1. FC Nürnberg: Albert Bunjaku:Der Spätentwickler

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Der Schweizer Stürmer Albert Bunjaku hat elf von 18 Nürnberger Toren geschossen und beeindruckt mit einem starken Willen - vielleicht nimmt ihn Ottmar Hitzfeld jetzt mit zur WM.

Christof Kneer

Wie jedermann weiß, handelt es sich bei Ottmar Hitzfeld, 61, um einen Profffi. Er hat dieses Wort mit mindestens drei "f" in die Welt gebracht, was unmöglich nur mit dem harten Anschlag des alemannischen Dialekts zu tun haben kann. Wer Hitzfeld kennt, weiß, dass sein Profffitum auch inhaltlich jedes "f" wert ist. Er weiß, wann er was sagt und wann es besser ist zu schweigen. Er hat lieber geschwiegen, als er am 11. August 2008 gefragt wurde, wie ihm das Bayern-Spiel im Fernsehen gefallen habe.

Nürnberger Lebensversicherung: "Club"-Stürmer Albert Bunjaku. (Foto: Foto: dpa)

Am Vorabend hatten sich die Münchner beim 4:3-Pokalsieg gegen den Drittligisten Erfurt ausgiebig lächerlich gemacht, und Hitzfeld, frisch geschieden vom FC Bayern, wäre es wohl ein inneres Pokalfinale gewesen, hätte er sagen können: Na, ihr Profffis, Fußball ist vielleicht keine Mathematik, aber mit mir war auch nicht alles schlecht...

Wohlwollende Kritiken

Als Erfinder des hochwertigen Controller-Fußballs wäre ihm sicher etwas zum Harakiri-Fußball seines Nachfolgers Klinsmann eingefallen, aber Hitzfeld blieb höflich. Er war gerade Schweizer Nationaltrainer geworden, und als solcher hatte sich dieser Abend für ihn ohnehin gelohnt. "Ich habe damals einen interessanten Erfurter Stürmer gesehen und ich wusste, dass er Schweizer ist."

Der interessante Stürmer, ein Doppeltorschütze namens Albert Bunjaku, war zu diesem Zeitpunkt das Gegenteils eines Profffis. Er war Ersatzstürmer beim ostdeutschen Drittligisten, zu dem es ihn verschlagen hatte, nachdem sie beim westdeutschen Zweitligisten Paderborn keine Verwendung mehr für ihn hatten. Und knapp 25 war er auch schon. Keine günstige Ausgangsposition für die große Karriere, aber der Mathematiker Hitzfeld weiß, dass der Fußball nicht immer den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung folgt. "Zwei Tore schießt man als Stürmer schnell mal, aber mir ist sofort aufgefallen, wie wendig, trickreich und schwer zu verteidigen dieser Bursche ist", sagt er, "ich habe ihn seitdem nie mehr aus den Augen gelassen." Über ein Jahr später, im November 2009, berief Hitzfeld den Stürmer in sein A-Aufgebot. Er wurde zur Pause eingewechselt und erhielt wohlwollende Kritiken.

Zehn Tore mehr als Klose

Am Samstag begegnet Albert Bunjaku, 26, dem FC Bayern wieder, im Trikot des 1. FC Nürnberg, er ist jetzt selbst ein Profffi. Er hat ein Tor mehr erzielt als Mario Gomez, der beste Stürmer des Gegners, und zehn mehr als Klose und Podolski, die damals, beim legendären 4:3, für Bayern stürmten. Die Schweizer Boulevardzeitung Blick hat, vermutlich im Sinne des Mathematikers Hitzfeld, ausgerechnet, dass Bunjaku in dieser Saison 61 Prozent aller Nürnberger Tore erzielt hat (elf von 18). Woraus die Zeitung, eher weniger in Hitzfelds Sinne, folgerte: "Bunjaku besser als Gerd Müller."

Albert Bunjaku ist das alles ein bisschen peinlich. Wenn man ihn nach seinen Perspektiven für die WM fragt, sagt er, "dass die Schweiz mit Frei, N'Kufo, Derdiyok und Streller viele gute Stürmer hat". Wenn man ihn etwas anderes fragen möchte, sagt er, dass er zurzeit am liebsten gar nichts sagen möchte. Der Erfolg ist ihm etwas unheimlich zurzeit.

Er weiß ja selbst noch nicht, was er von seiner Karriere halten soll. Ist er ein One-Hit-Wonder, das eine Saison die Charts prägt und dann auf dem Wühltisch mit den längst vergessenen Schlagern landet? Oder ist er ein Spätentwickler, der jetzt sein Niveau gefunden hat? "Ich glaube an die zweite Theorie", sagt Jürgen Seeberger, der zurzeit die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart trainiert. Er hat Bunjaku einst vom Amateurklub Young Fellows Zürich zum FC Schaffhausen geholt, er ist mit ihm von der zweiten in die erste Schweizer Liga aufgestiegen, und er hat einen Heidenrespekt vor dieser Karriere. "Aus Schweizer Sicht gibt es in Alberts Laufbahn ein herausragendes Element: Wenn Schweizer Profis es in Deutschland nicht schaffen, kommen sie schnell zurück und lassen es sich in Aarau oder Schaffhausen gut gehen", sagt Seeberger. "Ich kenne keinen einzigen Fall, wo ein Schweizer freiwillig von der zweiten deutschen Liga in die dritte abgestiegen ist. Aber Albert wollte das unbedingt, das ist seine Mentalität."

Im Aufgebot fürs Testspiel

"Ein guter Typ" sei dieser Bunjaku, sagt auch Ottmar Hitzfeld; als er am Freitag seinen Kader fürs Testspiel gegen Uruguay am 3. März herausgab, war der gute Typ dabei. "Er ist auf jeden Fall ein Kandidat für mein WM-Aufgebot", sagt Hitzfeld. Als echter Profffi hält er sich diesen Spieler warm, aber er glaubt auch wirklich an ihn. "Vielleicht war er mit seinen Klubs manchmal zur falschen Zeit am falschen Ort", sagt Hitzfeld, "aber es ist unübersehbar, dass er sich inzwischen stabil weiterentwickelt und verbessert."

Für Bunjaku ist es vielleicht wichtig zu wissen, dass er am Samstag so gut spielen kann, wie er möchte. Der ehemalige Bayern-Trainer wird ihm nichts übel nehmen. Bayern werde ohnehin gewinnen, sagt Hitzfeld, da dürfe "der Albert ruhig ein, zwei Tore schießen".

© SZ vom 20.02.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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