Olympia:Wieder eine Staffel zum Vergessen

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Schlussläuferin Laura wird im Ziel von ihren Teamkameradinnen umringt. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)
  • Die deutschen Biathletinnen haben in der Staffel eine Medaille verpasst, genau wie vor vier Jahren in Sotschi.
  • Der Schießstand war für die Deutschen an diesem Tag einfach nicht zu beherrschen - und dann kam auch noch Pech dazu.
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Von Saskia Aleythe, Pyeongchang

Es war ein Freitag in Sotschi, der letzte Freitag der Spiele von 2014, als die deutschen Biathletinnen ein stummes Entsetzen überkam. Ratlosigkeit. Überforderung. Es gibt einem ja niemand mit auf den Weg, was man tun soll, wenn plötzlich ein Dopingfall im eigenen Team bekannt wird, wenn eine Mannschaftskollegin suspendiert wird von Olympia. So standen sie da, vor dem Start ihres Staffelrennens: Laura Dahlmeier, Franziska Preuß, Franziska Hildebrand, Andrea Henkel. Aufgebracht und aufgewühlt, nachdem Evi Sachenbacher-Stehle wegen einer positiven Dopingprobe aus dem Team geflogen war. Startläuferin Preuß stürzte nach 600 Metern, Stockbruch, Schnee am Gewehr. Ergebnis: Rang elf, letzter Platz. Ein Tag, über den der Bundestrainer Gerald Hönig jüngst sagte: "Schlimmer konnte es nicht kommen."

Vier Jahre später: Ein Donnerstag in Pyeongchang, der letzte Donnerstag der Spiele, an dem die deutschen Biathletinnen einen Glücksritt planten. Dahlmeier hätte zur viermaligen Medaillengewinnerin werden können, die Prognose war gut: In sieben der letzten acht Staffelwettbewerbe waren die deutschen Frauen saisonübergreifend auf dem Podium gelandet - ganz oben. Doch am Ende, nach dem Zieldurchlauf, sagte Gerald Hönig in der südkoreanischen Nacht: "Damit können wir unseren Frieden mit Olympia und den Staffelrennen nicht machen." Auf der Anzeigetafel stand: Rang acht.

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Immerhin nicht der letzte Platz. Angriffslustig waren die Deutschen an den Start getreten, ein bisschen trotzig nach dem Mixed-Rennen, das unversöhnlich auf dem vierten Rang geendet hatte. "Ich denke schon, dass die Reaktion sein wird: Euch zeigen wir es jetzt!", hatte Hönig gesagt. Sein Unmut hatte sich aus der Trickserei von Italiens Schlussläufer Dominik Windisch gespeist, der den Deutschen im Spurt die Vorfahrt genommen hatte. Die Jury sah es anders, also: Platz vier.

Franziska Preuß ging am Freitag als Erste ins Rennen. Sie lief vorneweg, legte sich zum ersten Schießen auf die Matte, traf fünfmal. Das ist der Moment, in dem sich in der Regel die Anspannung beim Trainer löst, die Athletin aufsteht und in die nächste Runde geht. Doch Preuß blieb liegen. Sie fummelte eine weitere Patrone ins Gewehr. "Was macht sie denn?!?", entfuhr es dem Trainer, den Blick durchs Fernrohr gerichtet, die Hand am Funkgerät: "Sie hat null Fehler und lädt nach?" Dann wurde es still um ihn herum.

"Ich habe einen Treffer als Fehler registriert, deswegen nachgeladen und dann gesehen, dass es doch ein Treffer war", versucht Franziska Preuß, 23, später zu erklären. Sie löste den Schuss nicht mehr aus und lief wieder in die Loipe, doch Diskussionen um eine Disqualifikation machten die Runde. Mit geladener Waffe darf man nicht laufen; ob sie die Patrone vor dem Aufstehen noch hatte fallen lassen, war nun die Frage. "Ich habe sie wieder raus repetiert", sagte Preuß später, aber klar: "Das hat mich schon ein bisschen aus dem Konzept gebracht, dann kam der Schneefall und der Wind am Schießstand. Dann die Anspannung. Ich habe es vom Kopf her nicht mehr kontrolliert gekriegt." Stehend schoss sie sogar eine Strafrunde, für Hönig trotz böiger Verhältnisse eine Enttäuschung: "Ich hätte gedacht, dass sie als gute Schützin nicht solche Probleme kriegt."

"Traurig, dass sie sich nicht belohnt haben"

Als Zwölfte übergab Preuß an Denise Herrmann, für die Hönig später die Worte "ein bisschen überfordert" benutzte. Er meinte das nicht böse, Herrmann ist erst seit zwei Jahren Biathletin und wegen ihrer flinken Beine aus ihrer vorherigen Karriere als Langläuferin geschätzt. Sie hat in Pyeongchang auch schon gut geschossen. Nur als sie nun nach fehlerfreiem Liegendschießen zum zweiten Mal auf die Matte kam, leistete auch sie sich eine Strafrunde. Wieder fegten Böen durch die Arena, doch die Konkurrenz kam besser zurecht. Von Diskussionen um eine mögliche Disqualifikation habe sie nichts mitbekommen, sagte Herrmann später.

Franziska Hildebrand übernahm mit 1:34 Minuten Rückstand auf die zu diesem Zeitpunkt noch führenden Finninnen, schoss ebenfalls eine Strafrunde, sie konnte nur zwanzig Sekunden aufholen. "Beim Einlaufen habe ich mal kurz aufs Tableau geschaut", sagte Schlussläuferin Laura Dahlmeier später, "als wir da auf der zweiten Seite im zweistelligen Bereich waren, habe ich mir schon gedacht, es wird keine leichte Aufgabe. Aber ich habe versucht, daran zu glauben, dass das Unmögliche möglich wird."

Als sie die Fehler von Hildebrand beobachtete, hatte Dahlmeier noch zu Hönig gefunkt und um Tipps gebeten, wie der Schießstand zu beherrschen sei. Sie brachte die Mannschaft noch von Rang elf auf acht, musste auch nur einen Nachlader bemühen - im Ziel aber war ihr Rückstand auf den neuen Olympiasieger Weißrussland 53,9 Sekunden groß, Schweden schnappte sich Silber, Frankreich Bronze.

Preuß, Herrmann und Hildebrand hatten in Pyeongchang schon die Plätze vier, sechs und neun in Individualrennen belegt. "Traurig, dass sie sich nicht belohnt haben", fand Hönig. Und: "Für die Laura, die wirklich eine gute Leistung gebracht hat, war es hintenraus zu spät." Mehr als Schadensbegrenzung war nicht drin, das kann einen ziemlich wurmen als Doppel-Olympiasiegerin. Schon in der Mixed-Staffel hatte Dahlmeier eine treppchenwürdige Etappe gezeigt. "Ich glaube, es ist für alle vier eine richtig blöde Situation", begann sie diplomatisch - und fuhr fort: "Man muss sicher die richtigen Schlüsse draus ziehen." Welche? "Es waren keine einfachen Bedingungen heute, aber gewisse Athletinnen haben gezeigt, dass es doch auch möglich ist." Es klang so, als werde auch diese Olympia-Staffel der Frauen nicht so schnell vergessen sein. Und dass da etwas zurück bleiben wird.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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