Auftakt der Bundesliga:Berliner Stimmungs-Wellenreiter

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Zufriedener Trainer: Jos Luhukay muss sich Erwartungen in der Hauptstadt dämpfen.  (Foto: Reuters)

Hertha BSC ist Tabellenführer, wer hätte das gedacht? In Berlin kennt die Euphorie schon jetzt keine Grenzen und wieder einmal offenbart sich ein altbekanntes Grundproblem des Klubs: der mühselige Kampf gegen eine übertriebene Erwartungshaltung in der Hauptstadt. Jetzt ist Trainer Luhukay gefragt.

Ein Kommentar Boris Herrmann

Jos Luhukay, der sonst so bescheidene, besonnene Luhukay, der Mahner und Berufsrealist aus Venlo in den Niederlanden, er wusste dann irgendwann auch nicht mehr, wohin mit seinem Realismus. Luhukay ließ sogar richtig die Sau raus - für seine Verhältnisse. Er sagte: "Ich bin heute ein sehr glücklicher Trainer." Und weiter: "Es war ein wunderschöner Tag für Berlin."

Der Tag, an dem nach wiederholtem Zweitliga-Exil in Berlin endlich wieder Erstligafußball geboten wurde, er fiel praktischerweise mit jenem Tag zusammen, an dem Hertha BSC 6:1 gegen Eintracht Frankfurt gewann. An dem der Aufsteiger den Europa-League-Teilnehmer zunächst überraschte, dann sezierte und schließlich demütigte.

Dieser Tag lässt sich ganz schön anhand der Lieder skizzieren, die ihn begleiteten: "Nur nach Hause geh'n wir nicht", sangen die Hertha-Fans wie üblich vor dem Anpfiff. 17 Minuten später wollten sie dann nicht nur nicht mehr nach Hause, sondern auch nicht mehr nach unten. "Nie meeeehr, zweite Ligaaaa", tönte es aus der Ostkurve. Da stand es 1:0. Nach knapp einer Stunde, gerade war das 3:1 gefallen, stimmte der Chor erstmals "Wir hol'n die Meisterschaft" an. Zwei Minuten später, nach dem 4:1, erklang als kleine Referenz an die Blitztabelle "Spitzenreiter! Spitzenreiter!", ehe dieses orgiastische Fußballfest mit dem Gassenhauer "Oh, wie ist das schööön" zu Ende ging.

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Pep Guardiola tigert bei seinem Bundesliga-Debüt aufgeregt an der Seitenlinie herum, Diego Benaglio wird gleich zweimal getunnelt und in Hoffenheim begeht ein Fußball eine gemeine Tat auf dem Rasen. Die Elf des 1. Bundesliga-Spieltags.

Die Hertha-Gemeinde hat sich schon lange nicht mehr so gern gehabt wie an diesem Samstag, dem 10. August 2013. Im Grunde fehlte nur noch eine gesangliche Teilnahmeerklärung für das Champions-League-Finale 2015. Es findet im Berliner Olympiastadion statt.

Es kann Segen und Fluch sein, wenn man sich so im Spitzenfußball zurückmeldet. Die Frankfurter waren im vergangenen Jahr als Aufsteiger ebenfalls mit 6:1 Toren in die Saison gestartet - allerdings brauchten sie dafür zwei Spiele. Auf der Euphoriewelle dieses Saisonstarts surften sie dann durchs ganze Jahr und wurden schließlich Sechster. Dem ersten Eindruck nach zu urteilen, ist es gar nicht mal ausgeschlossen, dass Berlin nun das neue Frankfurt wird.

Auf der anderen Seite ist das altbekannte Grundproblem von Hertha BSC aber gerade der mühselige Kampf gegen eine übertriebene Erwartungshaltung in der Hauptstadt. Diesbezüglich lässt sich sagen: Dieser Kampf ist nicht einfacher geworden. Schon am Sonntagmorgen war in großen Buchstaben an den Kiosken zu lesen: "Hertha kann auch Bayern".

Luhukays Aufgabe wird es nun sein, seinem Team und seiner Stadt zu vermitteln, dass Hertha immer noch Hertha ist. Seit Samstag weiß Fußballdeutschland immerhin: Es gibt Schlimmeres.

© SZ vom 12.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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