Sprachlabor (241):Üble Geschichtsklitterung

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Ein palästinensischer Demonstrant klettert auf eine Platte der israelischen Sperranlage in Naalin (Westjordanland). (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger zeigt viel Verständnis.

BITTERER als alle anderen Leserklagen sind die, in denen uns unterstellt wird, wir hielten es mit den Unterdrückern statt mit den Unterdrückten. Leserin V., und nicht nur sie, ist der Ansicht, dass die Israelis mit den Palästinensern ungerecht umgingen. Entsprechend groß war ihre Empörung, als sie bei uns las, die jüdischen Siedler benötigten viel Wasser zur Bewässerung des "von den Palästinensern geraubten Ackerlandes". Das sei üble Geschichtsklitterung, und sie denke daran, ihr Abonnement zu kündigen. Dazu ist zweierlei zu sagen. Erstens lässt unsere laufende Berichterstattung keinen Zweifel zu, dass wir die Dinge im Nahen Osten ähnlich wie Frau V. sehen. Zweitens war auch der fragliche Text kein Beleg dafür, dass wir die Palästinenser für Landräuber halten. Es hatte sich dabei um einen Leserbrief gehandelt, und zwar um einen unverkennbar israelkritischen. Wenn uns also ein Vorwurf zu machen ist, dann höchstens der, dass wir dem Schreiber dieses Briefes das umgangssprachliche und außerhalb des Zusammenhangs in der Tat höchst missverständliche von nicht herausgestrichen haben. Damit wäre allen geholfen gewesen, am meisten einer unnötig beunruhigten Leserin.

DAVID RANTA, der 23 Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen hatte, erlitt am Tag seiner Freilassung "einen Herzschlag". Dies berichtete die AFP, und so druckten es viele Blätter, darunter auch die SZ. Unser Leser M. freute sich mit einiger Süffisanz darüber, dass Rantas Herz noch schlug. Auch seine Kritik gilt einem umgangssprachlichen, deswegen jedoch nicht falschen Begriff: dem Herzschlag als Synonym für den Myokardinfarkt. Freuen wir uns, dass Ranta beides heil überstanden hat, sowohl die Haft als auch den Herzschlag.

IHRE VERGANGENHEIT fasste eine junge Frau so zusammen: "Ich war in sechs Jahren in 64 Einrichtungen, aus allen bin ich rausgeflogen." Das wurde bei uns mit dem Hinweis zitiert, die Frau packe ihr Leben in einen Haupt- und einen Nebensatz, einem Hinweis, der unsere Leserin B. zu der Frage bewog, ob wir die Kategorien Haupt- und Nebensätze beherrschten. Da gibt es nicht viel herumzureden. Es handelt sich ganz klar um zwei Hauptsätze, präziser gesagt um eine aus zwei gleichwertigen Gliedsätzen bestehende Satzreihe, die man, weil ihre Glieder durch keine Konjunktion verknüpft sind, als asyndetisch bezeichnet.

© SZ vom 15./16.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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