Biathlet Michael Rösch:Rückkehr eines Streitbaren

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Erst Olympia-Gold und drei WM-Medaillen. Dann der Absturz: Der Biathlet Michael Rösch erlebte private Probleme, erhielt von den Trainern "Denkpausen" und "erzieherische Maßnahmen", fand sich in der Drittklassigkeit seiner Sportart wieder. Jetzt hat er sich ins deutsche Weltcup-Team zurückgekämpft.

Matthias Kohlmaier

Zehn Scheiben, zehn Treffer - das war Michael Rösch im Weltcup lange nicht gelungen. Als dritter Läufer war der 28-Jährige für die deutsche Mixed-Staffel beim Rennen in Hochfilzen an den Start gegangen, nachdem Kollegin Miriam Gössner mit einer schwachen Einlage im stehenden Anschlag die Chancen auf einen Podestplatz bereits verspielt hatte.

Mit Rang zwölf bei der Verfolgung in Hochfilzen erzielte Michael Rösch sein bisher bestes Saisonresultat. (Foto: imago sportfotodienst)

Für Rösch hatte das allerdings etwas Gutes: "Wir lagen schon so weit zurück, da habe ich mir nicht mehr so viel Druck gemacht." Am Ende erreichte die Staffel den fünften Platz, aber viel wichtiger war für Michael Rösch die Erkenntnis: Er hat seine Chance im Weltcup genutzt - nach fast zweijähriger Abstinenz.

Kaum ein Beobachter der Szene hat damit gerechnet, dass Michael Rösch überhaupt noch einmal ein Biathlon-Weltcup-Rennen bestreiten würde. Zu weit unten war er gelandet, zu viele Probleme hatten sich in seinem Leben zusammengebraut, der Abstand zu den Besten in seinem Sport schien zu groß geworden zu sein. Dabei gehörte er einmal zu den größten deutschen Biathlon-Hoffnungen.

Michael Rösch hat zwei komplizierte Jahre hinter sich. 2006 hatte er mit der Männer-Staffel Olympiagold in Turin geholt, wurde als Nachfolger von Ricco Groß und Sven Fischer gehandelt. Es folgten drei gute, aber nicht herausragende Winter mit einigen Podiumsplätzen und dreimal Staffel-Bronze bei Weltmeisterschaften. Im Winter 2009/2010 war dann der ganz große Durchbruch fest eingeplant: Nach zwei Titeln und einem zweiten Platz bei der Sommer-WM schien die Form zu stimmen und Weltcupsiege nur eine Frage der Zeit. Die Olympischen Spiele in Vancouver waren auch nicht mehr fern.

Beim Trainingslager im finnischen Muonio begann dann, was Michael Rösch heute als "Schneeballeffekt" bezeichnet: "Da habe ich vor lauter Ehrgeiz einfach zu viel Gas gegeben. Es geht ganz schnell, dass man in zwei Wochen seine Form sozusagen in die andere Richtung trainiert." Zu den sportlichen Problemen gesellten sich Sorgen im Privatleben - er habe zu der Zeit "privat leider einige Fehler gemacht" und "alles lief ein wenig in die falsche Richtung", sagt er im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Nach einem ganz schwachen Rennen in Pokljuka wurde Rösch vom damaligen Bundestrainer Frank Ullrich gar aus dem Kader der Weltcup-Mannschaft gestrichen. Er bekam eine Denkpause, wie es hieß. Die vom Deutschen Skiverband (DSV) geforderten Platzierungen für die Olympiaqualifikation hatte er bis dahin noch nicht erbracht - dass der Saisonhöhepunkt wirklich ohne ihn stattfinden könnte, wollte er trotzdem nicht wahrhaben: "Ich hätte nie damit gerechnet."

Bei den Rennen in Antholz bekam er noch eine Chance, aber es wollte ihm einfach nichts gelingen. "Da lag es dann in meiner Hand, ich habe es aber selbst verbockt", räumt er heute ein. Das deutsche Team reiste ohne Michael Rösch nach Vancouver. Der blieb in Zinnwald in Sachsen.

Mittlerweile hadert Rösch nicht mehr damit. "Am Ende bin ich völlig zu Recht zu Hause geblieben", sagt er, "weil die Leistung einfach nicht gestimmt hat." Dabei galt die Eigenschaft "Einsicht" lange nicht als seine Stärke, mitunter äußerte er auch öffentlich seine kritische Meinung und eckte damit ordentlich bei seinen Trainern an. Die sahen sich bisweilen zu "erzieherischen Maßnahmen" gezwungen, wie ein Startverbot bei Röschs Heim-Rennen in Altenberg in der vergangenen Saison beweist.

Der Athlet kämpfte sich da schon durch den zweitklassigen IBU-Cup - und auch das oftmals mehr schlecht als recht. Nach der Enttäuschung von Altenberg nahm er ein paar Wochen Auszeit, danach fuhr er nur noch im Deutschland-Pokal, eigentlich eine Nachwuchsserie für junge Talente.

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"Aufzuhören stand für mich aber nie zur Debatte, weil ich immer noch Bock auf Biathlon hatte", erzählt Rösch. Sich zu motivieren sei ihm allerdings manchmal sehr schwer gefallen.

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Es kam der Sommer 2011 und Arnd Peiffer. Zusammen mit dem Sprint-Weltmeister trainierte Rösch im Polizeisportzentrum in Bad Endorf und kämpfte dort um seine Karriere. "Arnd ist schließlich Weltmeister, da habe ich dann immer gesehen, wie mein aktueller Leistungsstand ist", meint Rösch. Der Aufenthalt sollte sich auszahlen. Michael Rösch kehrte in das deutsche Weltcup-Team zurück.

Mit Platz 27 im Sprint und Rang zwölf in der Verfolgung von Hochfilzen hat er seine Nominierung gerechtfertigt. Mit den Trainern hat er sich offensichtlich versöhnt: "Wir haben uns zusammengesetzt und einen Schlussstrich unter diese Phase gezogen". Jetzt gehört Michael Rösch, den alle "Ebs" nennen, zu einer Gruppe deutscher Biathleten, die sich an die Weltspitze heranpirscht.

Die deutschen Männer sind sehr ausgeglichen besetzt. Rösch sagt: "Das Niveau ist wahnsinnig hoch. Da muss ich wirklich jeden Tag Vollgas geben, um dabei zu sein." Hier und da springen gute Platzierungen heraus, zuletzt hat Andreas Birnbacher sogar ein Weltcup-Rennen gewonnen. Einen konstanten Siegläufer gibt es indes nicht, was laut Rösch daran liegt, "dass die Weltspitze in den vergangenen zwei Jahren extrem eng zusammengerückt ist".

An Siege denkt Michael Rösch ohnehin noch nicht. Auch die Teilnahme an der Heim-WM in Ruhpolding Anfang März will er partout nicht als sein Saisonziel ausgeben: "Ich bleibe vorerst bei meiner Einstellung und meinen Zielen, die WM ist also kein Teil von meinem Fahrplan." Leise fügt er aber hinzu: "Wenn es doch dazu kommen sollte, ist das natürlich super."

Trotz der schwierigen Phase will Rösch dennoch nicht seine komplette Lebenseinstellung verändern. "Ich bin zwar keine 20 mehr, werde aber trotzdem versuchen, meine lockere Art zu behalten." Ein Beispiel: Nach der starken Schießleistung in der Mixed Staffel schrieb Rösch auf seiner Homepage: "Peng x 10".

Die Tagebucheinträge auf seiner Webseite kommen ohnehin wieder mit deutlich höherer Frequenz. Die wird sich sogar noch steigern, falls Rösch bei den Rennen in Oberhof in der ersten Januarwoche wieder unter die ersten 15 fährt. Dann hätte er die Qualifikationsnorm für die WM in Ruhpolding schon sicher - obwohl das gar nicht auf seinem Fahrplan steht.

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