2:2 gegen Wolfsburg:Wie der FC Bayern eine 2:0-Führung verspielt

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Verstimmt nach dem späten Ausgleich gegen Wolfsburg: Der FC Bayern um Thomas Müller. (Foto: REUTERS)
  • Der FC Bayern verspielt gegen Wolfsburg eine Zwei-Tore-Führung und kommt nur zu einem 2:2.
  • Vor dem Wolfsburger Anschlusstreffer patzt Torwart Sven Ulreich entscheidend.
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Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn, München

Dass die Geschichte sich an diesem Abend nicht ohne Weiteres wiederholen würde, dürfte Robert Lewandowski spätestens nach knapp neun Minuten gemerkt haben. Er dribbelte, auf Höhe der Mittellinie, an der Seitenlinie entlang, in Richtung des eigenen Tores. Was ja zusammengenommen die Höchststrafe ist, die sich die Geschichte für diesen Abend einfallen lassen konnte. Dass sie diesen Stürmer - dem eigenen Verständnis nach einer der besten Mittelstürmer aller vergangenen und aller kommenden Zeiten - auf einer ihm ungewohnten Stelle des Rasens in eine Richtung schickt, die in seiner auf Tore, Tore, Tore ausgerichteten Denkweise nicht vorkommt. Und dass alles auch noch nach ziemlich genau neun Minuten.

An diesem Freitagabend war es auf den Tag genau zwei Jahre her, dass sich Robert Lewandowski nicht nur in der Geschichtsschreibung der Fußball-Bundesliga verewigt hat. Der FC Bayern spielte damals daheim gegen den VfL Wolfsburg, die Gäste führten zur Pause 1:0, sie waren die bessere Elf. Nach der Pause kam Lewandowski, er wärmte sich etwas auf, und dann: Tor in der 51. Minute, Tor in der 52. Minute, Tor in der 55. Minute, Tor in der 57. Minute, Tor in der 60. Minute. Fünf Tore in acht Minuten und 59 Sekunden - Weltrekord.

Exakt zwei Jahre nach dem glorreichsten Abend seiner Karriere stand für Lewandowski wieder ein Heimspiel mit dem FC Bayern an, wieder war der Gegner der VfL Wolfsburg. Die Geschichte hatte es dem polnischen Mittelstürmer am 22. September des Jahres 2017 aber nicht so leicht gemacht wie an dem des Jahres 2015. Es wurde sogar ein Abend, den Lewandowski und der FC Bayern wohl lieber schnell vergessen wollen. Denn obwohl der Gastgeber lange die bessere Mannschaft war, reichte es am Ende nur zu einem 2:2 (2:0).

Es spielt die so ziemlich namhafteste Elf

"Hinten haben wir eigentlich nicht viel zugelassen, aber trotzdem zwei Tore bekommen. Damit müssen wir jetzt leben", resümierte der Münchner Verteidiger Mats Hummels leicht verärgert. Thomas Müller formulierte es so: "Wolfsburg hat den Punkt nicht gewonnen, sondern wir haben ihn mit Schleife übergeben." Hummels monierte noch, "taktisch nicht richtig aufgestellt" gewesen zu sein, eine Kritik, die Müller teilte: "Wir hatten Lücken, die wir eigentlich nicht haben wollten." Auf der Gegenseite schrieb Daniel Didavi, Torschütze zum 2:2, dem neuen VfL-Coach Martin Schmidt einen großen Anteil am überraschenden Punktgewinn zu: "Er hat nicht viel Zeit gehabt, aber er hat versucht, uns wieder Leben einzuhauchen, und er hat das auch geschafft." Für den FC Bayern war dieser Freitagabend die Generalprobe für nächsten Mittwoch, wenn der erste ernsthafte internationale Test der Saison ansteht, das Auswärtsspiel in der Champions League bei Paris Saint-Germain um Neymar, den teuersten Spieler der Welt. Dass der FC Bayern inzwischen eine ordentliche Herbstform hat, konnte er gegen Wolfsburg allerdings nur in der ersten Halbzeit nachweisen. Danach erweckten die Münchner den Eindruck, sich schonen, bloß nicht zu viele Kräfte verschwenden zu wollen. Gegen zunächst zäh verteidigende und dann forsch angreifende Gäste reichte es jedoch vor allem deshalb nicht zu einem Sieg, weil Sven Ulreich, der Torwart des FC Bayern, mit einem groben Fehlgriff das erste Tor der Gäste grob fahrlässig unterstützt hatte.

Carlo Ancelotti, der Trainer des FC Bayern, ließ den Generalprobencharakter der Partie zunächst auch in der Aufstellung anklingen, nach dem 3:0 auf Schalke veränderte er diese auf fünf Positionen; es spielte so ziemlich die namhafteste Elf, die ihm zurzeit zur Verfügung steht. Hummels und Boateng in der Innenverteidigung, Robben und Ribéry auf den Flügeln - das hatte es in den vergangenen Rotationswochen so nicht gegeben. Und als Mittelstürmer spielte Lewandowski, aber das war ja auch in den Rotationswochen so.

Es dauerte 105 Sekunden, bis Lewandowski das erste Mal den Ball berührte. Es dauerte 120 Sekunden, bis er das erste Mal vor dem Tor auftauchte, noch ohne den Ball zu berühren. Es dauerte etwas mehr als acht Minuten und 59 Sekunden, bis er an der Seitenlinie in Richtung des eigenen Tores dribbelte. In der 13. Minute versuchte er sich dann das erste Mal an einem Torschuss, sein Freistoß prallte an der Wolfsburger Mauer ab, in der sich die Spieler clever auf die Zehenspitzen gestellt hatten.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Ul reicht diesmal nicht

Neuer-Ersatz Sven Ulreich patzt entscheidend. Arjen Robben hat sich von der Grippe erholt. Mats Hummels klatscht ironisch. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

In der 19. Minute versuchte sich Lewandowski an seinem nächsten Torschuss, sein Freistoß flog über die Wolfsburger drüber, allerdings auch am Tor vorbei. In der 32. Minute rannte Lewandowski dann wieder einmal in den Wolfsburger Strafraum hinein, er lupfte den Ball elegant über sich hinweg, auch über seinen Gegenspieler Marcel Tisserand. Dieser zupfte ein bisschen an Lewandowskis Trikot, auch blieb der am Verteidiger hängen - Schiedsrichter Christian Dinger urteilte: Elfmeter.

Ein Urteil, das nicht jeder teilte, doch der Video-Assistent schaltete sich nicht ein.

Bis dahin hatte Wolfsburg gut verteidigt, von den ersten drei Minuten abgesehen, in denen Vidal (2.) sowie Boateng (3.) gute Gelegenheiten hatten. Ansonsten verdichteten die Gäste, sie liefen viel, sie machten es dem FC Bayern in Generalprobenlaune so schwer wie möglich.

Dann aber stand Lewandowski am Elfmeterpunkt, die Führung (33.). In den nächsten acht Minuten und 59 Sekunden traf Lewandowski exakt null Mal, aber weil Rafinha in der 43. Minute einen Schuss von Robben mit der Wade ins Wolfsburger Tor abfälschte, ging der FC Bayern mit einer bequemen Führung in die Halbzeitpause.

Der Abend wurde dann aber doch noch unangenehm. In der 56. Minute trat Wolfsburgs Maximilian Arnold einen Freistoß aus knapp 25 Metern Entfernung, der Ball flog direkt auf FCB-Torwart Ulreich zu, der ihn mit einer Hand abwehren wollte. Die falsche Entscheidung: Der Ball flutschte von der Hand ins Tor. "Sven ist selber sauer auf sich, aber der Fehler wird ihn nicht umwerfen", sagte Hummels später. In den folgenden Minuten bot der FC Bayern den Gästen Angriffsansätze, die gegen die flinken Pariser zu gefährlichen Attacken führen dürften. Und selbst gegen offensiv lange nicht so gut besetzte Wolfsburg blieben sie nicht ohne Folgen. In dieser Phase war der Gastgeber nicht mehr zwingend, er überließ den Gästen den Ball, lauerte nur noch. Zwei Minuten nach dem 2:1 lief Robben frei aufs Tor zu, er hätte zu Lewandowski passen können, er entschied sich, selbst zu schießen. Die falsche Entscheidung: Der Ball ging am Tor vorbei, Lewandowski drehte sich schimpfend ab. In der 78. Minute hatte Ribéry die Chance zur Entscheidung, er schoss übers Tor.

Die Lethargie, die sich ins Spiel des FC Bayern geschlichen hatte, wurde folgerichtig bestraft. Die 83. Minute, eine Flanke von Paul Verhaegh in den Münchner Strafraum, Boateng und Hummels ließen viel Raum zwischen sich, in diesen sprintete der eingewechselte Daniel Didavi. Kopfball, Pfosten, der Schock des Ausgleichs.

In der letzten Szene flog der Ball nach einer Ecke in Richtung von Lewandowski, doch da war längst klar, dass sich die Geschichte an diesem Abend nicht wiederholen würde. Fünf Tore in einem Spiel - es ist eine alte Geschichte von vor zwei Jahren.

© SZ vom 23.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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