1860 München:Der Handlungsweisende

Lesezeit: 5 min

Im Machtkampf bei Zweitligist 1860 München zwischen dem Klub und dem arabischen Investor macht sich Geschäftsführer Schäfer intern weiter angreifbar: Betreibt er im Sinne des Investors den Rücktritt von Präsident Schneider?

Andreas Burkert, Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Noch am 11. Januar sah es so aus, als sei dem Fußball-Zweitligisten 1860 München ein Durchbruch in der kniffligen Liaison mit seinem arabischen Investor Hasan Ismaik und dessen Münchner Statthalter Hamada Iraki gelungen. Wieder mal war ein Finanzloch zu stopfen, diesmal in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Nach zähen Verhandlungen einigte man sich, und 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer teilte mit: "Da wir der erste Verein im deutschen Profi-Fußball mit einem ausländischen Investor sind, haben wir mit dieser Lösung Neuland betreten." Er sprach von konstruktiven Gesprächen aller: "Die positive Entwicklung des Klubs stand zu jeder Zeit an erster Stelle." Auch Dieter Schneider, der Präsident dieses Klubs, sprach von einem Sieger: "Das sind die Löwen."

Im Zentrum des Machtkampfes bei 1860: Geschäftsführer Robert Schäfer (rechts), hier im Gespräch mit Investor Hasan Ismaik und Hamada Iraki. (Foto: Sebastian Widmann/dapd)

Eine Woche später hört sich der Geschäftsführer Schäfer ganz anders an. Hat er das mit dem Dank für konstruktive Gespräche doch nur so dahingesagt? Es wirkt fast so. Es muss so wirken. Denn der 35-Jährige hat das Präsidium um Schneider, 64, nun brüskiert.

Öffentlich. Nicht das erste Mal.

Schäfer war diese Woche ins Trainingslager des Teams nach Belek/Türkei gereist. Als Schneider, den er dort traf, wieder abgereist war, stichelte der Geschäftsführer gegenüber Reportern - gegen Schneider und gegen das Präsidium. Er sprach dem Verein offenbar sogar ab, dass 1860 im Interessenkonflikt mit dem Investor für sich selbst eintreten darf. "Meiner Meinung nach hätten wir zum Investor von Anfang an ein Vertrauensverhältnis aufbauen müssen, und nicht sagen dürfen: Wir müssen ihm gegenüber unsere Rechte verteidigen", sagte er. Man trete dem Geldgeber "seit einem halben Jahr gegen das Schienbein". Zuletzt hatte Schäfer das Plädoyer von Präsident Schneider für eine Vertragsverlängerung mit Trainer Reiner Maurer kritisiert; der Weg interner Beschlüsse beginne "nicht in der Zeitung". Dies sagte Schäfer in der AZ. Einer Zeitung.

Was treibt den Manager, der manchmal smart wirkt, dann wieder ungeduldig, dass er von Beobachtern und Beteiligten häufig als Quertreiber wahrgenommen wird - weil vor allem er interne Debatten öffentlich macht? Und warum hat es den Anschein, er bekämpfe Schneider geradezu, den die AZ-Leser soeben zur Münchner "Sport-Persönlichkeit des Jahres 2011" wählten - vor Uli Hoeneß?

Wer sich im Verein umhört, dem drängt sich der Schluss auf: Schäfer könnte - im Sinne des Investors - den Rücktritt jenes Mannes betreiben, der sich als Einziger noch der mutmaßlichen Alleinherrschaft des Finanziers über den Klub entgegenstemmt - den Rücktritt von Präsident Dieter Schneider. Der hat schon zweimal, ermüdet von den Streitigkeiten, seinen Rücktritt erwogen.

"Rechtlich verpflichtet"

Ohne Schneider, das ist unstrittig, wäre 1860 längst aus dem Profifußball verschwunden. Auch seit dem Einstieg Ismaiks vertritt der Unternehmer aus dem Dachauer Umland die Interessen des Klubs. Das ist seine Aufgabe. Aber 1860 und die Investorenseite, das bleibt eine spannungsgeladene Zusammenarbeit. Um jeden Millimeter wird gerungen, es ist auch ein Kulturkampf: hier die Reste eines urbayerischen Arbeiterklubs, dort vermögende arabische Geschäftsleute.

Schäfer, dessen Vertrag bis November 2012 fixiert ist, verweist stets darauf, dass er "rechtlich verpflichtet" sei, in erster Linie "die KGaA vor Schaden zu schützen". Weil aber 1860 (mit 51 Prozent) und der Investor (mit 49 Prozent) die Eigentümer der KGaA sind, muss Schäfer die Interessen beider Parteien im Auge haben. Hat er das?

Schäfer, ein Jurist aus Braunschweig, positionierte sich bereits im Machtkampf des Vereins mit dem früheren Sportchef Miroslav Stevic auffällig gegen die Präsidiumslinie. Stevic' Vertrag wurde dennoch nicht verlängert; er hatte, so ein Vorwurf, berufliche und private Dinge vermengt. Schneider holte Schäfer im November 2010 vom 1860-Vermarkter IMG als kostengünstigen Ersatz für die vakante Geschäftsführerposition ins wacklige Boot. Heute reagiert Schäfer pikiert, wenn man ihn als "investornah" bezeichnet. Energisch wehrt er sich gegen den Eindruck, er sei der verlängerte Arm der Partei Ismaik/Iraki. Das werde "so in den Raum gestellt", sagte er in Belek. Zuvor nannte er den Vorwurf "feinste Demagogie". Dabei ist diese Sichtweise zu belegen.

So hat Schäfer eine E-Mail Irakis ans Münchner Finanzamt weitergeleitet - auf Bitte des Investorenberaters Iraki. In dieser E-Mail, die der SZ vorliegt, schwärzt Iraki den e.V. - der immer noch Hauptgesellschafter der Giesinger Fußballfirma (KGaA) ist - in der Frage der strittigen Problematik der Gemeinnützigkeit von 1860 an. Als Druckmittel in den Verhandlungen um Einfluss und Macht? Das Finanzamt ließ sich nicht beeindrucken. Es gewährte Zeitaufschub.

Ein weiteres Beispiel, warum Schäfer angreifbar ist: Im Juni 2011 erhielt nicht etwa eine Person aus dem Verein eine Generalvollmacht zu sämtlichen Geschäften Schäfers für den Fall, dass dieser nicht handlungsfähig wäre (z. B. bei Krankheit) - sondern der externe Finanzfachmann Axel Schiller aus München, der auf Honorarbasis für 1860 arbeitet. Er gilt als Vertrauensmann Irakis, er wurde von dem Unicredit-Banker vermittelt.

Drei Monate später forderte Aufsichtsratschef Otto Steiner nach SZ-Informationen Schäfer via E-Mail auf, "möglichst umgehend" die Auflösung der Generalvollmacht für Schiller zu erwirken. Die Auflösung erfolgte im Oktober. Juristisch gesehen hat sich Schäfer wohl nicht angreifbar gemacht. Aufgrund der Bedeutung aber, so heißt es im Klub, hätte eine Abstimmung erfolgen sollen. Und da der e. V. ohnehin ein Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer besitzt, wäre eine Absprache in dieser elementaren Angelegenheit angebracht gewesen.

In mindestens zwei weiteren Fällen soll Schäfer den Verein, den Mehrheitseigentümer, vor vollendete Tatsachen gestellt haben. Als beispielsweise die frühere 1860-Vermarktungsagentur IMG von der Investoren-Agentur H.I.-Squared um Ismaik und Iraki herausgekauft wurde, soll der Geschäftsführer den Abschluss vollzogen haben - ohne dem Vernehmen nach genug Angebote von weiteren Agenturen eingeholt zu haben. Deshalb hatte der Aufsichtsrat offenbar einen Zeitaufschub gewünscht. Und als es im Sommer 2011 darum ging, eine Schuld des TSV 1860 bei einem Bankhaus vom Bodensee zu begleichen, nahm er für den Verein einen Kredit über 600 000 Euro auf - bei der H.I.-Agentur. Auch diesen Kredit segnete Schäfer laut Vereinskreisen ohne klares Signal ab.

Aufsichtsrat Steiner reagierte mit einer schriftlichen Weisung, die der SZ vorliegt: Er forderte Schäfer wörtlich zur "Umwandlung des Kreditvertrages mit der H.I.-Vermarktungsgesellschaft über EURO 600 000 in eine Vorschussvereinbarung" auf.

Das Vertrauen in Schäfer hat die Spitze des Vereins offenbar längst verloren. In einem "Positionspapier" an Iraki aus dem November 2011, das Präsidium und Steiner absegneten, wurde Schäfers Ablösung gefordert. Dort heißt es: "Das Vertrauensverhältnis zur Geschäftsführung ist aufgrund mehrfacher Überschreitungen der (...) geregelten Zuständigkeiten (darunter Vermarktervertrag, Darlehen von H.I., Generalvollmacht) sowie mehrerer wiederholter Handlungen gegen die Weisungen (...) und durch mangelnde Zusammenarbeit jüngeren Datums derart zerrüttet, dass der e.V. in jedem Fall eine Ablösung des Geschäftsführers fordert." Ein wichtiger Aufsichtsrat kommentierte via Extra-Mail wie folgt: Er halte die Beschlüsse im Positionspapier "für sachlich und inhaltlich richtig".

Investorvertreter Iraki konnte die Forderung der Absetzung Schäfers leicht ins Leere laufen lassen. Denn nur der Beirat kann über den Geschäftsführer bestimmen, und in diesem sitzen sich Klub und Investor paritätisch gegenüber. Mit je zwei Personen. Das heißt: Der e.V. kann Schäfer nicht allein entlassen.

Unklar ist, weshalb der Verein seinen Geschäftsführer bislang noch nie abgemahnt hat. Schon als im Frühjahr 2011 - kurz vor dem Einstieg von Ismaik - plötzlich ein Liquiditätsloch in Höhe von rund fünf Millionen Euro im Wirtschaftsplan der Geschäftsführung auftauchte, wäre ein blauer Brief zu erwarten gewesen. Doch Schneider und Steiner nahmen Schäfer damals noch in Schutz. Derzeit möchte Klubpräsident Schneider zur Personalie Schäfer keinen Kommentar abgeben. Zur ausgebliebenen Abmahnung sagt er nur: "Wir wollten die Anfangsphase mit dem Investor nicht durch solche Dinge belasten."

Es gebe viel zu tun, hat Schäfer in Belek selbst erkannt. Das stimmt. Erst im Januar war die gewaltige Lücke von 2,3 Millionen Euro zu stopfen. Diese wäre wohl geringer ausgefallen, hätte der TSV 1860 mehr als nur rund 400 teure Jahreskarten für die Business-Seats verkauft - dem Vernehmen nach so wenige wie nie zuvor. Dabei war der Zweitligist nach Ismaiks Einstieg durchaus euphorisch in die Saison gestartet und ist jetzt immerhin Sechster.

Schneider schweigt zu alledem. Auch Ismaiks Vertreter Iraki lehnt einen Kommentar zu Schäfers Äußerungen von Belek ab. Nur Wolfgang Hauner, der Klubvize, sagt: "Für die Öffentlichkeit ist das nicht gut, und für 1860 auch nicht." Und Schäfer selbst? Er reagiert einsilbig auf einen Fragenkatalog. Er beantworte "generell Fragen zu internen Angelegenheiten nicht". Er sei "aufgrund meines Arbeitsverhältnisses zur Verschwiegenheit verpflichtet". Jedoch habe er "stets Weisungen vollumfänglich erfüllt", auch habe er "Handlungen eng mit den Beteiligten und Gremien abgestimmt".

Es ist nicht ganz klar, welche Beteiligten und Gremien Schäfer meint.

© SZ vom 21.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: