Arnd Peiffer:"Warum musst du Spielchen machen?"

Pyeongchang 2018 Winter Olympics

Er war mit Vorsprung gestartet und musste doch anderen beim Jubeln zuschauen: Arnd Peiffer hinter Bronzemedaillengewinner Dominik Windisch.

(Foto: REUTERS)
  • Die deutsche Biathlon-Staffel scheitert nach einem pointenreichen Rennen und muss Italien die Bronzemedaille überlassen.
  • Schlussläufer Arnd Peiffer fällt nach insgesamt sechs Schießfehlern und einer Strafrunde vom ersten Platz zurück.
  • Weil Italiens Schlussmann Peiffer auf der Zielgeraden den Weg abschneidet, legt das deutsche Team Protest ein - erfolglos.
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Von Saskia Aleythe, Pyeongchang

In der Umkleidekabine trafen sich Dominik Windisch und Arnd Peiffer gleich wieder. Gerade hatten sie ihr Rennen in der Mixed-Staffel beendet, beide waren Schlussläufer ihrer Mannschaften, Windisch für Italien, Peiffer für Deutschland. Und weil sich auf den letzten Metern eine Szene abgespielt hatte, die die Entscheidung um Bronze beeinflusst hatte, war Peiffer aufgebracht, er habe Windisch angesprochen, erzählte der Deutsche später. "Dominik, du hast einen guten Job gemacht", habe er gesagt und gefragt: "Aber warum musst du Spielchen machen?"

Biathleten sind nicht unbedingt dafür bekannt, sich hitzige Worte in Umkleidekabinen zuzuwerfen, aber diese Szene am Ende der Mixed-Staffel war ja das Thema des Abends gewesen - und als sie schon längst umgezogen waren, mussten alle noch immer auf die Entscheidung warten, wer dieses Rennen hinter Frankreich und Norwegen auf Rang drei beendet hatte.

Windisch und Peiffer waren zusammen auf die Schlussgerade gebogen, dann wechselte der Italiener verbotenerweise die Spur, spurtete, rutschte vor Peiffer ins Ziel. "Er hat gesagt, es wäre seine Strategie gewesen", berichtete Peiffer vom Gespräch aus der Kabine. Er habe ihm entgegnet: "Das finde ich irgendwie eine Scheiß-Strategie."

Das sicher geglaubte Gold verliert Peiffer mit seinen Schießfehlern

Mark Kirchner schüttelte sofort den Kopf, als er am Schießstand auf der Leinwand die Szene beobachtete und kreuzte die Arme vor dem Körper, von der Seite kamen dann Kollegen der anderen Nationen und stimmten dem Männer-Bundestrainer zu, auch sie hatten eine Regelwidrigkeit des Italieners erkannt. Die Deutschen legten umgehend Protest ein, die Jury um den Biathlon-Weltverband IBU tagte, und als nach 30 Minuten nicht mehr getagt wurde, jubelten: die Italiener. Was Erik Lesser, der in Führung liegend an Peiffer übergeben hatte, mit den Worten kommentierte: "Da hätte man sich heute ein bisschen mehr Cojones gewünscht von der IBU."

Peiffer hätte durch die Aktion kein Tempo verloren, begründete die Jury, er hatte ja auch leicht hinter Windisch gelegen. "Aber ich musste ja trotzdem Schub rausnehmen, um auf die andere Seite zu kommen", meinte Peiffer. Und dann war ihm aber doch sehr bewusst, dass diese Medaille nicht durch Windischs Aktion verloren gegangen war. Ausgerechnet er, der am ersten Sonntag noch Olympiasieger im Sprint geworden war, erlebte das, was Laura Dahlmeier genauso konkret benannte: einen "Scheißtag".

Das Rennen war für die Deutschen optimal losgegangen, Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig hatte sich für Vanessa Hinz als Startläuferin entschieden. Die 25-Jährige war nach dem Massenstart noch in Tränen aufgelöst aus der Arena geflüchtet, vier Schießfehler hatten ihr den 25. Rang beschert. Doch im Sprint war ihr ein fünfter Platz geglückt, das Vertrauen der Trainer hatte sie sich damit erobert. Und nun blieb sie am Schießstand ohne Fehler, übergab mit einem minimalen Rückstand hinter Italien auf Laura Dahlmeier.

Im Zielbereich umarmt Peiffer Vanessa Hinz entschuldigend

Es war lange offen gewesen, ob die Doppelolympiasiegerin und Bronze-Gewinnerin diese Staffel bestreiten würde. Die vier Einzelrennen in sieben Tagen hatten sie geschlaucht. Doch Dahlmeier ging wieder erholt auf die Strecke, sie musste beim zweiten Schießen einen Nachlader bemühen, trotzdem übernahm sie die Führung und übergab mit 30 Sekunden Vorsprung auf Italien.

Erik Lesser, der am Sonntag im Massenstart nur knapp an Bronze vorbeigeschrammt war, erfüllte ebenfalls seinen Job: Auch mit einem Nachlader im Stehendschießen übergab er noch mit einem Vorsprung von 32,6 Sekunden auf Italien an Peiffer. Der 30-Jährige war erst am Nachmittag in die Staffel gerutscht für Simon Schempp, der Silber-Gewinner vom Massenstart hatte über Halsweh geklagt.

Peiffer spurtete los auf die Runde, der Vorsprung schmolz fast mit jedem Meter. Schon im Liegendschießen schoss er zwei Mal vorbei, beim Stehendschießen musste er schließlich sogar in die Strafrunde - und Frankreichs Martin Fourcade und Emil Hegle Svendsen aus Norwegen zogen vorbei. "Ich kann es mir nicht so richtig erklären. Ich bin wahnsinnig enttäuscht und es tut mir auch wahnsinnig leid für meine drei Mitstreiter", sagte Peiffer später. Mit Windisch ging er auf die Schlussrunde, und dass er den Zielsprint auch ohne Behinderung verloren hätte, merkte dann Dahlmeier an: "Wäre der Dominik einfach geradeaus ins Ziel gelaufen, wäre er wahrscheinlich sowieso schneller gewesen."

Noch im Zielbereich umarmte Peiffer Vanessa Hinz entschuldigend, sie ist das erste Mal bei Olympia dabei. "Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich würde ihm nie einen Vorwurf machen", sagte Hinz, "mal gewinnt man zusammen, mal verliert man zusammen." Und dann verabschiedeten sich die Deutschen in die Nacht, Erik Lesser mit den Worten: "Pizza gibt es trotzdem, aber heute mit Pommes."

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