Vettel gegen Alonso in der Formel 1:Red Bull hadert, Ferrari trickst

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Sebastian Vettel ärgert sich zum wiederholten Male über den Inder Norain Karthikeyan. Fernando Alonso dagegen freut sich darüber, dass sein Team den Konstrukteurs-Titel in dieser Formel-1-Saison verschenkt und damit seine Chance wahrt, den WM-Führenden im letzten Rennen noch zu überholen.

Michael Neudecker

Gesucht - der Formel-1-Weltmeister 2012: Eine Erinnerung in Austin an die Wild-West-Zeit, als Verbrecher noch mit vergilbten Bildern gesucht wurden. (Foto: DPA)

Man kann wirklich nichts Negatives sagen über Norain Karthikeyan, ein freundlicher Inder, 35 Jahre, seit 2005 in der Formel 1, sieht ein bisschen aus wie ein Bollywood-Star. Und sonst? Sebastian Vettel hat einmal gesagt, Norain Karthikeyan sei eine "Gurke". Das war nicht nett, Vettel hat das nach dem Formel-1-Rennen in Malaysia gesagt, dem zweiten in dieser Saison, Vettel war wütend, weil er beim Überrunden mit Karthikeyan kollidierte und die Schuld beim Inder sah.

Wenn man wütend ist, sagt man manchmal Sachen, die man bereut, aber ob Vettel seine uncharmante Gurken-Formulierung bereut, muss bezweifelt werden, besonders jetzt, nach dem Rennen in Austin am Sonntag. Wenn Sebastian Vettel am Ende den WM-Titel nicht gewinnen sollte, könnte er sagen, dass Karthikeyan Schuld ist.

Das wäre natürlich arg zugespitzt, und so weit ist es außerdem noch nicht; wenn der Motorenzirkus am kommenden Sonntag in São Paulo für dieses Jahr zum letzten Mal auftritt, geht Vettel ja mit 13 Punkten mehr als sein Rivale Fernando Alonso an den Start. Aber es hätten auch 20 Punkte sein können: wenn Vettel in Austin gewonnen hätte. Er gewann aber nicht, sondern wurde Zweiter vor Alonso, weil ihn Lewis Hamilton mit seinem McLaren in der 42. von 56 Runden überholte.

Hamilton war das gesamte Rennen dicht an Vettel dran gewesen, und dass er auf der Gegengeraden vorbeiziehen konnte, lag daran, dass er für einen Moment so nahe an Vettel herankam, dass er die Überholhilfe DRS aktivieren durfte. Kurz vorher war Vettel im Überrundungsverkehr aufgehalten worden: von Karthikeyan.

Vettel beschwerte sich über Funk, und als er später gefragt wurde, ob Karthikeyan Hamilton zum Sieg verholfen habe, antwortete er: "Fakt ist, dass wir nicht gewonnen haben. Fakt ist auch, dass er einen großen Teil dazu beigetragen hat." Christian Horner, der Red-Bull-Teamchef, gab ihm recht: Leider, sagte Horner, "hat heute ein Überrundeter den Unterschied gemacht". Selbst Hamilton sah das so, der Verkehr, sagte er, habe ihm geholfen.

Die Sache kann beim Saisonfinale in São Paulo wichtig werden: Es gibt 25 Punkte für einen Sieg, 18 für den Zweiten, 15 für den Dritten. 20 Punkte in einem Rennen aufzuholen, das geht nur mit viel, viel Glück, aber 13 Punkte?

Formel 1 sei ein spannender Sport, so sei das eben, sagte Adrian Newey, der Chefdesigner von Red Bull, als er im Fahrerlager stand. Ein paar Meter weiter posierte Anthony Hamilton, der Vater von Lewis, mit dem Pokal seinen Sohnes für die Fotografen, dann drängelte sich das Team zum Gruppenbild zusammen, es wurde gejubelt und geschrien, Newey war kaum noch zu verstehen. Sorry, sagte Newey, er lächelte. Kurz vorher war ihm Bernie Ecclestone begegnet, Ecclestone hatte Newey angestupst und gesagt: "No excuses in Brazil", keine Ausreden in Brasilien.

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Sebastian Vettel ärgert sich mal wieder über Narain "die Gurke" Karthikeyan, Fernando Alonso glaubt trotz 13 Punkten Rückstand an seine Chance im Titelrennen. Michael Schumacher wird von Platz fünf auf 16 zurückgereicht - dafür soll er sein Auto geschenkt bekommen. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

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Das hatte nichts mit Karthikeyan zu tun, der Formel-1-Vermarkter meinte eher: Wird schon klappen in Brasilien. Wenn er wetten müsste, sagte Ecclestone, würde er ja auf Vettel setzen: "Sebastian verdient den Titel vielleicht ein bisschen mehr."

Sebastian Vettel ist weiterhin der Favorit auf den WM-Titel, sein Vorsprung hat sich in Austin ja um drei Punkte vergrößert. Dass es nicht mehr wurden und Alonso überhaupt noch eine Chance hat, Vettels dritten WM-Titel in Serie zu verhindern, lag dann aber doch nicht nur an Hamilton und Karthikeyan, sondern mehr noch an Alonso - und einer Entscheidung von Stefano Domenicali, dem Teamchef von Ferrari. Weil Alonso in der Startaufstellung nur auf Rang neun postiert gewesen wäre, hätte er nicht nur weit hinter Vettel starten müssen, sondern auch auf der linken Seite; die Teams glaubten, herausgefunden zu haben, dass auf der linken Seite der Start-Ziel-Geraden in Austin die Reifen schlechter hafteten als auf der rechten, das sei "offensichtlich" gewesen, sagte Domenicali.

Ein paar Plätze vor Alonso wäre Massa gestanden, also entschied sich Domenicali schon am späten Samstagabend zu einem Trick: Wer in der Formel 1 vor dem Rennen das Getriebe wechselt oder verändert, wird um fünf Plätze nach hinten versetzt, zur Strafe, kontrolliert wird das mit einem Prüfsiegel. Die Ferrari-Mechaniker brachen am Sonntag also das Siegel an Massas Wagen und provozierten damit die Strafversetzung - und Alonso rückte um einen Platz auf und damit auf die rechte Seite.

Es wurde viel diskutiert über Ferrari und den Trick in Austin, Domenicali gab ja alles offen zu, er wolle die Wahrheit sagen, zudem habe er mit dem Weltverband Fia vorher darüber gesprochen. Massa akzeptierte die Strafversetzung im Sinne des Teams und im Sinne Alonsos, und dann, als das Rennen vorbei war, lobten sie sich alle gegenseitig: Er sei so stolz, sagte Alonso; das sei sein vielleicht bestes Rennen gewesen, sagte Massa; er möchte seinen Fahrern von Herzen gratulieren, sagte Domenicali.

Ferrari verschenkte damit zwar den Konstrukteurs-Titel an Red Bull, ansonsten aber funktionierte die Siegel-Sache: Alonso überholte beim Start Kimi Räikkönen, Michael Schumacher und Nico Hülkenberg, und ohne dieses Startmanöver wäre er kaum Dritter geworden.

Alonso kann also immer noch Weltmeister werden, theoretisch jedenfalls. Vielleicht, sagte er, regnet es ja in São Paulo, ein Regenrennen sei "riskant, und wir haben nichts zu verlieren", aber er sehe das gelassen. Man darf ihm das glauben. Sebastian Vettel fliegt an diesem Dienstag nach São Paulo, um sich vorzubereiten auf das Finale, Fernando Alonso kommt später: Er hat am Dienstag noch einen Termin in New York, an der Wall Street, ein bisschen PR.

© SZ vom 20.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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