1. FC Kaiserslautern:Vorboten des Untergangs

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Und jetzt, der Abstieg? Kaiserslauterns Nils Seufert (links) und Patrick Ziegler droht eine ungewisse Zukunft. (Foto: dpa)
  • Beim 1. FC Kaiserslautern sind die Fans die sportliche Misere gewöhnt, aber diesmal ist die Lage wirklich dramatisch.
  • Der Klub ist mit nur sieben Punkten Tabellenletzter und muss den Abstieg fürchten.
  • Doch sogar die Lizenz für die dritte Liga wäre fraglich.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Wer das Fritz-Walter-Stadion von der Haupttribüne über die Westkurve in Richtung Bahnhof verlässt, sieht an einer Stelle auf Kaiserslautern, wie von einer Panoramaplattform in den Alpen über Täler und Landschaften. Der Betzenberg ist zwar nur 285 Meter hoch, aber er thront mit diesem Fußballstadion über der Stadt. Freitagnacht standen dort oben an den Geländern Fans des FCK, sie hatten ein übles 0:0 gegen den VfL Bochum erlebt, das die Lage für ihren Klub im Tabellenkeller der zweiten Liga verschlimmerte. Sie blickten hinab in die Buseinfahrt zu den Katakomben des Stadions.

Dort blockierten etwa 100 Anhänger die Ausfahrt, sie wollten die Verantwortlichen zur Rede stellen. Es war kalt und dunkel, die Polizei riegelte den Bereich ab, es blieb friedlich. Die FCK-Vorstände Michael Klatt und Thomas Gries, das Aufsichtsratsmitglied Mathias Abel und Sportdirektor Boris Notzon standen Rede und Antwort. Und mitten in der Menge sah man Gerry Ehrmann lebhaft diskutieren.

"Dann spielen wir halt demnächst gegen Pirmasens", ruft ein Fan

Ehrmann ist seit Ewigkeiten auf dem Betzenberg, er stand im Tor, als der Klub 1991 die bislang vorletzte seiner vier deutschen Meisterschaften feierte. Seit dem Ende seiner Spielerlaufbahn bildet Ehrmann Torhüter aus, die später woanders große Karrieren machten: Tim Wiese, Roman Weidenfeller, Kevin Trapp und einige andere gehören dazu. Ehrmann ist eine der letzten Identifikationsfiguren dieses großen Klubs, der schier unaufhaltsam immer näher Richtung Abstieg taumelt.

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Am Freitag hatte es gegen Bochum kurz vor dem Abpfiff eine Rudelbildung gegeben, in solchen Momenten ist es Folklore, dass das Lauterer Publikum "Ehrmann, Ehrmann" ruft, weil der Mann mit der Bodybuilderfigur (Spitzname Tarzan) Symbol für die ehemals legendäre Widerstandskraft des FCK ist. Am Freitag stand Ehrmann nun wieder einmal in erster Reihe, als es galt, die eigenen Fans zu beschwichtigen. Oben, an der Balustrade, riefen ein paar Menschen: "Außer Ehrmann könnt ihr alle gehen." Andere gingen nur achselzuckend weiter, gelangweilt von dem Schauspiel, das sie da unten sahen. Einer sagte: "Was soll das? Diese Mannschaft kann es halt nicht." Und wieder ein anderer erwiderte verzweifelt: "Ist so: Wir holen keine zehn Punkte bis zur Winterpause."

Nach dem trüben Nullnull am Freitag hat der FCK gerade einmal sieben Punkte nach 13 Spieltagen. Der Klub Fritz Walters ist Tabellenletzter in der zweiten Liga. Zuletzt sollte der Befreiungsschlag gegen direkte Konkurrenten gelingen, aber stattdessen folgte der sportliche Offenbarungseid mit Pleiten gegen Duisburg (0:1) und in Regensburg (1:3). Sportliche Miseren sind nichts Neues für die Fans des FCK, seit Jahren erleben sie einen Niedergang. Doch nun hat er an Tempo zugenommen und die Zukunft des finanziell klammen und mit Altlasten befrachteten Klubs ist tatsächlich ungewiss. Angesichts von rund zehn Millionen Euro an Miete und Betriebskosten pro Jahr für das zur WM-Arena 2006 aufgerüstete Stadion ist die Lizenz für die dritte Liga fraglich. Noch ist es nicht soweit, aber die Angst nimmt zu: "Dann spielen wir halt demnächst gegen Pirmasens", sagte einer am Freitag auf dem Nachhauseweg. Der einstige Rivale FKP spielt aktuell in der Oberliga Südwest.

Die Untergangszenarien werden mit jedem Spieltag detaillierter. Und die Mannschaft bietet keinen Anlass, Hoffnung zu verbreiten. Die allgemeine Stimmungslage in der Fußballpfalz ist derzeit eher apathisch als aggressiv. Doch die Blockade am Freitag könnte ein unheilvoller Vorbote sein. Schafft die Mannschaft es in den nächsten Wochen nicht, ein paar Punkte zu sammeln, könnte die Mitgliederversammlung am 3. Dezember zu einem Akt der Selbstzerfleischung werden. Der Niedergang des großen Klubs hat viele Facetten, aber man braucht nicht die vielen Dramen der Grabenkämpfe und der finanziellen Verfehlungen der letzten Jahre zu bemühen, um die sportliche Misere dieses Herbstes zu erklären. Im Sommer erlebte der FCK eine desaströse Transferperiode, in der der Sportdirektor Uwe Stöver (mittlerweile beim FC St. Pauli tätig) zurücktrat und nach einer bizarren Nachfolgersuche schließlich Wochen später der Chefscout Boris Notzon zum Sportchef befördert wurde. 17 Zugänge sind in dieser Zeit gekommen, herausgekommen ist ein veritabler Murks: eine Ansammlung von Spielern, die nicht zu einer Mannschaft zusammengewachsen sind.

Die Angriffshoffnungen Lukas Spalvis und Gervane Kastaneer gehören zu jener Fraktion, die offenbar noch nicht den Ernst der Lage erkannt haben. Vermeintliche Leistungsträger wie Daniel Halfar, Mads Albaek, Marcel Correia oder Kacper Przybylko fehlen verletzt. Trainer Jeff Strasser setzt deshalb in den letzten Wochen vermehrt auf Nachwuchshoffnungen wie Nils Seufert, Torben Müsel und Nicklas Shipnovski. Aber wie sollen sich Talente entwickeln, wenn ein gewaltiger Traditionsverein mit Wucht dem Untergang entgegen steuert? Es gibt gerade nichts, was Hoffnung macht.

Nachdem der Trainer Tayfun Korkut im vergangen Winter hinwarf, wurde nach dem katastrophalen Saisonstart vor ein paar Wochen Nachfolger Norbert Meier entlassen. Nun muss sich Jeff Strasser, ein ehemaliger FCK-Profi, mit diesem Scherbenhaufen sich herumplagen. Der Luxemburger versucht das nach den Rückschlägen über Kompaktheit in der Defensive. Das gelang einigermaßen gegen Bochum, aber ohne Mut und Risiko wird der Abstand nach oben nicht kleiner. Aber es fehlt eben an Klasse und Alternativen, der Schwede Sebastian Andersson ist der einzige Zugang, der die Erwartungen einigermaßen erfüllte. Er erzielte fünf der nur acht Lauterer Törchen. Die Zahlen belegen die desaströse Lage.

Im Prinzip müsste im Winter wieder ein Umbruch stattfinden. Die Verantwortlichen hoffen, dass der Abstand zu den rettenden Plätzen bis Weihnachten nicht zu groß wird, mit einigen neuen Spielern in der Winterpause soll der Kraftakt zum Klassenerhalt im neuen Jahr doch noch gelingen. Aber welcher gute Spieler tut sich so ein Himmelfahrtskommando an? Als sich am Freitag am Fuße des Betzenbergs die Menge nach der Debatte mit den Klub-Verantwortlichen auflöste, rief ein Fan: "Letzte Rettung: Ehrmann in den Sturm." Das stand bei einer früheren Krise schon mal auf einem Plakat in der Westkurve. Und besser ist die Hilflosigkeit in Kaiserslautern nie ausgedrückt worden.

© SZ vom 05.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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