Abfahrt bei der Ski-WM:Ilka Stuhec weint mit ihrer Mutter

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Ergriffene Siegerin: die Slowenin Ilka Stuhec. (Foto: REUTERS)

Fünf Knie-Operationen, aus dem Kader geflogen: Erst Mutter Darja rettete die Karriere von Ilka Stuhec. Jetzt ist sie Weltmeisterin.

Von Matthias Schmid, St. Moritz

Lindsey Vonn war sich schon sehr früh sicher, dass Ilka Stuhec an diesem Tag nicht mehr zu schlagen sein wird. Die Amerikanerin legte sich auf die Slowenin als neue Weltmeisterin in der Abfahrt von St. Moritz fest, dabei waren erst zehn Rennläuferinnen durchs Ziel gefahren. Vonn gratulierte ihrer Konkurrentin herzlich, sie umarmte sie im Zielraum von Salastrains und freute sich ehrlich mit ihr.

Als das Rennen dann später vorüber war, durfte auch Vonn Glückwünsche entgegennehmen, die 32-Jährige hat sich mit ihrem dritten Platz nun zur ältesten Medaillengewinnerin bei einer Ski-WM aufgeschwungen. "Ich bin sehr glücklich, dass ich nun die älteste bin", bekannte sie: "Nach meinen ganzen Verletzungen fühlt sich Bronze heute wie Gold für mich an."

0,45 Sekunden fehlten Vonn auf Stuhec, fünf Hundertstelsekunden auf die Zweite, die Österreicherin Stephanie Venier. Vonn musste anerkennen, dass Stuhec nicht nur an diesem Tag die beste war, sie ist eine verdiente Weltmeisterin, weil sie in diesem Winter schon drei Abfahrtsrennen gewonnen hat. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", stammelte die Slowenin, "alles ist so emotional und ich werde erst später begreifen, was ich geschafft habe."

"Lebe deinen Traum und fahr' schnell Ski"

Stuhec fand die kürzeste und direkteste Linie auf der 2633 Meter langen Strecke mit dem hübschen Namen "Engiadina". Sie sprang höher und weiter als alle anderen und vermochte ihre Skier schneller als ihre Rivalinnen zu beschleunigen. Sie fuhr geschmeidig über die Wellen hinweg und carvte auch im technisch schwierigen Mittelteil wie auf Schienen durch die Kurven, der Schnee staubte nicht auf. Dabei war sie am Start noch ziemlich aufgeregt gewesen, nervöser als sonst. Nach ihrem elften Platz im Super-G "habe ich den Druck heute schon gespürt", wie sie bekannte: "Ich habe mir aber gesagt: Lebe deinen Traum und fahr' schnell Ski."

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Um besser verstehen zu können, was Ilka Stuhec mit dem WM-Titel vollbracht hat, muss man ihre Geschichte kennen. Es ist ein bewegende und schöne Geschichte. Sie ist erst in dieser Saison von einer Mitläuferin zu einer Siegfahrerin aufgestiegen, zu einer Rennläuferin, die den Weltcup geprägt hat. Mit 26 Jahren. Sie hatte selbst am wenigsten damit gerechnet, dass ihre Karriere noch ein Happy End erfahren könnte. Sie hat erst fünf Operationen am Knie über sich ergehen lassen müssen, um die strahlenden Seiten ihres Sports kennen lernen zu dürfen. Stuhec hatte sich in den vielen dunklen Tagen intensiv damit beschäftigt, alles hinzuschmeißen und den Skizirkus für immer zu verlassen. 2009 war sie aus der Verbandsförderung geflogen. Sie gründete ein Privatteam, wobei es die Bezeichnung "Familienteam" besser trifft, mit einer Mitarbeiterin: ihrer Mama Darja. "Sie rettete mich", hat Stuhec mal erzählt.

Viktoria Rebensburg hadert

Ihre Mutter, eine ehemalige Rennläuferin, war nicht nur ihre Trainerin, die auch noch ihre Skier präparierte, sondern gleichzeitig auch Masseurin, Fahrerin und Managerin. Doch richtig voran ging es nicht für Stuhec, ein vierter Platz war die beste Platzierung im Weltcup. Bis zu diesem Winter. Es war der Sommer, der alles verändern sollte. Sie wechselte nicht nur die Skimarke, sondern vergrößerte ihr Team um eine Athletik- und Mentaltrainerin und begann auch mit den slowenischen Männern zu trainieren. "Ich habe versucht, jeden Tag mit ihnen mitzuhalten, das hat mir wirklich Selbstvertrauen gegeben", sagt sie.

Als sie später im Zielraum auf ihre Mutter traf, redeten sie nicht miteinander, erzählte Stuhec. Sie schafften es nicht, "weil wir beide nur geweint haben". Während sie im Zielraum ihr Glück nicht fassen konnte, haderte Viktoria Rebensburg mit ihrer Fahrt. Als sie im Ziel abgeschwungen hatte, zog sie ihre Schulter nach oben und schüttelte mit ihrem Kopf. Immer wieder. 1,25 Sekunden lag sie hinter Stuhec zurück. Nur Rang elf. "Es waren schon ein paar Fehler drin", bekannte die beste deutsche Rennläuferin, "aber dass es jetzt ein so großer Rückstand ist, überrascht mich ein bisschen. Ein Erklärung habe ich dafür nicht." Nach ihrem vierten Platz im Super-G bleibt der Olympiasiegerin von 2010 nun bei der WM noch eine Möglichkeit, eine Einzelmedaille zu gewinnen - am Donnerstag im Riesenslalom. "Darauf freue ich mich", sagt Rebensburg, "weil ich mich da wieder sehr wohl fühle." Sie klang trotzig.

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