1860-Geschäftsführer Markus Rejek:Dreisam unter Palmen

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Maskottchen Sechzger muss sich auf eine ungewisse Zukunft einstellen. (Foto: dpa)

Der neue 1860-Geschäftsführer Markus Rejek liegt auf eine Linie mit dem Präsidium und dem Investor - das zeigt sich im Trainingslager. Dort stichelt der 45-Jährige auch gegen den Lokalrivalen.

Von Philipp Schneider, Belek

Alles an ihm ist angenehm sanft. Die Stimme, sie plätschert dahin, ohne tonale Ausreißer nach oben oder unten, der Händedruck gleitet mehr als er presst, das Brillengestell ist modisch und fragil, dazu die Schuhe: aus flauschigem, wenngleich unbeflecktem Wildleder.

Aus der Tiefe der Hotellobby erscheint die junge türkische Kellnerin "Sabire", wie ihr Namensschild verrät, Markus Rejek lächelt ihr zu. "Some Sparkling Water, please", sagt er, ein Glas mit sprudelndem Wasser bitte, dann blickt er in die Runde: "Servus, ich bin der Neue. Oder die Nummer zwölf, wie einige von ihnen geschrieben haben. Ich finde die zwölf sympathisch. Sie steht im Fußball für etwas ganz Bestimmtes."

Wofür die zwölf seiner Ansicht nach steht, wird er nicht verraten. Das macht aber nichts. Rejek denkt da wohl an den "zwölften Mann", den Fan, jene Instanz im Fußball, die beim Treffen gleichwertiger Mannschaften den Unterschied ausmachen kann. Jene Anhänger also, die beim TSV 1860 München so zahlreich in die Arena strömen könnten, wenn sie denn nur alle wollten. Später sagt Rejek: "Mein Zuhause wird die Geschäftsstelle sein. Darüber hinaus suche ich eine Wohnung für ein paar Stunden Nachtschlaf." Als Mann aus dem Ruhrpott sei er es gewohnt "zu malochen". Neben ihm sitzt Gerhard Mayrhofer, Sechzigs Vereinspräsident. Er nickt.

In der Nacht auf Mittwoch sind Mayrhofer, Rejek und Noor Basha, der Münchner Vertreter von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik, in Belek eingetroffen. Hier, an der türkischen Riviera, hat der Fußball-Zweitligist für eine Woche sein Winterquartier bezogen. Am Dienstagmorgen noch hatte sich Rejek als neuer Geschäftsführer von 1860 beim (mal wieder leicht verspäteten) Neujahrsempfang der Deutschen Fußball-Liga in Frankfurt vorgestellt. Für Rejek, 45, war das eine ungewohnte Umgebung gewesen.

Geschäftsführer eines Fußballklubs ist er in seiner zweifelsfrei langen Karriere noch nicht gewesen. Bis vergangenen September aber war er Marketing-Leiter beim Erstligisten Borussia Dortmund. Die Umstellung sei kein Problem, sagt Rejek, im Gegenteil: "Ich sehe es als Herausforderung, dass ich nun Bereiche verantworte, die bislang nicht zu meinem originären Aufgabenfeld gehört haben." Der Job als neuer kaufmännischer Geschäftsführer sei "kein Hexenwerk", bei der Borussia sei schließlich alles "viel größer" gewesen. Freiwillig aus dem Amt geschieden war Rejek dort, das stellte er jetzt klar, weil "in Dortmund sehr fähige Köpfe zusammen sind", für ihn sei "das Ende der Fahnenstange erreicht" gewesen.

Zweifelsohne ist es eine gewaltige Aufgabe, die er bei Sechzig übernommen hat. Jedes Jahr erwirtschaftet der Klub mit seinen Spielen in einer verwaisten Arena ein Defizit; zuletzt war der Schuldenstand auf fast neun Millionen Euro angewachsen. Rejeks Amtsvorgänger, Robert Schäfer, war auch deshalb gescheitert, weil er sich in unnötigen Machtspielen aufgerieben hatte zwischen den Fronten der Gesellschafter, auf der einen Seite der e.V., auf der anderen der Jordanier Hasan Ismaik. Wenigstens diese Zeiten sind vorbei - seit es Gerhard Mayrhofer als erstem Präsidenten gelang, die ehemals polternde Fernbeziehung mit Ismaik in eine Partnerschaft zu wandeln.

Markus Rejek, der von einer unabhängigen Personalagentur als Kandidat ausfindig gemacht worden war, hat sich kurz vor Weihnachten bei Ismaik in Abu Dhabi vorgestellt. "Etwa zweieinhalb Stunden haben wir uns dort unterhalten, über die zukünftige Ausrichtung des Vereins. Hasan Ismaik war gut informiert, das waren sehr vertrauensvolle Gespräche."

Ob er denn schon konkrete Pläne für die kommenden Wochen habe? "Ich werde mit jedem Mitarbeiter reden, mich in jeden Bereich reinfuchsen. Von der Fußballschule bis zum Maskottchen. Ich bin da sehr penibel." Eines sei allerdings klar: Nach den vielen Jahren in der zweiten Liga habe 1860 einen "Lackschaden" erlitten, die Haltung im Vereinsumfeld sei "nicht stolz und aufrecht, sondern gebückt", sagt Rejek. Und so schön hat wohl noch niemand Sechzigs Grundproblematik je umrissen. Dabei habe der Klub, den Rejek wiederholt als "Arbeiterverein" bezeichnet, trotz allem "mehr Sex" als der FC Bayern.

Markus Rejek kommt aus Mülheim an der Ruhr, dem Heimatort des Jazzmusikers und Lebenssatirikers Helge Schneider. Rejek hat Schneider manchmal in dessen Lieblingsbar getroffen, "er kam rein, hat sich eine geschnorrt und dann ein Bierchen gezischt", sagt Rejek, und man hört raus, dass er das gar nicht mal so unsympathisch findet: eine schnorren, eines zischen. In Dortmund galt Rejek als Erfinder des Slogans "Echte Liebe", zudem, so war es zu lesen, soll er einst Jürgen Klopp (über den Rejek sagt, er passe zur Borussia "wie Arsch auf Eimer") dessen "Pöhler-Mütze" auf dem Kopf platziert haben.

Pöhler heißen in Dortmund die Straßenfußballer, weswegen die Mütze in Marketing-Kreisen als volkstümliche Marketingsensation gefeiert wird, welche die Marke Borussia stärkte. "Die Pöhlermütze ist nicht von mir", sagt Rejek, sie sei vielmehr das "Ergebnis eines Brainstormings". Und überhaupt, wo sei bitteschön der Mehrwert für Sechzig verborgen? "Ich habe Friedhelm Funkel nie mit Mütze gesehen."

Ob denn wenigstens Sechzigs Slogan "Münchens große Liebe" noch zu optimieren sei? "Ich finde, der passt eigentlich ganz gut", sagt Rejek, und irgendwann ist klar: Hier spricht ein Geschäftsführer, zuständig für Finanzen, der sich nicht länger auf seine Vergangenheit im Marketing reduzieren lassen wollte.

Fortan wird es in Sechzigs Geschäftsstelle eine klare Trennung zwischen sportlichem und finanziellem Bereich geben. Ob die Position von Sportdirektor Florian Hinterberger aufgewertet werden wird, wurde am Mittwoch allerdings nicht ganz klar. Präsident Mayrhofer teilte lediglich mit, man sei dabei, sich "in diesem Bereich neu aufzustellen". In der Vergangenheit habe man "gelernt, dass es relativ unglücklich ist, wenn jemand, der nicht tief im Sport ist, über den Sport entscheidet". Er dachte da eher an Schäfer als an Hinterberger.

Reinfuchsen werde er sich in jeden Bereich, das hat Markus Rejek angekündigt, alle Antworten konnte er bei seiner Vorstellung naturgemäß allerdings nicht geben. Gleichwohl, ohne sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, bleibt als Erkenntnis: Die Maskottchen Sechzger und Sechzgerl müssen sich auf eine ungewisse berufliche Zukunft einstellen.

© SZ vom 23.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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