Sprachlabor (204):Der Dreiklang ist deplaziert

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Eine junge Frau in Tracht steckt Blumen in ihr Dekollete. (Foto: ddp)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger äußert sich zu einem Jubiläumsbericht und beendet eine Not.

"JA, WELCHES MEDIUM halte ich da in Händen?", schreibt unsere Leserin K. Was sie irritiert, ist ein Arrangement von drei Fotos, das dem Artikel über Prinz Charles' jüngst absolvierte Deutschlandvisite zugeordnet war. Die Bildlegende dazu lautete folgendermaßen: "Beim Besuch in Langenburg wurden dem Thronfolger Landesspezialitäten präsentiert: Schinken, Dirndldekolletés, Schweine." Frau K. empfand den Dreiklang als deplatziert, was die Kollegin, die den Text verfasst hatte, schmerzte und ihrerseits zu dieser Erklärung veranlasste: Der Einsatz hübscher und attraktiv angezogener Frauen bei solchen Anlässen sei "sexistisch und gestrig" und inszeniert, worauf sie mit ihrer "gewissermaßen" satirischen Gleichsetzung von Schinken, Dekolletés und Schweinen habe aufmerksam machen wollen. À la bonne heure, möchte man da sagen, und zwar ebenfalls gewissermaßen satirisch. Ersichtlich trugen nämlich die drei Damen, denen Charles die Hand reicht, eine mehr als dezente Tracht, und sexistisch inszeniert scheinen sie sich auch nicht zu gefühlt zu haben.

GAB ES DEN FILM "In der Lederhose wird gejodelt" wirklich, und wenn ja, wovon handelte er? Egal. In den Jeans, die dieser Tage 140 wurden, trug es sich laut unserem Jubiläumsbericht zu, dass den Cowboys anfänglich "die Niete im Schritt" nicht passte - "angeblich wurde sie heiß, wenn man am Lagerfeuer saß." Obwohl Levi's reagierte und "die Niete" verschwinden ließ, ist für unseren Leser S. die Sache damit nicht erledigt. Seiner Ansicht nach ist das, was die Cowboys inkommodierte, keine Niete, sondern ein Niet, und ein kurzer Seitenblick auf Hohlniet, Zugdornblindniet und Spreizblindniet gibt ihm Recht - in technischer Hinsicht jedenfalls. Da die Wörterbücher bis hinab zum Grimm Niet und Niete aber nebeneinander gelten lassen, wollen wir die Jeans-Feier auch nicht weiter stören.

"MACH END, O HERR", fleht Leser E., und die Not, die das Sprachlabor beenden soll, liegt für ihn in der Phrase ". . . sieht anders aus". Nun gedeihen Floskeln wie diese ja nicht grundlos so gut. Sie ersparen die Erklärung dessen, was da gerade wieder danebengeht, und lassen die Vermutung zu, dass der Floskelverwender schon wüsste, wie die Sache zu deichseln wäre - ließe man ihn nur machen. Zudem bringen sie einen Text rhetorisch geschickt zu Ende, weswegen sich gerade Parlamentarier am Schluss ihres Debattenbeitrags gerne zur Regierungsbank drehen und TV-wirksam ausrufen: "Politik sieht anders aus!" Das Sprachlabor würde die Phrase schon eindämmen wollen, nur wie? Macht sieht anders aus.

© SZ vom 22./23.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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