Sprachlabor (244):Vage Antwort

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Die Teilnehmer beginnen den 38. Paris-Marathon (6. April 2014) am Place de la Concorde. (Foto: AFP)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger und ein Adjektiv.

"WAS SUCHT", fragt Leser Dr. M. mit unüberhörbarem Grimm, "die idiotische wie ärgerliche Formulierung DER Front national in der SZ und zahlreichen weiteren Medien?" Es ist nicht das erste Mal, dass Herr M. uns das fragt, und die Antwort wird wieder so vage ausfallen, wie sie nach Lage der Dinge ausfallen muss. In der Tat, was sucht die Formulierung bei uns und in den anderen Medien? Sie sucht das Wohlwollen jener Leser, die uns für idiotisch oder jedenfalls ungebildet halten, wenn wir die Front national schreiben. Das grammatische Genus ist bei front und anderen in beiden Sprachen heimischen Wörtern unterschiedlich, siehe das Paradebeispiel le Tour de France, das ja auch kein Mensch mit der Tour de France wiedergeben würde. In der Duden-Grammatik von 1959 heißt es zu der Frage, "ob man das fremde Geschlecht beibehalten oder das der betreffenden deutschen Übersetzung wählen soll", lapidar: "In diesen Fällen ist das letztere meist vorzuziehen." Als Beispiel wird der Place de la Concorde gegeben, eine Empfehlung, von der man heute Abstand nehmen würde.

BEI DEM WORT "FUSSLÄUFIG" muss Leser Z. "immer an paarungsbereite weibliche Hunde denken", worum wir ihn nicht beneiden. Das Adjektiv läufig wird heute nur noch auf Tiere in der Begattungszeit angewendet, früher hatte es Bedeutungen wie lauffähig oder bewandert, schlau . Ist fußläufig wirklich so grausig, wie Sprachfreunde hin und wieder sagen? In den Wörterbüchern wird das Wort als "fachsprachlich" ausgewiesen, und es hört sich plausibel an, wenn man es der Erfindungsgabe der Stadtplaner zuweist, die das Kriterium der Familienfreundlichkeit mit Fragen wie "Werden Freiräume fußläufig vernetzt?" einzugrenzen pflegen. Kurze Frage noch an Herrn Z.: Müssen Sie bei gegenläufig auch an die Hunde denken?

© SZ vom 05./06.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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