Australian Open:Nur fliegen kann Federer noch nicht

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Auch Superhelden wie Spider-Man können offenbar noch von Roger Federer lernen - wie hier beim Kid's Day vor dem Start der Australian Open. (Foto: Sydney Low/imago)
  • Roger Federer gehört zu den großen Favoriten auf den Titel in Melbourne.
  • Bei einem Kindertraining verrät der Schweizer, dass er gerne fliegen könnte.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Australian Open.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Dong! Der Schlag war nicht zu überhören. Sofort zuckten alle zusammen, Mitleid kam auf. Auch Roger Federer schaute besorgt in die Richtung, wo ein Journalist beim Verlassen des Raumes mit dem Kopf gegen einen Projektor geknallt war, der ungünstig hängt im Main Interview Room des Australian-Open-Headquarters im vierten Stock. "Are you okay?", rief der Schweizer. Als Entwarnung folgte, scherzte Federer sogleich: "Jetzt frag ich mal euch, wie geht ihr mit Verletzungen um?" Er lachte verschmitzt in sich hinein, ehe er sich im zweiten Teil der Pressekonferenz in seiner Heimatsprache erklärte. Lässig in sich ruhend, wie immer.

"Ich komme gerne als Titelverteidiger zurück", sagte Federer, "das gibt mir ein gutes Gefühl, es wieder schaffen zu können." So wie vor zwölf Monaten, als er nach sechs Monaten Verletzungspause bei den Australian Open zurückgekehrt war auf die Tour und sofort, zur eigenen größten Verblüffung, seinen 18. Grand-Slam-Titel errungen hatte; in Wimbledon gewann er danach auch noch. Es versteht sich von selbst, dass nun alle Welt erneut dem Schweizer alles zutraut, doch er gönnte sich einen süffisanten Blick auf dieses Thema. "Ich denke nicht, dass ein 36-Jähriger Favorit sein sollte", sagte er. Nur hat da auch Federer einmal Pech gehabt: Er ist es. Federer selbst nimmt das freilich in der ihm eigenen Art zur Kenntnis. "Ich sehe die Dinge in der späteren Phase meiner Karriere gelassener."

Angesichts seiner trophäen- und ruhmreichen Karriere mag diese Rolle nicht überraschen, zu viel Glanz und Respekt strahlt sein Name schon für sich genommen aus. Doch als er dann begann, erzählerisch eine kleine Zeitreise durch seine Laufbahn zu machen, wurde klar: Federer staunt kaum weniger als die Öffentlichkeit über 2017, dieses "besondere Jahr", wie er es nannte. Anfang 2016 hatte er sich im Bad unglücklich das Knie verletzt, ein Eingriff folgte und nach Wimbledon eine lange Auszeit.

Ohne Erwartungen sei er in Melbourne im Januar 2017 angetreten, was er schön fand nach all den Jahren voller Erwartungen. "Mal schauen, was passiert", das war seine Geisteshaltung gewesen, das furiose Ende ist bekannt, ein Fünfsatz-Sieg gegen Rafael Nadal im Finale machte aus dem Comeback-Turnier "das Turnier des Jahres überhaupt für mich, kein Zweifel". Nun, zwölf Monate später? Hat ein Rollentausch unter Alpha-Profis stattgefunden. Vieles ist anders. Und Federer, der am Dienstag auf den Slowenen Aljaž Bedene trifft, der einsame Favorit.

Rafael Nadal hatte wie Federer mit zwei Grand-Slam-Titeln eine ähnlich spektakuläre Saison erlebt, die ihn wieder auf Rang eins der Weltrangliste führte. Doch Ende 2017 plagte den Spanier das Knie, lange war sein Start fraglich. Novak Djokovic und Stan Wawrinka, der eine sechsmaliger Sieger in Melbourne, der andere 2014, haben seit Monaten kein Match bestritten. Der Serbe kehrt nach Ellbogenproblemen zurück, der Schweizer nach einem Knorpelschaden im Knie, der sogar eine Operation erfordert hatte. Sie machten nun jene Ungewissheit durch, erklärte Federer, die er vor einem Jahr erleben musste.

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Dass sich verhältnismäßig viele Profis verletzt hatten und manche wie Andy Murray (Hüft-Operation) gar fehlen, hält Federer einerseits für einen Zufall - andererseits auch für normal. Viele Betroffene seien älter als 30, da tauchten "Abnutzungserscheinungen" eben auf. Er selbst habe derzeit nichts zu beklagen. Beim Hopman Cup in Perth, dem Mixed-Team-Nationenwettbewerb, glänzte er mit vier Einzelsiegen und schilderte offen, dass er gerne hart trainiere, aber dann auch mal einen Tag komplett frei nehme. Er hänge dann ab, schaue Fernsehen und kümmere sich um die vier Kinder, Gattin Mirka, Freunde.

"Ich hatte viele großartige Zeiten"

Ob er gerade die beste Zeit seiner Karriere erlebe, in der sich alles so perfekt aneinanderreiht? In diese Falle tappte Federer nicht. "Ich hatte viele großartige Zeiten", sagte er. Etwa, als er als Teenager Ende der Neunzigerjahre mit seinem damaligen Trainer Peter Carter in einem Sechzigerjahre-Auto durch Melbourne fuhr. Er erinnerte sich an Fliegen, die dabei nervten. Oder als er erstmals zur Nummer eins aufstieg und alles dominierte. Jetzt habe er eine Familie, diese Phase sei wieder anders. Und wieder schön, klar.

Immerhin, dass Federer kein von einer überirdischen Macht gesteuertes Glückskind ist, sondern ein Erdenbürger, ließ er bei einer Antwort durchblicken. Am Kid's Day hatte er sich neben Spider-Man und Figuren der Reihe "Marvel Superheroes" amüsiert. Welche besondere Kraft er gerne hätte, wurde er dazu gefragt. Fliegen würde er gerne können, antwortete er. Dass er das schon kann, hätte man ihm eigentlich auch noch zugetraut.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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