2. Liga:1860 am Tiefpunkt einer tiefpunktreichen Saison

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Fassungslos: Michael Liendl (links) und Marius Wolf bei der erneuten Niederlage (Foto: dpa)
  • Nach dem 1:3 gegen Heidenheim wird beim TSV 1860 München der Ausnahmezustand ausgerufen.
  • Die Spieler sollen abgeschirmt werden, Sportchef Kreuzer spricht von "Abstiegsgemetzel".
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Aus dem Stadion von Philipp Schneider

Oliver Kreuzer wippte von einem Bein auf das nächste, die Hände in den Hosentaschen verstaut, seine Augen waren gerötet. "Bitter, ganz bitter", sprach, nein stammelte der Sportchef des TSV 1860 München. Eigentlich taucht Kreuzer nie nach Heimspielen im Pressebereich auf. Aber dieses 1:3 gegen den 1. FC Heidenheim hatte nun seine eigenen Gesetze geschaffen. Kreuzer war da, weil die Spieler bis zum nächsten Ligaspiel gegen Freiburg schweigen sollen. Abgeschirmt sollen sie werden. Der freundliche Arbeiterklub aus Giesing ruft den Ausnahmezustand aus. "Wir haben eine Abwehr aus Jugendlichen, gute Jungs, aber ihnen fehlt die Reife", sagte Kreuzer. Sechzig belegt weiter nur Rang 17. "Zum Glück folgen uns wenigstens die anderen Mannschaften in diesem Abstiegsgemetzel", sagte Kreuzer, er meinte die Paderborner, die mit ihrem wilden Trainer Stefan Effenberg zeitgleich 0:4 in Bochum verloren. Allein, was half das den traurigen Löwen?

Dieses Spiel - das die Heidenheimer nach Toren von Ben Halloran (6.), Robert Leipertz (54.), Smail Morabit (83.) und einem zwischenzeitlichen 1:1 von Rubin Okotie (45.) entschieden - sollte Hoffnung bringen in diesen düsteren Adventstagen bei 1860. "Von unserer Seite war das Spiel nicht gut, wir haben viel zu fehlerhaft agiert", sagte Sechzigs Trainer Benno Möhlmann: "Wir haben verschiedene taktische Situationen nicht gut erkannt." Er war bedient und floh in seine wunderbare Welt der pointierten Fußballanalyse: "Es muss sich was ändern. Zu erkennen, dass es selbst gegen einen Gegner zu wenig ist, der mit uns auf Augenhöhe ist, das macht auch mir keinen Spaß."

Möhlmanns Hoffnung hatte sich vorher aus dem Umstand gespeist, dass ihm nicht länger nur jenes Lazarett zur Verfügung stand, in dem er zuvor Woche um Woche auf Visite gegangen war, um die wenigen Unversehrten zusammenzutrommeln. Rechtsverteidiger Gary Kagelmacher war wieder dabei und Flügelstürmer Marius Wolf wieder fit. Die Zwei durften von Beginn an spielen, wohingegen der nicht mehr gesperrte Linksverteidiger Richard Neudecker erstaunlicherweise erneut für Maximilian Wittek wich. Als Überraschung hatte sich Möhlmann überlegt, den Löwen Wolf nicht für Fejsal Mulic zu bringen, sondern für Daylon Claasen. Ein Fehler, den der Trainer nach 35 Minuten wieder korrigierte: Neudecker kam für Mulic ins Spiel.

Nach einem schönen Pass von Michael Liendl zielte Wolf wohl zunächst auf den Heidenheimer Fanblock, er traf ihn jedenfalls. Kurz darauf ging Okotie im Strafraum zu Boden, allerdings eher mit Vorsatz. Und dann ging alles rasant: Ein weiter Abstoß von Jan Zimmermann, Christopher Schindler war nicht entschlossen genug, Andreas Voglsamer legte ab auf Halloran, Schuss, Innenpfosten, drin. 0:1. An der Seitenlinie tobte Möhlmann. Ein paar Meter neben ihm zückte Heidenheims Trainer Frank Schmidt den Kuli. Möglicherweise notierte er etwas Wichtiges, vielleicht aber auch nur: Das ging zackig!

Sechzig spielte weiter nach vorne, lief permanent an, meist über Wolf und die linke Seite. Einmal hatte auch Daniel Adlung Platz in der Mitte, erstaunlich viel Platz, passte rüber auf den Flügel zu Wolf, der legte zurück, doch Adlung schoss von der Strafraumgrenze Zimmermann an (12.). Immer weiter nach hinten schob Schmidt die Heidenheimer Reihen, aber die Münchner wirkten verunsichert, spielten immer unpräziser. Ein Fehlpass von Mulic leitete unfreiwillig einen blitzschnell vorgetragenen Konter der Gäste ein, der ungewöhnlich lauffreudige Liendl musste am eigenen Sechzehner klären (20.).

Und Mulic war auch kurz darauf nicht schnell genug, als ihm über links der ehemalige Löwe Arne Feick enteilte, der auf Halloran zurücklegte - Sertan Yegenoglu blockte den Schuss (22.). Den Münchnern drohte die Partie jetzt schon zu entgleiten, immerhin köpfte Okotie sich langsam warm - aber drüber (25.). Was Sechzig blieb, das waren Einzelaktionen: Ein Solo von Adlung fand seinen Höhepunkt in der gegnerischen Abwehrreihe (35.). Heidenheim dagegen tat immer weniger für das Spiel nach vorne, aber wenn es was tat, dann wurde es gefährlich. Wie kurz vor der Pause, als Eicher einen Schuss von Halloran zur Seite lenkte, dann Timo Beermann den Nachschuss an den linken Pfosten setzte. Dieser vibrierte fast noch nach, als auf der Gegenseite ein Freistoß von Liendl in den Strafraum segelte, Okotie lief sich frei, sprang höher, setzte einen satten Kopfball, das 1:1 (45.).

Der Löwen Glück währte nur kurz. Nach Wiederanpfiff nahm Robert Leipertz einen Abstoß auf Höhe der Mittellinie entgegen, Wittek und Yegenoglu griffen nicht ein, auch Schindler nicht, Leipertz lief immer weiter, schoss, das 1:2 (54.). Schmidt griff wieder zum Kuli, notierte sich: ein Tor, das diese Partie entschieden hatte. Möhlmann dagegen nahm seinen unauffälligen Sechser Milos Degenek aus dem Spiel, brachte in Stefan Mugosa einen zweiten Stürmer (68.). Doch Sechzigs Gegenwehr erfolgte zu spät. Neudecker drang noch einmal in den Strafraum ein, fand dort keinen Mitspieler (79.), Liendl schoss Beermann an (81.). Stattdessen staubte der eingewechselte Morabit ab, nachdem Schnatterer einen Freistoß an die Latte gesetzt hatte.

Als Morabit grinsend über den Rasen sauste, verstummten die Fans in der Arena. In ihren Köpfen kreisten dunkle Gedanken an die dritte Liga.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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