Bundesliga-Abstiegskampf:Stuttgart in der Achterbahn

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Zweifacher Torschütze für den VfB: Daniel Ginczek (links). (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach einem turbulenten 3:2 gegen Werder Bremen und zwei Toren von Daniel Ginczek schöpft der VfB Stuttgart neue Hoffnung im Abstiegskampf.
  • Der VfB verlässt den letzten Tabellenplatz, dort steht nun der HSV.
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Im Abstiegskampf sagen alle Mannschaften ja immer, dass sie nur auf sich schauen. Nur die eigene Leistung könne man beeinflussen, das ist der Standardspruch, also bringe es nichts, zur Konkurrenz rüberzuschielen. Das klingt gut, ist aber selten die Wahrheit, und speziell jene Abstiegskandidaten, die erst am Sonntag spielen, können gar nicht anders, als das Treiben der Konkurrenz zu bewerten. Was war das also, so gesehen, für ein Samstag für den VfB Stuttgart?

Erst gab's die schlechte Nachricht: Sieg für Paderborn. Dann folgte die gute: Niederlage für den HSV. Dennoch fühlten sich die Stuttgarter sehr unter Druck vor dem Heimspiel gegen Werder Bremen, denn sie müssen ja mindestens 16. werden, um den Direktabstieg zu vermeiden. Nach einem turbulenten Spiel mit packenden Höhepunkten und dramatischen Fehlern auf beiden Seiten wussten die Schwaben, dass sich das Wochenende doch gelohnt hat: Mit einem insgesamt verdienten 3:2 (1:0) gegen Werder Bremen gelang es dem VfB immerhin, schon mal den HSV hinter sich zu lassen. Die Bremer hingegen reihten sich ein in die Riege jener Klubs, die sich weigern, die Europa-League-Plätze anzugreifen.

"Das war ganz wichtig für den Kopf", sagte Torwart Sven Ulreich hinterher. Beim VfB haben sie ja beschlossen, dass sie noch mal neu in den Abstiegskampf starten. Trainer Huub Stevens hat der Elf inzwischen ein offensiveres Gesicht gegeben, und das war auch im Spiel gegen Werder bald zu sehen. Zwar starteten die Gäste aus Bremen kontrollierter, aber den Stuttgartern gelang es bald, sich in diese Partie hineinzukämpfen. Sie wurden auch deshalb selbstbewusster, weil die offensiven Akteure ihre Qualitäten zeigten. Regisseur Alexandru Maxim initiierte immer wieder gefährliche Aktionen, ebenso Flügelstürmer Filip Kostic, und beide waren auch am Stuttgarter Führungstor beteiligt: Über links bauten sie einen Angriff auf, der Ball kam in der Mitte zu Harnik, dessen Kopfball wurde von einem Bremer mit der Hand abgelenkt - bevor es aber zu größeren Debatten (Elfmeter ja/nein) kommen konnte, schoss Kapitän Gentner den abprallenden Ball trocken ins Netz (15.).

Eine verdiente Führung? Zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt, aber die Schwaben verdienten sich das Tor quasi nachträglich. Die stimulierende Wirkung dieses Treffers war nicht zu übersehen, immer wieder überwanden die Stuttgarter schnell das Mittelfeld und ermöglichten Mittelstürmer Ginczek schon mal ein paar gute Gelegenheiten. Es war kein Spiel für Freunde des Ballbesitzes, beide Mannschaften hatten gute Szenen, aber keine Mannschaft hatte wirklich die Kontrolle. Beim VfB schlichen sich immer wieder Schlampigkeiten ins Aufbauspiel ein, weshalb die Bremer eine stete Gefahr blieben.

Nach der Pause brachte Werder-Trainer Viktor Skripnik den jungen Davie Selke, der zuletzt wegen seines Wechsels zum Zweitligisten Leipzig für Diskussionen sorgte. Selke stand kaum auf dem Platz, da besorgte ihm der VfB schon ein Tor: Stuttgarts Serey Dié unterlief ein Abspielfehler im Mittelfeld, schon rollte Werders Kontermaschine. Fritz lief, lief und lief, dann flankte er, und Selke wurde von den VfB-Verteidigern Rüdiger und Klein im Zentrum nicht attackiert, sondern nur begleitet. Die freundliche Eskorte nutzte Selke zu einem wunderschönen Kopfballtor (50.).

Vor allem Martin Harnik wird sich lange an diesen Tag erinnern

Dann folgten die 52 Sekunden von Martin Harnik. Erst spielte Ginczek den Österreicher frei, kurz darauf erreichte ihn Kostic' Flanke ein paar Meter vor dem leeren Tor - beide Male brachte Harnik das Kunststück fertig, den Ball übers Tor zu schießen. Harnik versuchte, das Missgeschick nicht in Frust, sondern in Energie umzuwandeln, es war ein schwerer Weg, den er gehen musste. Er leistete sich gleich mal zwei Fehler, Trainer Stevens bereitete schon einen Wechsel vor. Aber als Timo Werner am Spielfeldrand erschien, setzte Harnik einem langen Ball nach, umkurvte den völlig unmotiviert aus seinem Tor sausenden Werder-Torwart Raphael Wolf - Harniks Flanke nutzte Ginczek per Kopf zum 2:1 (70.). Eine Viertelstunde später folgte die letzte Wellenbewegung in Harniks Achterbahn: Er sah nach einer übermotivierten Aktion die gelb-rote Karte.

Harnik wird wohl noch lange nachdenken über diesen Tag, denn kaum war der VfB in Unterzahl, stand es auch schon 2:2. Der zwei Meter lange Vestergaard bescherte den Bremern ein Kopfballtor nach einer Ecke (86.), aber damit war das Auf und Ab noch nicht zu Ende. Nun stieg Serey Dié in die Achterbahn: Seinen Fehler beim 0:1 konterte er mit einem Traumpass auf Ginczek, dem das 3:2 gelang (90.). Und Harnik? Er lief nach dem Schlusspfiff aufs Feld, um sich bei Ginczek zu bedanken.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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