Ebenso wie die Scouts aller anderen deutschen Vereine, die sich, zumindest ab und zu, auf dem Transfermarkt mit den finanzkräftigen Engländern messen können.

Als Leverkusen durch schnelles Handeln den FC Chelsea ausstechen konnte

Inzwischen ist Bailey 20 Jahre alt und die Verantwortlichen in Leverkusen sind froh, dass sie sich damals nicht haben abschrecken lassen von den vielen prominenten Konkurrenten. Alarmiert durch die Mitarbeiter, hatte sich Manager Jonas Boldt selbst auf den Weg nach Genk gemacht und festgestellt, dass es der Mühe wert war. Bayer stieg ein in den Bailey-Transfer. Zwar gab es bei dem Geschäft einige Widrigkeiten, unter anderem den forsch agierenden Stiefvater, aber ziemlich bald entschied Boldt, das alte Transfermarkt-Gesetz anzuwenden, das da heißt: Die Schnellen fressen die Langsamen. Bayer wollte den schnellen Stürmer zwar erst im Sommer holen, aber so lang wollten weder Genk noch Bailey warten, und so kam er für rund zwölf Millionen Euro bereits im Januar nach Leverkusen.

Zu den Langsamen, die Bayer vor einem Jahr durch den schnellen Zugriff ausgebootet hatte, gehörte auch der FC Chelsea, und angeblich haben die Engländer kürzlich entschieden, diese Niederlage einfach durch doppelten Einsatz wieder wettzumachen. Bailey sei ihnen jetzt eine Ablöse von 25 Millionen Euro wert, und als Bonus biete Chelsea den Deutschen an, den Stürmer bis Saisonende behalten zu dürfen, berichtete eine Zeitung. Diese Zeitung heißt allerdings The Sun.

Von einem Angebot aus England ist bei Bayer nichts bekannt, die Antwort wäre aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Nein. Die Leverkusener sehen zurzeit keinerlei Anlass, an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern. Der laufende Betrieb unter der Aufsicht von Heiko Herrlich sorgt für eine Zufriedenheit, die man lange vermisst hatte. Weitgehend unauffällig, aber stetig hat sich Bayer nach stotterndem Saisonstart vorwärts gearbeitet, die Gipfelplätze sind wieder in Sicht und mit einem Sieg gegen Bremen an diesem Mittwoch womöglich greifbar. Daran hat der in Kingston/Jamaika geborene Leon Bailey großen Anteil. Vier Tore und vier Torvorlagen hat er zum Aufstieg beigetragen. Boldt findet zwar, man sollte den Hype um den 20-Jährigen nicht forcieren, aber auch er ist angetan von der Wirkung, die Baileys Angriffswaffen haben: Er ist schnell, er kommt im Dribbling am Gegner vorbei, er hat den Instinkt und das Auge für den Mitspieler, und er ist sogar in der defensiven Arbeit einigermaßen zuverlässig.

Die Bayer-Planer hoffen, dass im Schatten von Bailey auch Bellarabi wieder die Form findet

Bayer hat noch einen anderen Spieler im Kader, der sehr schnell und kaum vom Ball zu trennen ist. Aber mit gezielten Torschüssen, Spielübersicht und Verteidigungsleistungen ist Karim Bellarabi, 27, schon länger nicht mehr aufgefallen. Mit einer Berufung in die Nationalmannschaft sowieso nicht. Bellarabi hat nach Aussage von ständigen Beobachtern inzwischen begonnen, sich aus dem Karriere-Tief herauszuarbeiten, in dem er während der vergangenen Saison verschwunden war. Der Weg scheint aber recht lang zu sein. Seine Rolle ist derzeit die des Einwechselspielers. Was wiederum auch daran liegt, dass Bailey ein vergleichbares Rollenmodell bedient und der Trainer keinen Grund hat, die Besetzung zu tauschen.

Für Bellarabi bleibt vorerst lediglich der Trost, dass er überhaupt noch in Leverkusen ist, während seine Mitstreiter Kevin Kampl (Leipzig) und Hakan Calhanoglu (AC Mailand) im Zuge der Kaderreform das Rheinland verlassen mussten. Bellarabi hingegen wird nicht nur vom Sportchef Rudi Völler geschätzt. Auch die anderen Bayer-Chefs haben die Hoffnung nicht aufgegeben, ihn wieder für das Mannschaftsspiel nutzbar machen zu können. Bailey und Bellarabi im Duett? Taktisch ein Wagnis. Aber vielversprechend.

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