Athlet des Tages (4):Ein Tänzchen zum Sieg

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Die 400-Meter-Weltmeisterin Sanya Richards konnte mit ihrem Triumph endlich die hohen Erwartungen erfüllen. Ihre Verletzungsmisere hat sie mit neuer Lockerheit überwunden.

Joachim Mölter

Es ist nun wirklich nicht so, dass sie froh ist, so lange auf ihren ersten internationalen Titel gewartet haben zu müssen, versicherte die 400-Meter-Läuferin Sanya Richards: "Ich hätte gern schon bei Olympia gewonnen, aber manchmal muss man halt aus Niederlagen lernen, um ein besserer Athlet zu werden." Und den Erfolg dann besser genießen zu können.

Sanya Richards legte nach ihrem WM-Sieg über 400 Meter eine kleine Tanzeinlage aufs Parkett - den sogenannten "Dallas Boogie", wie sich später herausstellte. (Foto: Foto: AFP)

Die Amerikanerin hat das sichtlich getan, als sie am Dienstagabend Weltmeisterin geworden ist in der Weltjahresbestzeit von 49,00 Sekunden, die Erleichterung war ihr schon auf den letzten Metern anzusehen gewesen, sie drückte sich aus in einem kleinen Freudensprung über die Ziellinie und einem anschließenden Tänzchen, dem Dallas Boogie, wie sie erklärte: "Den hab' ich meinen Schwestern versprochen, wenn ich gewinne", sagte Richards. Sie hielt ihr Wort, endlich einmal.

Die Karriere von Sanya Richards, 24, geboren in Kingston, Jamaika, und seit sieben Jahren Staatsbürgerin der USA, ist ja bis zu diesem Dienstag eine Aneinanderreihung unerfüllter Versprechen gewesen. Schon als 19-Jährige weckte sie große Hoffnungen, als Olympia-Vierte 2004 in Athen. Seit vier Jahren dominiert sie die Stadionrunde, bei ihrem WM-Sieg ist sie zum 38. Mal in ihrer Karriere unter 50 Sekunden geblieben - so oft hat das keine andere Läuferin geschafft, nicht einmal die Weltrekordlerin Marita Koch (47,60 im Jahr 1985). Aber einen Einzeltitel hatte Sanya Richards nie gewonnen. Sie sei nervenschwach, könne die großen Rennen nicht gewinnen, hieß es geringschätzig.

Verhinderte Erfolge

Alles Quatsch, alles üble Nachrede, hatte sich ihr Trainer Clyde Hart vor dieser WM echauffiert und für jeden einzelnen Misserfolg eine Erklärung geliefert. Bei der WM 2005 in Helsinki habe sich Richards bloß der Olympiasiegerin Tonique Williams-Darling (Bahamas) beugen müssen, 2007 nur deshalb nicht über 400 Meter für die WM qualifiziert, weil sie an einer seltenen Gefäßerkrankung litt, Morbus Behcet, eine Kombination aus Augenentzündung, Hautveränderungen und Bläschenbildung, vor allem im Mund; und im Olympia-Finale 2008 in Peking habe sich auf der Zielgeraden ein Muskel zusammengezogen. "Als er wieder locker ließ", sagt Clyde Hart, "waren die anderen schon an ihr vorbei."

Allen voran die Britin Christine Ohuruogu, die Richards' Absenz schon bei der WM 2007 zum Sieg genutzt hatte und somit als Titelverteidigerin antrat. Ohuruogu wurde nach diversen Verletzungsproblemen Fünfte in 50,21 Sekunden und zollte ihrer Bezwingerin hernach Anerkennung: "Sie ist brillant gerannt. Sie wollte diesen Titel wohl einfach mehr als alle anderen." Wollte sie, bestätigte Sanya Richards: "Ich habe mich früher immer zu sehr unter Druck setzen lassen. Den wollte ich endlich abschütteln."

Für die WM hatte sie sich mit ihrer Familie (Mutter Sharone ist gleichzeitig ihre Managerin) ein Quartier abseits des Mannschaftshotels gesucht, um nicht ständig mit den hohen Erwartungen von anderen konfrontiert zu werden. Ihre eigenen bekam sie genug zu spüren. Der Morbus Behcet, der vor allem in Stress-Situationen auftritt, hatte sich ja wieder bemerkbar gemacht in den vergangenen Tagen. "Aber ich weiß jetzt, wie ich damit umgehen muss", sagte sie, "ich hatte das unter Kontrolle."

Konservative Renntaktik

So wie das ganze Rennen, für das der Trainer Clyde Hart ihr eine Taktik mit auf den Weg gegeben hatte; es ist ja nicht so, dass man über 400 Meter einfach so schnell rennt wie man kann. Also sollte sie, "ein wenig konservativ anlaufen und ein paar Reserven im Tank behalten, um sicher zu gehen, dass sie auf der Zielgeraden noch mithalten kann". Es sei alles nach Plan verlaufen, bestätigte die Läuferin: Sie sei die erste Hälfte des Rennens genauso schnell angegangen wie voriges Jahr das Olympia-Finale von Peking, "mit dem Unterschied, dass ich diesmal viel mehr Selbstvertrauen hatte". Das habe sie ihrem Trainer zu verdanken, dem 75 Jahre alten Hart, der einst Weltrekordler Michael Johnson (43,18 im Jahr 1999) flott gemacht hat und seit kurzem auch wieder Jeremy Wariner betreut, den Olympiasieger von 2004.

Die blaue Bahn im Berliner Olympiastadion habe auch ihren Teil beigetragen zum ersehnten Erfolg, berichtete Richards. Bei den Golden-League-Meetings der vergangenen Jahren, beim Istaf, sei es immer prima gelaufen für sie: "Ich habe die ganze Zeit an die positiven Erfahrungen gedacht, die ich hier gemacht habe. Und ich habe jeden einzelnen Schritt dieses Rennens genossen."

Nun kann sie offenbar nicht mehr genug kriegen von diesem Gefühl. "Das war hoffentlich erst der erste von vielen Titeln, die noch kommen", sagte sie, wobei sie einen Titel besonders im Blick hat: "Ich hoffe, dass ich bei den nächsten Olympischen Spielen ganz oben stehe", sagte die Bronze-Gewinnerin von Peking. Christine Ohuruogu, die aktuelle Olympiasiegerin und nun entthronte Weltmeisterin, wird das mit Interesse gehört haben: Die nächsten Spiele finden 2012 in London statt, nicht weit entfernt von dem Stadtviertel, in dem sie aufgewachsen ist.

© SZ vom 20.08.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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