Bundesliga:Die Wolfsburger Unwucht

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Mario Gomez (l) und Julian Draxler sollen Wolfsburg beflügeln - doch das gelingt ihnen nicht. (Foto: dpa)

Einst prägten den VfL Wolfsburg Offensivkräfte wie Dzeko oder De Bruyne - in der aktuellen Krise tragen selbst die Nationalspieler Gomez und Draxler nichts zur Belebung des VW-Fußballstandortes bei.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Wenn einer bei der Ankunft bereits vom Abschied spricht, ist das Problem eigentlich schon benannt. Gewiss, Mario Gomez ist jetzt 31, er steht in der Neige seiner Laufbahn, er hat nicht mehr viele Etappen bis zur letzten Strafraumszene. Weshalb er vor dem Abstecher nach Wolfsburg sehr lange überlegen musste, wie er im August zur Begrüßung freimütig gestand. Mag dieser Standort für viele vom Kfz-Mechatroniker über den Karosseriebauer bis zum Key Account Manager trotz akut qualmender Affären im VW-Werk ein attraktives Berufsziel sein, für einen Fußballer gilt das bis heute nicht - trotz inzwischen zwanzig Jahren Bundesliga, einer Felix-Magath-Meisterschaft (2009) und eines furiosen Pokalsiegs (2015).

Die Fußball-Prominenz drängt es nicht nur aus freien Stücken an den Mittellandkanal. Meist ist ein Boni-Paket zu schnüren, als grober Richtwert gilt, dass dort das Doppelte von dem bezahlt wird, was von Mittelklasse-Traditionsklubs ohne Weltkonzern im Kreuz angeboten wird. Zuzüglich verzwickter Extras. Im Fall von Gomez ist dies eine Ausstiegsklausel: Wird die Qualifikation zur Champions League verpasst, wird der fixierte Dreijahresvertrag im Sommer 2017 wieder völlig neu verhandelt.

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Womit bereits vor Saisonbeginn das Dilemma an diesem Gladiatoren-Spielort deutlich geworden war. Denn der eine Nationalspieler, Gomez, hat seine Zukunft nun quasi auf dem eigenen Fuß: Trifft er, bleibt er. Und der andere Nationalspieler, Julian Draxler, kam trotz hartnäckigen Drängens nicht weg, hat er doch keine vergleichbare Gomez-Klausel. Zudem benötigt Volkswagen offenbar jene kolportierten 75 Millionen Euro nicht, die Paris St. Germain für Draxler bot. Derzeit steht Wolfsburg auf Rang 14. Und beide, der Turbo, Stürmer Gomez, und der Turbo-Lader, Zulieferer Draxler, stehen nach sieben Erstliga-Spielen auf der Stelle und bei null Toren.

Überhaupt kennzeichnet die seit 2012 von Manager Klaus Allofs komponierte Auswahl eine prekäre Unwucht. Sie kassierte zwar nur acht Tore (fünf von Borussia Dortmund); sie hat aber auch nur drei erzielt (plus ein Bremer Eigentor). Von jener Strahlkraft, jener Zielstrebigkeit, die Wolfsburg ehedem schon präsentieren konnte mit Offensiv-Attraktionen wie dem Torjäger-Duo Dzeko/Grafite (2009) oder mit Kevin De Bruyne (2015), ist gerade nichts mehr zu erkennen.

Ob all diese Defizite jetzt ausgerechnet der Bundesliga-Trainer-Novize Valerién Ismaël sensibler angehen wird als der sich mit jeder verpassten Zielvorgabe knurriger gebärdende Dieter Hecking, ist fraglich. Zumal Ismaël in einem angespannten Milieu beginnt, in dem das Werkspublikum schnell übellaunig wird, weil es die Leistung auf dem Rasen eben doch in Relation setzt zum täglichen Dienst an der Radkappe. Und weil da jetzt diese Angst mitschwingt, dass man für alle Welt zwar Autos baut, sich die glitzernde Globalisierung des Fußballs aber doch anderswo vollzieht.

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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