Barcelona vor dem Bayern-Spiel:Gnadenlos, fast unverschämt

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Achtmal jubeln: Neymar (links) und Lionel Messi in Córdoba (Foto: AP)

Vor dem Spiel gegen den FC Bayern toben sich die Barcelona-Spieler aus. Acht Mal treffen sie gegen Córdoba. Mitgefühl kennt das Team von Luiz Enrique nicht - nicht einmal für das Verletzungspech des nächsten Gegners.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Eine "Goleada" ist meistens unverschämt, immer gnadenlos. Und es darf darüber debattiert werden, ob eine solche Torflut, solch ein ungebremstes Schützenfest gegen einen schwachen Gegner, eine probate Vorbereitung ist für die wahren, schwierigen Aufgaben, die bevorstehen. Oder ob bei einem solchen Torreigen nicht die Sinne etwas duselig werden könnten, ob die Konzentration nachlässt. 8:0 jedenfalls gewann der FC Barcelona sein Meisterschaftsspiel vor dem Halbfinale der Champions League gegen den FC Bayern - auswärts beim Tabellenletzten in der vorsommerlichen Hitze Córdobas.

Zum Schluss waren alle nur noch froh, dass der Schiedsrichter die Partie beendete, eine Minute früher als geplant. Barça-Trainer Luis Enrique wurde später gefragt, ob er denn kein Mitleid verspürt habe für den Gegner: "Mitleid, im Fußball?", fragte Enrique zurück, als habe der Reporter eine eklatante Lücke in seinem fachlichen Basiswissen offenbart, "Respekt, ja, aber mehr gibt es in dieser Welt nicht."

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8:0, auswärts! Eine Premiere in Barcelonas Geschichte war das zwar nicht, aber halt doch einen Eintrag in die Bücher wert. Sechs Tore trugen die drei Prominenten in der Offensive bei, von denen mittlerweile in jedem Spiel Glorioses erwartet wird: Stürmer Luis Suárez gelang der erste Hattrick, seit er in Spanien spielt; Lionel Messi erhöhte sein Konto mit zwei Zugaben auf nunmehr 51 Tore in dieser Saison, alle Wettbewerbe eingerechnet - und Neymar junior begnügte sich mit einem kleinen Beitrag.

Ball in Neymars Hände gelegt

Dieses 7:0, ein Elfmeter, hatte Ehrentbietungen zur Folge - aber nicht etwa an den Schützen "Ney", sondern an Messi. Denn der Argentinier ist bei Barça als Elfmeterschütze seit Jahren gesetzt. Auch wenn er, was es diese Saison schon etliche Male passiert ist, zwischendurch einen verhaut: Messi tritt sie alle. In seinem ständigen und auch etwas ermüdenden Wettlauf mit Cristiano Ronaldo von Real Madrid um immer mehr Tore und immer mehr Weltfußballer-Titel, zählt nun mal jeder Erfolg. Auch jetzt misst man sich wieder auf spektakulärem Niveau, mit momentanem Vorteil für Ronaldo, der in der Liga-Schützenliste gegen Messi mit 42:40 Toren führt. Da wäre also ein 7:0-Elfmetertor ohne Aufwand durchaus hilfreich gewesen.

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Doch Messi legte den Ball in Neymars Hände, etwa so, wie ein Vater seinem eben volljährig gewordenen Sohn die Schlüssel seines teuren Sportwagens anvertraut. In den spanischen Medien wird die Szene nun stilisiert: zum ultimativen Nachweis dafür, dass Messi, der "Floh", ein lieber Junge ist. Als ästhetisches Gegenbeispiel muss eine Szene aus der Vorwoche herhalten, als sich Ronaldo nach einem Tor seines Real-Mitspielers Alvaro Arbeloa, der ihm beim Abschluss um zwei Schritte zuvorgekommen war, so sehr ärgerte, dass er die Contenance verlor, den Ball ein weiteres Mal ins Netz hämmerte und die Arme verwarf. Erstaunlich infantil, wie man hernach fand. Das Madrider Publikum bedachte den selbstgefälligen Star gar mit Pfiffen.

Vielleicht war Messis Geste in Córdoba ja auch als Seitenhieb gegen CR7 inszeniert, man weiß es nicht. Sie lieferte aber eine weitere, zentralere Botschaft: Das "märchenhafte Trio", wie man Barças teuren Sturm auch nennt, zuständig für nunmehr 108 Pflichtspiel-Tore in dieser Spielzeit, harmoniert auch menschlich herzerwärmend. Das finden wenigstens die Fans, die sich nicht sattsehen können an Messis wiedergefundener Freude am Spiel, an Suárez' verbissener Uneigennützigkeit, an Neymars zirzensischem Repertoire.

Doch nun muss auch noch einmal von der höllischen Vorsommerhitze Córdobas die Rede sein, und vom trockenen Rasen. Es waren Bedingungen, wie sie Barça gar nicht passen. Doch Enrique beorderte seine Parade-Elf aufs Feld. Keiner durfte pausieren, man peilt schließlich das Triple an und hat weiterhin nur zwei Punkte Puffer auf Real, das mit drei Ronaldo-Toren in Sevilla 3:2 gewann. Vor allem aber: Es wollte keiner pausieren, auch keiner aus dem Trio vorne, das seit Monaten alle Wettbewerbe durchspielt. Sie mochten sich nicht mal frühzeitig auswechseln lassen, für etwas mehr Erholung vor dem Spiel gegen die Bayern.

Rückkehr des Vorbilds

Es scheint, als gelangten alle fit in die Schlüsselphase der Saison, als hätten Enriques Rotationen im vergangenen Herbst und Winter allein dem Kräftehaushalt gedient - heißt es jetzt anerkennend. Nach Weihnachten hätte man den Trainer wegen ebendieses Dauerrotierens gerne geschasst, gefedert und geteert. Jetzt wurde Enrique nach dem Spiel gegen Córdoba gefragt, was denn diese "Goleada" bedeute vor den hohen Aufgaben in der Champions League? "Das ist positiv für die Moral, für unser Selbstvertrauen", sagte der Asturier, ein Mann von knöchernem Pragmatismus. Es war wohl noch so eine Lektion aus dem fußballerischen Basiswissen.

Und nun also kehrt Pep Guardiola zurück ins Camp Nou, Luis Enriques Freund und Trainervorbild. Das bietet die Möglichkeit, mit furiosem Sturm ein wenig an Peps Nachlass zu kratzen, an der goldenen Epoche - oder ihr ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Zunächst aber soll am Mittwochabend dem Heimkehrer gehuldigt werden, wie die Zeitung Mundo Deportivo berichtet. Der Verein bereitet offenbar ein Video mit den besten Momenten aus Guardiolas trophäenreicher Trainerzeit bei Barça vor, das kurz vor dem Spiel gegen die Bayern über die Großbildschirme im Stadion laufen soll. Als Tribut an Pep, als Respektsbekundung.

Mitgefühl gibt es ja keines im Fußball, nicht einmal für großes Verletzungspech des Gegners.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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