Boxen: Klitschko-Brüder:Scharmützel nach dem Schlussgong

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"David Haye ist ein Clown und Lügner!" - Wladimir Klitschko ist demonstrativ wütend auf den ihm unterlegenen David Haye. Nun will sein Bruder den Briten zu Boden schicken. Doch die Verhandlungen dürften schwierig werden. Und dann ist da noch ein anderer Traum der Klitschkos.

Jürgen Schmieder

Die Wut kommt plötzlich und unerwartet. "Boxen ist ein Sport für Gentlemen", sagt Wladimir Klitschko, "das ist David Haye nicht. Er hat einen Zirkus veranstaltet, er ist ein Clown und Lügner!" Neben ihm sitzt Vitali und legt seine Hand auf den Unterarm seines Bruders, um ihn zu beruhigen. Dann fügt Vitali an: "Der einzige Grund, mit Haye noch einmal in den Ring zu steigen, wäre, ihn noch stärker zu bestrafen."

Wladimir und Vitali Klitschko: "Wir haben noch viel vor." (Foto: REUTERS)

Zwei Tage sind seit dem Kampf gegen Wladimir Klitschko und David Haye vergangen, doch der verbale Schlagabtausch geht weiter. Der nach Punkten unterlegene Brite gab sich zunächst ungläubig, glimpflich davongekommen zu sein: "Verdammt! Für jemanden, der derart viel Trash Talk macht wie ich, hätte ich viel mehr Hass und Beschimpfungen erwartet", schrieb er am Montag auf seine Twitter-Seite.

Daneben stellte Haye ein Foto seines Zehs, den er sich vor drei Wochen gebrochen hatte. Er habe nur deshalb verloren, weil er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen sei. "Dadurch konnte ich meine Rechte nicht wie gewohnt schlagen", hatte Haye gesagt.

Im Interview mit dem britischen Sender BBC forderte Haye dann einen Rückkampf - und stellte Bedingungen: Er werde nur auf Augenhöhe über einen Rückkampf verhandeln und nicht aus der Position des Herausforderers. "Haye redet unglaublich viel", ist die Antwort von Wladimir Klitschko, "und er lügt unglaublich viel. Am Samstag nach dem Kampf hat er erst auf meine Frage hin und nach langer Bedenkzeit gesagt, dass er noch einen Kampf haben möchte. Um ehrlich zu sein: Ich glaube nicht, dass er diesen Kampf wirklich will."

Schon direkt nach dem Kampf hatte Haye die Verletzung am kleinen Zeh des rechten Fußes als Grund für die Niederlage angeführt - zum Verdruss des Siegers. "Ich habe ihm am Samstag schon gesagt, dass er lieber ruhig sein soll", sagt Wladimir, "nun bekommt er die Rechnung präsentiert. Selbst die britischen Medien verspotten ihn als schlechten Verlierer. Die Aussagen, die er nach dem Kampf gemacht hat, tun ihm jetzt nicht gut."

Dennoch scheint es so, als wären die Klitschko-Brüder nicht abgeneigt, Haye einen zweiten Kampf anzubieten - wenn auch nicht gegen Wladimir. "Ich muss nun erst einmal gegen den talentierten Tomasz Adamek antreten, dann sehen wir weiter", sagt sein älterer Bruder Vitali. Und Bernd Bönte, Geschäftsführer der Klitschko Management Group (KMG), ergänzt: "So ein Kampf könnte frühestens Anfang des kommenden Jahres stattfinden. Wir müssen sehen, ob Haye so lange warten möchte."

Rundenkritik Klitschko vs. Haye
:Der Tanz ums goldene Kalb

Einen Krieg hatte David Haye angekündigt, doch er ist zu oft auf der Flucht, tänzelt, duckt sich, weicht zurück. Dennoch: Der Brite beweist sein Talent und bringt Wladimir Klitschko immerhin kurz ins Wanken. Am überzeugendsten ist allerdings seine schauspielerische Leistung.

Jürgen Schmieder, Hamburg

Die Konzentration auf Haye hat freilich auch damit zu tun, dass sich auf den Ranglisten, die regelmäßig von den großen Boxverbänden herausgegeben werden, auf den vorderen Plätzen kaum ein Athlet mit klangvollem Namen findet. Am 10. September tritt Vitali Klitschko in Breslau gegen Adamek an, der wie Haye aus dem Cruisergewicht in Schwergewicht gewechselt ist und nun die Liste der Herausforderer anführt.

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Einen Krieg hatte David Haye angekündigt, doch er ist zu oft auf der Flucht, tänzelt, duckt sich, weicht zurück. Dennoch: Der Brite beweist sein Talent und bringt Wladimir Klitschko immerhin kurz ins Wanken. Am überzeugendsten ist allerdings seine schauspielerische Leistung.

Jürgen Schmieder, Hamburg

Die Boxer auf den hinteren Ranglistenplätzen haben die Klitschkos bereits besiegt - oder sie sind weitgehend unbekannt: Für den Finnen Robert Helenius käme ein WM-Kampf gegen die Klitschkos ebenso zu früh wie für den Ukrainer Denis Boytsow, wie Helenius noch ohne Niederlage. Der Kubaner Odlanier Solis befindet sich nach seinem Kreuzbandriss, den er sich beim Kampf gegen Vitali Klitschko im März zugezogen hatte, noch im Aufbautraining. Verhandlungen mit Nikolaj Walujew gestalten sich traditionell schwer. Zudem hat der Russe seit seiner Niederlage gegen Haye im November 2009 nicht mehr geboxt.

Beim amerikanischen Sender HBO heißt es, man sei mit den Quoten des Kampfes zwischen Haye und Wladimir recht zufrieden gewesen, für das Duell zwischen Vitali und Adamek habe man die gleiche Summe bezahlt und erwarte ähnlich hohes Interesse. Danach indes könnte es langweilig werden in einer Gewichtsklasse, die die Klitschko dominieren wie nur wenige Boxer zuvor.

"Sie wollen wissen, wann die Klitschko-Krise im Schwergewicht endlich vorbei ist", sagt Wladimir auf die Frage nach einem möglichen Karriereende. "Noch lange nicht. Wir haben noch sehr viel vor." Die Motivation sei nach wie vor sehr groß, sämtliche bedeutenden Titel im Schwergewicht nun auch zu verteidigen. Sein Bruder ergänzt: "Wir haben noch einen Traum, aber den werden wir erst verraten, wenn es so weit ist." Klar ist nur: Gegeneinander wollen sie wohl nicht antreten - das hatten sie einst ihrer Mutter versprochen.

Die Klitschkos haben den TV-Vertrag mit dem Sender RTL kürzlich um fünf Kämpfe verlängert - wobei unerheblich ist, ob nun Wladimir oder Vitali in den Ring steigen wird. Sollten die Weltmeister die Lust aufs Weitermachen verlieren, könnten sie jederzeit aus der Vereinbarung mit dem Sender aussteigen. Manager Bönte bestätigte entsprechende Berichte, widersprach jedoch der Darstellung der Bild-Zeitung, wonach KMG pro Kampfabend zwischen drei und 3,5 Millionen Euro erhält.

Eine Revanche gegen David Haye erscheint angesichts der zur Schau getragenen Wut auf den Briten nicht unwahrscheinlich. An einer Befriedung des publikumswirksamen Konflikts können die Klitschkos kein Interesse haben - und so stichtelt Bönte gegen Haye: Weil der sich nach der Niederlage als Großmaul präsentiert habe, werde das Klitschko-Management nicht mit dessen Manager Adam Booth verhandeln. "Wenn wir uns an einen Tisch setzen, dann mit dem britschen Sender Sky, bei dem Haye unter Vertrag steht und der in England das Sagen hat", sagt Bönte.

Haye hat seine Bereitschaft signalisiert: Der Brite kündigte an, seine geplante Hollywood-Karriere zu verschieben und weiter boxen zu wollen: "Es würde sich nicht richtig anfühlen, mit einer Niederlage aufzuhören."

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