Bremen deklassiert Wolfsburg:Felix Magath im Abstiegskampf

Was nun, Herr Meistertrainer? Beim 1:4 gegen Werder Bremen ist der VfL Wolfsburg chancenlos und offenbart gewaltige taktische Mängel. Während die Bremer ein noch deutlicheres Ergebnis verpassen, verblüfft Felix Magath mit seinen Einwechslungen. Im Abstiegskampf scheint der Großeinkäufer auf Regionalligaspieler zu setzen.

Sebastian Gierke

Dabei hatte Felix Magath alles versucht. Nach der 0:2-Niederlage beim Schlusslicht in Augsburg hatte der Wolfsburger Trainer einfach die Kommunikation verweigert und nicht mehr mit seinen Spielern gesprochen. Prompt verspielten die bei der nächsten Partie gegen Mainz einen 2:0-Vorsprung.

Werder Bremen - VfL Wolfsburg

Ashkan Dejagah kann es nicht fassen: Gegen Bremen hatte Wolfsburg keine Chance.

(Foto: dpa)

Vor dem Spiel gegen Bremen hatte Magath wieder einen Kniff parat. Er lud seine Spieler ein. Zu einem Kurztrainingslager in ein Sporthotel nach Barsinghausen. Das mit nur vier Punkten schwächste Auswärtsteam der Liga sollte dort etwas Selbstvertrauen aufbauen. Auf der Bowlingbahn. Magath wollte "das Miteinander fördern". Es soll heimelig gewesen sein, die Spieler seien zusammengerückt, berichtete der Trainer.

Zusammengerückt, das sind sie auch auf dem Spielfeld. Als hätten sie Angst, alleine zu sein, entfernten sich die Wolfsburger in Bremen nie weiter als ein paar Meter voneinander - und überließen dem Gegner damit den überwiegenden Teil des Spielfelds. Am Ende hatten sie 1:4 verloren, und das Magath-Team, mit vielen VW-Millionen zusammengestellt, steckt mitten im Abstiegskampf. Platz 14 in der Tabelle, nur drei Punkte von einem Abstiegsrang entfernt. Werder dagegen bleibt oben dran, ist jetzt Fünfter, nur zwei Punkte hinter der Spitze.

"Es war wie zuvor: Wir haben bis zum Gegentor gut gespielt und die Partie kontrolliert und dann wieder vernachlässigt, uns zu verteidigen", sagte Magath nach der Partie. "Was wir defensiv haben, ist einfach zu schwach. Es ist zu einfach, gegen uns Tore zu schießen. Das ist nicht bundesligareif!" Von einer "kollektiv schlechten Leistung" sprach der Wolfsburger Spieler Marcel Schäfer.

Tatsächlich ist das Einzige, was man Wolfsburg nach diesem Spiel zugutehalten kann: Sie standen irgendwie kompakt. Die Abwehr der Wolfsburger rückte weit raus, die Viererkette empfing den Gegner schon weit vor dem eigenen Sechzehnmeterraum. Doch Felix Magath muss sich fragen lassen: Kann das gegen schnell konternde Bremer die richtige Taktik sein?

Knapp, ganz knapp

Die meiste Zeit des Spiels befanden sich jedenfalls alle Wolfsburger Feldspieler zehn Meter links und rechts von der Mittellinie entfernt. Bremen ließ sich davon aber nicht eine Sekunde lang einschüchtern, immer wieder ignorierte Werder den massiven Wolfsburger Abwehrblock einfach - mit langen Pässen.

Hin und wieder standen sie dabei im Abseits. Knapp, ganz knapp. Nach 15 Minuten waren sie schon fünf Mal in aussichtsreicher Position zurückgepfiffen worden. Vier Mal davon war die Entscheidung zumindest diskussionswürdig. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das für Wolfsburg schief geht.

Es dauerte bis zur 18. Spielminute. Chris war nicht gedankenschnell genug. Der Brasilianer konnte gegen den durchbrechenden Philipp Bargfrede nur ein taktisches Foul aufbieten. Nach dem fälligen Freistoß kam Pizarro frei zum Kopfball, Diego Benaglio klatschte ab und Sokratis Papastathopoulos hatte keine Probleme, einzuschieben.

Felix Magath hätte jetzt seinen Fehler einsehen und die Taktik umstellen können. Er tat es nicht. Und in der 39. Minute ging es wieder schief. Einen wunderbaren Pass von Pizarro in den ganz, ganz freien Raum hinter der Wolfsburger Abwehr nahm Markus Rosenberg auf. Alleine lief er auf Benaglio zu, die Wolfsburger schauten sich verzweifelt an und als sie noch überlegten, ob es Sinn macht, hinterherzulaufen, spielte Rosenberg zu seinem hinterhergelaufenen Mannschaftskollegen Florian Trinks. Der stand dann alleine vor dem leeren Tor, doch kurz bevor er schoss, versprang der Ball - und Trinks sah, na ja, etwas unglücklich aus, als er den Ball in einem ulkigen Bogen über das Tor hob.

Von allen Abwehrspielern verlassen

Trinks' unfreiwillig komische Einlage hatte allerdings keine Auswirkungen auf das Spiel. Zu schlecht waren die Wolfsburger. Als hätten sie Angst, ihre Komfortzone an der Mittellinie zu verlassen, brachten sie in der ersten Hälfte kaum einen Ball zum gegnerischen Tor.

Elegant vor das von Benaglio bewachte Wolfsburger Tor schlängelte sich dagegen Pizarro kurz vor der Pause. Nach einem Einwurf ließ er an der Torauslinie zwei Gegenspieler stehen - als wären sie Bowlingpins. Dann brachte er den Ball überlegt im Tor unter. Felix Magath stapfte wenige Sekunden später mit einem Gesichtsausdruck in die Kabine, der für seine Spieler nichts Gute verhieß. Kann man mit rollenden Köpfen bowlen?

Magath wechselte Hasan Salihamidzic und Josué aus, brachte den Bundesligadebütanten Sebastian Polter und dazu Sebastian Schindzielorz, 32 Jahre alt, eigentlich Kapitän der VfL-Regionalligareserve. Schindzielorz war der 30. Spieler, den Magath in dieser Saison einsetzte. Bundesligarekord. Und ein Armutszeugnis für Magaths Transferpolitik.

Am Spiel änderte sich nichts. In der 56. Minute schickte Bargfrede Rosenberg wieder einmal in den ganz ganz freien Raum hinter der Wolfsburger Abwehr - an der Taktik hatte Magath nichts geändert - Rosenberg drehte sich einmal um die eigene Achse und traf zur Vorentscheidung ins lange Eck.

Anschließend ließen es die Bremer etwas ruhiger angehen. Machten sich aber einen Spaß daraus, hin und wieder einen Ball in den ganz ganz freien Raum vor dem Wolfsburger Tor zu spielen. Fritz scheiterte, scheinbar immer noch überrascht von so vielen Freiheiten, in der 60. Minute alleine vor Benaglio, Rosenberg traf kurze Zeit später den Pfosten. Noch selten dürfte der Wolfsburger Torhüter in einem Spiel öfter alleine einem Gegenspieler gegenübergestanden haben: Von allen guten Abwehrspielern verlassen.

In der 70. Minute trickste Pizarro mit einem feinen Pass aus dem Fußgelenk Madlung aus, der eingewechselte Marko Arnautovic bedankte sich mit dem 4:0. Kurz vor Schluss vergab Arnautovic einen Meter vor dem Tor.

Der Ehrentreffer fünf Minuten vor Schluss durch Marcel Schäfer konnte Felix Magath nicht mehr aufmuntern. Er saß auf der Bank und überlegte wahrscheinlich schon, was er nächste Woche mit seiner Mannschaft anstellen könnte. Zum Bowlen wird er sie mit Sicherheit nicht mehr einladen.

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