Sprachlabor (292):Von wegen Junggeselle

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Weiße Wolken ziehen über das Bismarck-Denkmal in Hamburg. (Foto: dpa)

Otto von Bismarck wurde jüngst im Streiflicht als "alter Hagestolz" bezeichnet. Da muss etwas missverstanden worden sein. Denn Bismarck war 47 Jahre verheiratet.

Von Hermann Unterstöger

ALS OTTO VON BISMARCK und Johanna von Puttkamer sich verlobten, war das keineswegs allen recht. "Die vielen Cousinen", erzählte er später seinem Freund Robert von Keudell, "nahmen es sehr übel, dass sie vorher gar nichts von der Sache erfahren hatten . . ." Offenbar hat auch einer der Streiflichtschreiber von der Sache nichts erfahren. Wie sonst hätte er Bismarck als "alten Hagestolz" hinstellen können? Der Hagestolz ist das, was man heute Junggeselle nennt, ein Junggeselle allerdings, der in diesem Stand zu verharren gedenkt, ungeachtet dessen, was Marthe im "Faust" zu Mephisto sagt: Es habe noch keinem wohlgetan, "sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen". Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer waren 47 Jahre verheiratet und hatten drei Kinder. Vielleicht hatte unser Autor gedacht, der "alte Hagestolz" sei so etwas wie der "alte Schwerenöter" oder gar der "alte Schwede".

ZUM 0:8, das dem HSV in München beschieden war, fiel unserem Sportteil das Bild des "Deichdurchbruchs" ein. Für Leser W. war das insofern ganz stimmig, als Hamburg und die Deiche ja fast schicksalhaft zusammengehören. Angesichts des Desasters wäre ihm Deichbruch als Metapher freilich lieber gewesen, weil für ihn das Wort Durchbruch einen positiven Klang hat: Durchbruch durch die feindlichen Linien, Karrieredurchbruch. Dem könnte man, wäre man rechthaberisch, den Magen- oder Blinddarmdurchbruch entgegenhalten, doch was hülfe das dem HSV? Der sollte sich, je eher, je besser, nach einem Deichgrafen umsehen.

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

DASS DAS TAGEBUCH der Anne Frank zu den meistgelesenen Büchern zählt, ist unbestritten. Bei uns wurde das Faktum so formuliert: " Ihr Tagebuch zählt zu einem der am meisten gelesenen Bücher der Welt." Leser K. drängte sich da die Frage auf: zu welchem? "Die SZ", fuhr er fort, "zählt für mich trotzdem nach wie vor zu einer der besten Tageszeitungen Deutschlands." Zu welcher, Herr K., zu welcher?

© SZ vom 07./08.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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