Aus bei der Basketball-EM:Nowitzki weint zum Abschied

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Dirk Nowitzki verabschiedete sich nach Spielende vom Publikum - selbst spanische Fans applaudierten ihm. (Foto: dpa)
  • Dirk Nowitzki erlebt einen emotionalen Abschied nach dem Vorrunden-Aus gegen Spanien, selbst die gegnerischen Fans huldigen dem Deutschen mit Applaus.
  • Eine Rückkehr ins DBB-Team schließt er nicht ganz aus.
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Von Jonas Beckenkamp, Berlin

Es war ein ergreifender Moment, als sich das Parkett in der Berliner Basketballarena wie von selbst in eine Bühne verwandelte. Alle anderen Sportler, die soeben ein weiteres Drama dieser EM mitinszeniert hatten, waren schon in der Kabine verschwunden - da entließen die Fernsehleute Dirk Nowitzki von einem ersten, schnellen Interview am Spielfeldrand. Dem besten deutschen Basketballer der Geschichte rann der Schweiß von der Stirn, seine Arme glänzten wie nach einem Saunagang. Es waren die Sekunden, in denen Nowitzki realisierte: Das war's nach 153 Länderspielen vorerst mit der Karriere beim Deutschen Basketballbund (DBB).

Weil das auch die 13 050 Besucher in der Halle spürten, verdichtete sich das Geschehen zu einem großen Augenblick des Sports. Der 37-Jährige stand allein im Mittelkreis, auf den Rängen klatschten die Zuschauer, selbst spanische Fans applaudierten. Nowitzki applaudierte zurück, verbeugte sich, dann wischte er sich mit seinem Trikot Tränen von den Wangen. Aus. Vorbei.

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Dem Gefühlsspektakel war ein Basketballspiel vorausgegangen, das mal wieder ganz anders hätte ausgehen können. 76:77 (38:41) zeigten die Zahlen auf dem Videowürfel an. Damit war das deutsche EM-Aus besiegelt.

"Das ist schon sehr schmerzhaft"

"Ich habe in meinen 17 Jahren als Profi eine Menge erlebt, aber drei so knappe Niederlagen hintereinander - das ist schon sehr schmerzhaft", sagte Nowitzki, als er die Fassung wieder erlangt hatte. Wie schon in den Duellen mit Serbien und Italien zerbarsten auch gegen Spanien in allerletzter Sekunde die Hoffnungen auf einen Verbleib in diesem Turnier. Das fatale war, dass es diesmal wirklich vorüber ist. Keine nächste Chance, kein finaler Showdown in Aussicht. Ein verfehlter Freiwurf von Dennis Schröder (26 Punkte) brachte das deutsche Team um die Verlängerung, ein ausgebliebener Pfiff der Schiedsrichter komplettierte das Unglück. "Ich sah, dass der Ball zu meiner Seite abspringt und wollte zum Rebound", klagte Nowitzki, "aber der Mirotic hatte mich fest im Judogriff."

Kampfsporteinlagen wie jene des Spaniers sind im Basketball mitnichten erlaubt, aber im allgemeinen Trubel ging die Szene unter. Hängenbleiben wird hingegen der Kampf, den die Deutschen geboten haben. Auch wenn längst nicht alles klappte - der Sieg schien möglich. "Es ist total deprimierend, erneut so zu verlieren", sagte Center Tibor Pleiss, der in der Kabine auch bei einigen anderen Kollegen "Tränen kullern" sah. "Das hat uns alle schwer getroffen heute", sagte Bundestrainer Chris Fleming. Sein Gesicht sah dabei aus wie auf einer Beerdigung. Immerhin: Gegenseitige Vorwürfe wie bei den Taktik-Diskussionen im Anschluss an das Italien-Spiel blieben diesmal aus.

Schröder lieferte die stärkste Partie der ganzen Woche, Pleiss demonstrierte gegen NBA-Wüstling Pau Gasol sein Dunking-Repertoire und von der Bank sprang Maodo Lo mit 14 Punkten ein. Ausgerechnet Nowitzki fehlte zum Schluss die Energie, um das Spiel noch an sich zu reißen. Er quälte sich im letzten Viertel nur noch per Autopilot übers Feld, seine tiefen Augenringe ließen darauf schließen, dass er sich mit den letzten Tropfen im Tank herumschleppte.

"Insgesamt konnte ich hier in entscheidenden Momenten keine Akzente setzen", sagte der Würzburger, "darüber bin ich schon enttäuscht." Trotzdem, an Nowitzki allein lag es nicht in diesen Tagen. "Die Unerfahrenheit des Teams, die fehlende Athletik" führte Nowitzki an, dazu mangelnde Alternativen im Angriff und immer wieder Fehler, wenn es drauf ankam, waren seine Kritikpunkte.

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Auf der anderen Seite lassen sich aber mindestens so viele hoffnungsspendende Beobachtungen für die Zukunft treffen. Schröder wird sich als Spielmacher verbessern und irgendwann auch seine Freiwürfe treffen. Seinen enormen Willen, sowie seinen Raketenantritt hat Europa jetzt kennengelernt. In Paul Zipser steckt enormes Potenzial und Pleiss dürfte sich in der NBA bei den Utah Jazz noch mehr Selbstvertrauen ins Portfolio hieven. "Wir nehmen sehr viel Positives mit aus diesem Sommer", erklärte Coach Fleming nicht zu Unrecht, "es gibt eine neue Generation deutscher Basketballer, die von dieser EM profitieren wird."

Talente versprechen positive Zukunft

Akteuren wie Schröder (21 Jahre), Lo (22), Pleiss (25), Niels Giffey (24), Zipser (21) oder Johannes Voigtmann (22) stehen weitere große Turniere bevor, sie haben "einen unglaublichen Lernprozess durchlaufen. Jetzt müssen wir sie nur weiter entwickeln", so der Bundestrainer. Flemings Vertrag läuft noch bis 2016 - er selbst sagte, er freue sich mindestens auf ein weiteres Jahr mit dem Team. Und wenn es an diesem aufwühlenden Abend in Berlin noch eine gute Nachricht gab, dann diese: Vielleicht bewirbt sich der DBB als Ausrichter für eines der drei olympischen Qualifikationsturniere im kommenden Sommer.

Ende November soll feststehen, ob man die Chance auf eines der drei letzten verbleibenden Tickets für Rio 2016 noch ergreift. Dirk Nowitzki wird dann 38 sein. Er habe "eigentlich gedacht, dass es das mit der Nationalmannschaft war", ließ er im Kabinengang überrascht wissen, "deswegen war ich draußen so emotional. Aber wenn wir da mitspielen, können wir uns nächstes Jahr nochmal zusammensetzen." Der alte Mann und das Spiel. Sie mögen sich einfach zu sehr.

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