Fernsehlandschaft Deutschland:Feigheit und Gier

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Der Skandal um gefälschte TV-Drehbücher zeigt: Bedienmentalität, Eigennutz und mangelnde Qualität regieren in den Fernsehsendern. SZ-Leser diskutieren.

Zum Skandal um gefälschte TV-Drehbücher schreiben Leser:

Der Skandal um gefälschte Drehbücher war Anlass für viele SZ-Leser, sich kritisch mit dem Thema Fernsehen auseinander zu setzen. (Foto: Foto: AP)

"Fernsehen ist Nebensache, und es gibt wahrlich drängendere Themen. Dennoch ist es richtig, diese Spielart von nepotistischem System und systemimmanenter Korruption breit (und tief) darzustellen. Besonders freue ich mich über die im oben genannten Bericht so sinnfällig aufgezeigte Kausalität zwischen Bedienmentalität, brutalem Eigennutz und bodenloser Qualität! Darunter leiden eine Vielzahl von Kreativen lebenslang, und doch ist es vornehmlich unserer Feigheit und auch Gier zu danken, dass sich ein solches System etablieren konnte. Denn die, die "drin" sind, leben ja gut vom System, solange es läuft.

Ich bin seit 18 Jahren Schauspieler, unter anderem seit Jahren im Tatort des saarländischen Rundfunks (ja, der mit dem Telefilm-Skandal). Mit Auswüchsen à la Heinze war ich nicht persönlich konfrontiert, aber sauber war das Umfeld sicher nicht. Ein offenes Wort zur Qualität der Drehbücher und der fertigen Filme war bis zum neuesten Redaktionswechsel auch dort gar nicht gerne gehört. Die Geschichte von Uwe Steimle geht mir da recht nahe.

Man mag über seine offensive Ossi-Haltung geteilter Meinung sein, aber er ist unbestreitbar ein wunderbarer Schauspieler, sichtlich klug und sensibel für Szenen und Texte. Dass er dem Sender nicht passte, konnte man an der dramaturgischen Vernachlässigung seiner Figur seit Hübchens Abgang gut ablesen. So denkt und handelt dieses System: Der Autor/Regisseur/Schauspieler, der kritisch und manisch zur Sache geht und mit Fragen und Unzufriedenheit stört, wird aufs Trockene gelegt oder als "Frustrierter" abgetan, der ja nur die eigene Position verbessern will."

Gregor Weber Gauting

Mehr Rechte für freischaffende Künstler

"Man sollte vielleicht darüber nachdenken, Produktion und Sendung strickt zu trennen, also einen freien, offenen Markt zu schaffen, auf dem die Produktionen angeboten werden. In den Rundfunkanstalten sollte man Hierarchien abbauen, damit immer eindeutig klar ist, wer die Verantwortung wofür trägt. Natürlich sollte berufliches Versagen auch zu Entlassungen führen.

Es geht nicht, dass nur die freiberuflichen künstlerischen Mitarbeiter und die anderen Filmschaffenden das Risiko der Arbeitslosigkeit tragen. Ein Hauptfehler ist es, dass die Rundfunkanstalten es geschafft haben, den freischaffenden Künstlern den Eindruck zu vermitteln, sie, die Künstler, seien von den Angestellten der Sender abhängig. Richtig ist es umgekehrt! Was machen sie denn, die Verwalter und Buchhalter und Techniker der Sender, wenn sie keine künstlerisch und fachlich qualifizierten Sendungen bekommen?

Wichtig wäre es auch, dass freischaffende Künstler an der Verwertung ihrer Produktionen angemessen beteiligt werden. Auch die Szenenbildner, Kameramänner und Filmcutter. Hier haben die öffentlich-rechtlichen Sender die besondere Verantwortung. Sie sind aufgerufen, die Urheberrechte der Freien zu schützen! Die ungeklärte Frage der Erlösbeteiligung im Rahmen der Tarifregelungen gibt hierzu alle Möglichkeiten. Ich hoffe, dass dieser Skandal auch dazu führt, dass sich die Aufsichtsbehörden, die Rundfunkräte auch um diese Fragen kümmern.

Ihnen, den Journalisten, wünsche ich einen langen Atem. Schauen Sie genau hin. Es geht am Rande auch um die Sauberkeit unseres für die Demokratie wichtigen Informationssystems. Sprechen Sie auch mit weniger bekannten Filmschaffenden, sie werden noch viele Geschichten unter dem Teppich öffentlich-"rechtlichen" Fernsehens entdecken.

Voraussetzung für derartigen Unterschleif ist Abhängigkeit. Werfen Sie ruhig einen Blick auf die Honorare der Freien. Was erhält ein erfolgreicher Fernsehregisseur für eine 60-Minuten-Produktion, was für eine 90-minütige? Arbeitet er dafür ein halbes Jahr oder neun Monate? Wie steht es dann mit Anschlussverträgen. Sollte er nicht hiervon noch etwas länger zehren können? Was ist das dann im Vergleich mit dem Festgehalt eines TV-Abteilungsleiters?"

Prof. Toni Lüdi München

Wer braucht schon 24 Stunden Flimmern?

"Was Sie beschreiben, sind auch die Folgen des 24-Stunden-Betriebes Fernsehen! Wenn die Verantwortlichen sowohl der öffentlich-rechtlichen Anstalten als auch der privaten Sender beschließen würden, das Programm täglich erst um 15 Uhr beginnen zu lassen und um ein Uhr in der Früh mit dem Testbild zu beenden, wer könnte ernsthaft dagegen sein - außer natürlich den vielen Menschen, die ihren Job verlieren würden?

Das Fernsehprogramm ist ein Abbild der Zeit und muss sich immer wieder neu erfinden, um die Leute vor den Bildschirm zu locken. Außerdem kann man mit der Fernbedienung dem "Mittelmaß" ein Ende setzen. Und beim Zappen kann man dann auch entdecken, dass ein Infokanal wie Phoenix in seinem Programm mindestens einmal im Monat das Schlachtschiff "Bismarck" versenken lässt. Man kann den Eindruck bekommen, Geschichte (vor allem die deutsche) wäre eine Abfolge von Kriegen."

Detlef Otto Planegg

© SZ vom 14.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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