Biathlon:Oberhof schrumpft, um zu bleiben

Lesezeit: 3 min

Vor gut gefüllten - weil verkleinerten - Zuschauerrängen in Oberhof: Laura Dahlmeier. (Foto: Robert Michael/AFP)

Braucht Deutschland zwei Biathlon-Weltcups? Oberhof reagiert auf das sinkende Zuschauerinteresse. Einige Athleten verteidigen den Standort vehement.

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Kaisa Mäkäräinen ist eine Frau mit Erfahrung. 33 Jahre ist die Finnin alt, seit elf Jahren im Biathlon-Weltcup unterwegs, und wenn sie über die Eindrücke ihres Sports spricht, hat das Experten-Charakter. Vor zehn Jahren ist sie zum ersten Mal in Oberhof gewesen, berichtete Mäkäräinen am Freitag, damals sei die Stimmung im Stadion "super amazing" gewesen. Heute sei sie nur noch amazing, also weniger faszinierend. Das liegt nicht an leeren Tribünen, die erschienen in den vergangenen Tagen durchaus gut gefüllt. Was aber auch ein bisschen gemogelt war: Der Veranstalter hatte sie verkleinert.

"Klein, aber fein", nennen die Organisatoren ihren Weltcup in Oberhof heute. Es sind veränderte Realitäten, die den Thüringer Wald erreicht haben, auch in den Köpfen. 25 000 Menschen strömten zur WM 2004 noch täglich an die Strecke, heute sind es an den besten Tagen 18 000. Die rund 60 000 Zuschauer, die in den vergangenen vier Tagen zum Grenzadler gekommen sind, bedeuten einen Tiefstand für den Oberhofer Weltcup. Silvio Eschrich, Geschäftsführer der organisierenden WSRO-Skisport GmbH, sagt dennoch: "Das ist absolut spitze für uns, das haben wir so nicht erwartet."

Darja Domratschewa
:Zu dritt auf Weltcup-Tour

Drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter gibt Biathlon-Olympiasiegerin Darja Domratschewa ihr Comeback. Da ihr Mann Ole Einar Björndalen heißt, steht die Familie vor Herausforderungen.

Von Saskia Aleythe

Nach der WM 2004 hatte sich fast zehn Jahre lang nichts getan

Die Erwartungen sind gesunken in Oberhof. "Der ein oder andere Fußballverein könnte ein drittes Stadion anbauen und das noch füllen, bei uns ist das nicht der Fall", sagt Organisationschef Holger Wick. Aus den Vorverkaufszahlen der vergangenen Jahre zogen sie ihre Schlüsse, mit 40 000 Zuschauern wären sie diesmal zufrieden gewesen. Aufgestellt wurde dann ein angepasstes Konzept für den kleinen, feinen Weltcup, zu dem eben auch die verkleinerte Tribüne gehört. Geringere Ausgaben haben Priorität: Die Absage wegen Schneemangels im Vorjahr hatte der gesamten Region, deren Tourismus von diesem Weltcup abhängt, Millionen-Verluste beschert.

Der Weltverband IBU ist zufrieden, wie sich Oberhof entwickelt hat, nachdem sich lange gar nichts getan hatte. Die Anlage in Oberhof, die 2004 höchstmodern war, blieb fast zehn Jahre unverändert. Während in Osteuropa neue Arenen aus dem Boden schossen, mussten sich die Athleten im Thüringer Wald noch bis 2014 in provisorischen Containern umziehen. Erst als eine Neuvergabe des Weltcups in Frage stand, reagierte man: Für 2,57 Millionen Euro entstand ein Multifunktionsgebäude, Stellflächen für Übertragungswagen wurden befestigt, durch den Matsch waten ist heute Vergangenheit. Auch ein Schneedepot ist entstanden, dessen Notwendigkeit im vergangenen Jahr richtig deutlich wurde. Dass Oberhof auch über 2018 hinaus einen Weltcup austragen wird, ist sehr wahrscheinlich. "Wir standen mit der IBU im ständigen Austausch, sie haben uns bis dato ein gutes Fazit ausgestellt", sagt Wick. Im Sommer will die IBU über die Standorte im anschließenden Vierjahreszeitraum entscheiden. Der Deutsche Skiverband (DSV) plant zudem mit Oberhof eine Bewerbung für die WM 2023: "Wir gehen effektiv und mit sehr viel Power die neue Bewerbung an", sagte DSV-Präsident Franz Steinle am Samstag.

Würde ein Weltcup in Deutschland reichen?

Atmosphärisch sind die Athleten anderes gewöhnt, die Zuschauer waren immer eine Besänftigung für die oft schwierigen Verhältnisse. Nebel, Wind, Sturm, mal zu viel Schnee, mal zu wenig - schon in den Vorjahren hatten die Sportler über eine Verlegung debattiert, Mäkäräinen störte sich auch an etwas anderem: "Deutschland hat zwei Weltcups, aber es gibt mittlerweile viele große Nationen im Biathlon." Auch Marie Dorin-Habert, fünfmalige Weltmeisterin, merkte an, ein Weltcup für Deutschland würde vielleicht reichen. Erik Lesser und Arnd Peiffer, die in Oberhof trainieren, können diese Diskussion nicht nachvollziehen. "Das ist völliger Quatsch", sagte Lesser, "wenn wir an Orte wie Presque Isle fahren, wo 50 Schulkinder ein bisschen Party machen." Peiffer verwies auf die lange Biathlon-Begeisterung in Deutschland: "Die deutschen Weltcups haben Biathlon auch ein bisschen groß gemacht. Wenn man sieht, was in Ruhpolding und hier los ist, sind die Weltcups absolut gerechtfertigt."

Wenn man die Sponsoren des Weltcups sieht, erübrigt sich die Diskussion ohnehin schnell: Ein deutscher Autokonzern ist Titel-Sponsor, fünf weitere, ausschließlich deutsche Geldgeber prangen auf den Aufstellern. Gemessen am Zuschauerzuspruch gehört Oberhof zu den vier stärksten Standorten im Weltcup, bei insgesamt neun Stationen.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Biathlon
:"Kopf runter, volle Attacke"

Beim Heim-Weltcup in Oberhof sprintet Biathlet Simon Schempp dem zuletzt alles überragenden Martin Fourcade davon. Und dann kommt noch "der kleine Lesser" daher.

Von Saskia Aleythe

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: