Sprachlabor (278):Selb und ständig

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Diepholzer Gänse picken auf einer Wiese Brot auf. (Foto: dpa)

"Selbstständig" oder "selbständig": Der Duden lässt beides zu. Bei uns in der SZ gilt freilich nur Letzteres, selbst wenn man manchmal in einem Artikel beides findet.

Von Hermann Unterstöger

WAS ES AUF TSCHECHISCH nicht alles gibt! Hier ein paar Google-Treffer: "Hostinec heißt auf Tschechisch Gaststätte", "Pisek heißt auf Tschechisch Sand", "Tabor heißt auf Tschechisch Lager", "Strach heißt auf Tschechisch Angst". Konstruktionen wie diese richten insofern keinen Schaden an, als sie vom Adressaten automatisch richtiggestellt werden: Gaststätte heißt hostinec und so fort. Dennoch sei der Korrektheit halber unsere Formulierung "Hus heißt auf Tschechisch Gans" durch die von Leser Sch. ersetzt: "Gans heißt auf Tschechisch Hus." Ganz genau, fürs Merkheft: ta husa, die Gans.

MAG GLEICH Leser K. in einem einzigen Text die Schreibweisen selbständig und selbstständig vorgefunden haben, so gilt bei uns doch allein selbständig als richtig. Der Duden lässt beide Varianten zu und bildet damit die uralte Unsicherheit ab, ob beim Zusammentreffen von zwei "st" eines ohne Schaden verschwinden darf. Pauls Wörterbuch erinnert an selbstendiglich (1482) und selbststendig (1522). Auch Grimms Wörterbuch betrachtet alle Möglichkeiten, wobei der Autor des Lemmas "Selbstständig" deutlich für diese Lesart Partei ergreift, unter anderem mit dem Argument, dass das zweite "st" auch in der gesprochenen Sprache nicht einfach verschwinde. Aus "st + st" erwachse vielmehr ein längerer Doppellaut, vergleichbar dem bei bist du, dessen Lautbild irgendwo zwischen bi-stu und bist-du liege. Die Schreibung selb-ständig sei daher weder etymologisch noch phonetisch berechtigt. Wir verwenden sie trotzdem.

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

UND NOCH MAL TROTZDEM: Leser H. ärgert sich über Vorspänne, die aus mehreren Sätzen bestehen, bei deren letztem Satz aber der Schlusspunkt fehlt. Das widerspricht in der Tat einer elementaren Interpunktionsregel, findet seine Begründung bzw. Rechtfertigung jedoch in den amtlichen Orthografieregeln, deren § 68 sagt: "Nach freistehenden Zeilen setzt man keinen Punkt." Dass das hin und wieder krause Ergebnisse zeitigt, sei nicht bestritten.

© SZ vom 29.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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