Argentinien: Maradona:Ende des Diego-Experiments

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Nach einem Streit um die Ko-Trainer und den Zeugwart trennt sich der argentinische Verband von Nationaltrainer Diego Maradona. Damit endet auch dessen wirkungsvollste Therapie.

Thomas Hummel

Genau eine Stunde verging in der Calle Viamonte, bis die Herren des argentinischen Verbands zu einer einstimmigen Entscheidung kamen: Diego Maradona ist nicht mehr Trainer der Albiceleste, der Nationalmannschaft. "Das Komitee hat entschieden, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Zwischen den Forderungen der einen Seite und den Möglichkeiten unseres Verbandes gab es keine Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit", sagte ein Verbandssprecher namens Cherquis Bialo.

Mit verschränkten Armen in die Niederlage: Diego Maradona während des 0:4 gegen Deutschland in Kapstadt. (Foto: afp)

Damit ist ein Experiment nach nur 20 Monaten beendet. Diego Maradona als Trainer eines der renommiertesten Nationalteams der Welt - das hielten schon am 28. Oktober 2008, dem Tag seiner Einsetzung, viele für einen Aprilscherz. Maradona? War das nicht der geniale Fußballspieler, ein Fußballgott förmlich, der am Ende seiner aktiven Karriere und spätestens danach durch Drogeneskapaden als sozial schwer vermittelbar galt? Und der sollte die Argentinier zum Weltmeistertitel führen?

Es hat dann in Südafrika auch nicht geklappt. Maradonas WM-Mission endete nach dem historischen 0:4 gegen die famosen Deutschen in Tränen. "Das ist der härteste Moment in meinem Leben", knurrte er damals zwischen seinem grau-schwarzen Bart. Dann räsonierte er über eine ferne, schöne Zukunft: "Argentinien muss wieder zu voller Blüte gelangen ohne Wunder und Auseinandersetzungen. Es gibt so viele schöne Dinge im argentinischen Fußball."

Als schön musste Diego Maradona seine Rückkehr nach Buenos Aires empfunden haben. Trotz des Desasters im WM-Viertelfinale jubelten ihm die Menschen zu, in Umfragen sprach sich die Mehrheit der Fans für seinen Verbleib aus. Doch an den Schaltstellen der Macht war vermutlich längst seine Demission entschieden worden. Der allmächtige Verbandspräsident Julio Grondona sprach wochenlang kein Wort mehr mit Maradona, auch das politische Präsidentenpaar Cristina und Néstor Kirchner, das Maradona zuvor unterstützt hatte, wendete sich ab.

Sportlich gab es dafür durchaus Gründe, die Deutschen hatten Maradonas Mannschaft auch taktisch vorgeführt. Dass Argentinien mit zwei Stürmern plus Lionel Messi angriff und dafür den zentralen Mittelfeldspieler Juan Sebastián Verón opferte, brachte der DFB-Elf viel Platz im Mittelfeld und Möglichkeiten zum Konterspiel.

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Dabei hatte die WM erstaunlich gut begonnen für Argentinien. Nach den Siegen gegen Nigeria, Südkorea, Griechenland und Mexiko staunten selbst die hartnäckigsten Bedenkenträger. Im argentinischen Lager in Pretoria wunderten sich die Beobachter über einen Stimmungswechsel, plötzlich zog die Mannschaft im Training mit, es herrschte ausgelassene Atmosphäre. Doch schon in Südafrika wurde viel spekuliert über die Hintermänner im System Maradona, denn so ganz traute man dem 49-Jährigen immer noch nicht.

Da waren vor allem die Ko-Trainer Alejandro Mancuso und Hector Enrique. Mancuso war Anfang der neunziger Jahre Nationalspieler und ist sehr guter Freund Maradonas. Enrique hielt Maradona bei der WM 1986 im defensiven Mittelfeld den Rücken frei. Als weiterer Schattenmann galt Oscar Ruggeri. Dabei war der von Verbandschef Grondona verhindert worden, weil er mit seinem Klub San Lorenzo de Almagro wegen ausstehenden Gehalts einen Streit ausfocht. Das sah Grondona gar nicht gerne und legte sein Veto sein. Dennoch tauchte Ruggeri in Südafrika mit einer Journalistenakkreditierung am Trainingsplatz auf und soll für die Einstellung der Defensive zuständig gewesen sein.

Grondona schlug Maradona nun vor, er könne Nationaltrainer bleiben, seine Assistenten Mancuso und Enrique müssten aber gehen, wie auch andere im Betreuerstab. Vermutlich wusste der Patron, dass dieser Vorschlag bei Maradona eine Gegenreaktion auslösen würde. Denn der forderte daraufhin nicht nur, dass sein gesamtes Team bleiben müsse, er wollte auch Ruggeri offiziell hinzuziehen. Die Debatte gipfelte in einem Fernsehinterview am Montag, in dem Maradona posaunte: "Wenn sie mir den Zeugwart wegnehmen, dann bin ich weg."

Nun, über das Schicksal des Zeugwarts ist noch nichts bekannt, Maradona und sein Trainerteam jedenfalls sind weg. Allein Manager Carlos Bilardo darf bleiben, der sich mit Maradona zerstritt. Beim Freundschaftsspiel am 11. August gegen Irland übernimmt Sergio Batista, Trainer der U 20, die Albiceleste. Batista soll aber nur eine Übergangslösung sein, für die Copa America im kommenden Jahr zu Hause in Buenos Aires und die WM 2014 beim Nachbarn in Brasilien soll ein anderer zuständig sein.

Man muss sich aber wohl weniger Sorgen um die argentinische Nationalmannschaft machen als um Diego Maradona. Häufig deuteten Beobachter an, dass der Job als Nationaltrainer für den 49-Jährigen nach all den Exzessen die beste Therapie war. Endlich wieder auf dem Fußballplatz stehen, eine Aufgabe haben. Sein langjähriger Begleiter und Fitnesscoach Fernando Signorini, in Südafrika als Konditionstrainer dabei, sagte in einem SZ-Interview: "Er war immer Fußballer, und er wird es immer bleiben." Maradona selbst schweigt bislang.

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