Alfred Finnbogason:Effektiver als Lewandowski

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„Alfred ist eine Sensation“: Finnbogason (l.) ist Augsburgs bester Stürmer. (Foto: Stefan Puchner/dpa)
  • Alfred Finnbogason hat in der Bundesliga-Hinrunde elf Tore für den FC Augsburg erzielt - und war dabei sogar noch effektiver als Bayerns Robert Lewandowski.
  • Als Anspielstation, Ballhalter, Ideengeber und mit seiner Ruhe beim Abschluss ist der isländische Nationalspieler elementar für den FCA.
  • Der FC Augsburg, findet Finnbogason, sei "das Island der Bundesliga".

Von Maik Rosner, Augsburg

Die Sache mit den Wunschzetteln ist noch immer nicht ganz geklärt, aber zumindest weiß man jetzt, dass Alfred Finnbogason seine persönlichen Vorhaben nach oben korrigieren musste. Bisher hatte der Angreifer des FC Augsburg nur verraten, dass er und seine Mitspieler im Sommer ihre Saisonziele niedergeschrieben haben, die für die Mannschaft und die für jeden einzelnen. Doch den genauen Inhalt dieser kleinen und geheimen Wunschzettel-Aktion hüteten sie wie ihr Trainer Manuel Baum die Taktik und Aufstellung für das nächste Spiel.

Nach dem 3:0 gegen den 1. FC Köln im September hatte Finnbogason davon berichtet und von dem Ziel, "deutlich mehr" als den Klassenverbleib zu erreichen, was für den vermeintlichen Abstiegskandidaten sehr mutig wirkte. So gesehen ist es nur logisch, dass der 28 Jahre alte Isländer vor dem Gegenbesuch an diesem Samstag in Köln zumindest sein eigenes Ansinnen sogar noch aufstockt. "Die Ziele, die ich mir vor der Saison gesetzt habe, muss ich ein bisschen ändern, weil die Hinrunde für mich persönlich sehr gut gelaufen ist", sagt er, "aber ich will jetzt nicht stoppen, ich will viel mehr in der Saison."

Elf Tore hatte Finnbogason in der Hinrunde erzielt, in der Torschützenliste der Bundesliga liegt er damit auf Platz drei hinter Bayern Münchens Robert Lewandowski (17) und Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang (13). Allerdings benötigte Finnbogason in der Hinrunde im Schnitt nur 2,8 Torschüsse je Treffer, Lewandowski (3,9) und Aubameyang (3,6) deutlich mehr. Bis zum Jahresende 2017 lag er mit dieser Quote sogar gleichauf mit Neymar von Paris Saint-Germain. Allein an dieser Zwischenbilanz lässt sich Finnbogasons Stellenwert für den FCA ablesen, bei dem deutlich weniger Chancen erwirtschaftet werden als bei den Branchengrößen.

Wie elementar er für den Klub als Anspielstation, Ballhalter, Ideengeber und Persönlichkeit mit seiner Abschlussruhe ist, zeigt sich auch, wenn er fehlt oder seine Form finden muss. Wie in der Saison 2016/17, als er ein halbes Jahr lang wegen einer Schambeinentzündung pausieren musste und der FCA in akute Abstiegsgefahr geriet. Wie gegen den Hamburger SV zum Rückrundenauftakt, als er wegen einer Achillessehnenreizung zuschaute und sich die Kollegen zum 1:0 mühten. Oder wie beim 0:2 am Samstag bei Borussia Mönchengladbach, als Finnbogason zwar in der ersten Halbzeit mitwirkte, aber nach rund einem Monat reduziertem Training seine Kernkompetenzen noch nicht einbringen konnte.

Besonders deutlich wird sein Stellenwert, wenn Trainer Baum trotz Finnbogasons Fitnessrückstand nicht auf ihn verzichten mag. Ob der Stürmer in Köln in der Startelf stehen werde, obwohl er gegen Gladbach vor allem damit beschäftigt war, sich wieder zurecht zu finden? "Ja, Alfred beginnt!", sagte Baum am Donnerstag, als spreche er von einem Naturgesetz. So ähnlich klang das auch, als Baum nach Finnbogasons zweitem Dreierpack der Saison beim 3:3 gegen Freiburg zum Hinrundenabschluss befand: "Alfred ist eine Sensation." Vermutlich liegt diese Wertschätzung auch an seiner Erfahrung und an jenem positiven Geist, den Finnbogason in die Mannschaft einbringt. "Wenn wir unser Spiel spielen, dann finde ich immer, dass wir jeden schlagen können, egal ob Köln oder Dortmund", sagt er.

Aus einer Familie, die ihr Geld über Generationen hinweg mit einer Fischmehlfabrik in Grindavik im Südwesten Islands verdiente, zog er aus, um Anfang 2016 über die Stationen Helsingborgs IF (Schweden), SC Heerenveen (Niederlande), Real Sociedad San Sebastián (Spanien) und Olympiakos Piräus (Griechenland) beim FC Augsburg zu landen, der ihn schon 2013 verpflichten wollte, damals aber aus wirtschaftlicher Vernunft davon absehen musste. Bereits als Kind war Finnbogason viel in der Welt herumgekommen, einige Zeit lebte er in Schottland. Neben Isländisch spricht er sechs weitere Sprachen (Englisch, Niederländisch, Schwedisch, Spanisch, Deutsch und Italienisch), die er sich als Erwachsener oft über das Kinderfernsehen aneignete. Und er lässt in Augsburg mittlerweile auch jenen Geist einfließen, der sein Nationalteam ausmacht.

Nach der erstmaligen Teilnahme an einer EM im Jahre 2016 schaffte Island in einer Gruppe mit Kroatien, der Türkei und der Ukraine die direkte Qualifikation für die WM 2018 in Russland. Ebenfalls eine Premiere für das Land, das mit seinen 334 000 Einwohnern nicht viel mehr Menschen beherbergt als Augsburg (281 000). "Manche würden uns als dumm bezeichnen, weil wir glauben, wir könnten gegen jeden gewinnen. Aber das ist Teil unserer DNA", hat Finnbogason vor Kurzem gesagt.

Andererseits seien das große Selbstbewusstsein und der positive Geist doch auch logisch. Schließlich seien die Isländer "in vielerlei Hinsicht die Besten in der Welt", jedenfalls gemessen an der Einwohnerzahl. Und der FC Augsburg, findet Finnbogason, sei "das Island der Bundesliga. Wir sind immer der Underdog, haben schlechtere Einzelspieler als die meisten Gegner, kommen aber über unsere Geschlossenheit."

Seine Stärken hofft er nun in Köln besser einbringen zu können, er glaubt, dass seine Fitness nach seiner ersten kompletten Trainingswoche rasch zurückkehrt. Aus dem Hinspiel in Köln nimmt er mit, "dass es vielleicht ein gutes Zeichen ist, wenn ich nicht die optimale Vorbereitung habe". Beim Duell im September gelang ihm sein erster Dreierpack in der Bundesliga, obwohl er in der Woche zuvor krank gewesen war und nicht ganz fit ins Spiel ging. Und weil positives Denken nicht schaden kann, sagt Finnbogason noch: "Wenn ich da einen Dreierpack schieße, wäre das extra schön." Auch wenn er seine Saisonziele danach vielleicht schon wieder nach oben korrigieren müsste.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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