Sprachlabor (259):Mangelnde Sachkenntnis

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Franz Beckenbauer, Ehrenpräsident des FC Bayern München. (Foto: AFP)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger löst wieder einige Rätsel.

DIE WEIGERUNG Franz Beckenbauers, ein paar Fragen zu den Usancen der Fifa zu beantworten, hat nicht nur die Fußballwelt erschüttert, sondern auch bei uns im Blatt ein kurioses Verneinungsbeispiel erzeugt. Er sei, hieß es da, in den Bann getan worden, "weil er fristgerecht nichts zu den Ermittlungen" beigetragen habe. Unser Leser F. hat sich den Halbsatz quasi auf der Zunge zergehen lassen und uns folgenden Kommentar dazu gegeben: "Ich kann mangels Sachkenntnis nicht beurteilen, ob der Nicht-Beitrag durch Herrn Beckenbauer eine gute oder schlechte Sache ist, aber immerhin hat er dieses Nichtbeitragen fristgerecht durchgeführt. So gesehen ist eine Sperre doch eine etwas überzogene Maßnahme."

INFORMANTEN sollten auch dann Schutz genießen, wenn sie Unsinn erzählen. Kürzlich wurde ein Privatier mit der Aussage zitiert, an Pfingsten sei "eine der drei Faltigkeiten, und zwar der Heilige Geist, in den Himmel hochgestiegen". Das hätte korrigiert oder gestrichen werden müssen. So aber sind wir auf der Ebene gelandet, die Leser K. mit folgender durchaus ebenbürtiger Lesefrucht illustriert: "Es singen Theo Adam, Hans Sotin, Alter Nierend."

ERST KÜRZLICH hatten wir den lateinischen Plural carmina , der fälschlich für einen Singular gehalten worden war. Nun war bei uns zu lesen, dass "ein paar Homo sapiens" Sex mit Denisova-Menschen hatten. Leser E.-M. sagt dazu "Aua!", und in der Tat ist das um einiges vertrackter als der carmina-Fall. Homo sapiens ist ein Gattungsname und kann nicht einfach in den Plural gesetzt werden. Würde man homines sapientes Sex mit Denisova-Menschen machen lassen, hieße das, dass es im Wortsinn weise Menschen waren, die das taten. In diesem Fall wäre weiterführend zu fragen, ob sie ein carmina dazu sangen.

REICH-RANICKI hielt die meisten Fremdwörter für überflüssig. So weit will unser Leser H. nicht gehen, aber die Apotheose gefällt ihm aus zwei Gründen nicht: erstens generell und zweitens, weil viele das Wort nicht verstünden, da sie nicht auf dem altsprachlichen Gymnasium waren. Dazu wäre zu sagen, dass selbst gute Altsprachler oft nicht wissen, ob unter die Götter versetzen auf Griechisch apotheoũn oder apotheóein heißt. Hat das je einen Kreuzworträtsler gehindert, die Apotheose kompetent in die dafür vorgesehenen neun Kästchen zu setzen?

© SZ vom 19./20.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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