Wanderurlaub:Pfeifen auf Gomera

Die Landschaft macht den Ton: Die zweitkleinste Insel der Kanaren überrascht Bergwanderer mit einzigartigen Klängen, urtümlichen Landschaften und strahlend bunten Farben.

Von Stefan Herbke

Urplötzlich ist es aus mit der Stille. Laute Pfiffe, langgezogene, dann wieder kurze, fast melodisch, hallen durch die Stille. Eine kurze Pause, und weiter geht's.

blütenpracht

In voller Pracht

(Foto: Foto: Herbke)

Die Pfiffe rauschen wie Wörter in unsere empfindlichen Ohren. So pfeift kein Vogel. Und kurz darauf, aus der anderen Richtung, die Antwort.

Wieder kommt eine ganze Melodie an Pfiffen durch den Äther geschwirrt, schrill und unverständlich, zumindest für die meisten hier, die Silbo nicht verstehen.

El Silbo heißt die traditionelle Pfeifsprache der Ureinwohner Gomeras, die aus der Not heraus geboren wurde. Denn die Wegstrecken zwischen den einzelnen Dörfern, zwischen denen oft tiefe und unüberwindbare Schluchten lagen, waren lang und beschwerlich.

Und so kam man auf die Idee, sich die Nachrichten über die Barrancos, die Schluchten, hinweg zuzupfeifen. Zumindest kurze und leicht verständliche, da die Pfiffe sich nur in ihrer Tonhöhe und -länge unterscheiden.

Der Einzug des Telefons bedeutete fast das Ende der einzigartigen Pfeifsprache, die die UNO 1982 in die Liste schützenswerter Kulturgüter aufgenommen hat.

Heutzutage wird wieder fleißig gepfiffen, denn El Silbo ist eine Attraktion. Und wer heute einen Silbadore hört, weiß daher sofort, wo sich die nächste Touristengruppe befindet.

Sehen dagegen tut man sie nicht immer, zumindest nicht in den Bergen. Denn rund um das Zentralmassiv mit dem Garajonay stauen sich die Wolken. In dem dichten Nebel und undurchdringlichen Wald geht jeder Orientierungssinn verloren.

Gut, dass sich Helmut, unserer österreichischer Wanderführer, auf Gomera bestens auskennt. Schließlich leitet er hier mehrere Wochen im Jahr die Wandertouren "Stille Tage in schroffen Tälern" von Krauland, die der Reiseveranstalter Kreutzer Touristik anbietet.

Dabei handelt es sich um leichte bis mittelschwere Wanderungen mit bis zu fünf Stunden Gehzeit. Etwas Kondition ist also erforderlich, doch andererseits hat man ja Urlaub und den ganzen Tag Zeit.

54 Mal in fünfeinhalb Jahren

Und das Wetter ist auf Gomera in der Regel beständig gut, auch wenn sich die Hochlagen gerne verhüllen. Beliebt sind die Touren allemal, auch wenn nicht alle so oft buchen wie eine 78-jährige Frau, die in fünfeinhalb Jahren bereits 54 Mal dabei war.

Dass sich die Gipfel in Wolken verstecken, ist ein fast alltägliches Bild: Die von Norden kommenden, feuchten Luftmassen steigen an den Bergen auf, kondensieren zu Wolken und verhüllen die Gipfel.

Doch die Passatwolken liefern lebenswichtige Feuchtigkeit, ohne die Gomera nicht leben könnte und ohne die es keinen immergrünen Nebelwald gäbe mit seinem urwaldartigen Lorbeerwald.

Pfeifen auf Gomera

Unser erster Anlaufpunkt ist die kleine Lichtung Laguna Grande, die sich wie eine Insel im Meer inmitten des undurchdringlichen Gehölzes aus knorrigen, alten und phantastisch geformten Lorbeerbäumen befindet.

urwald

Gespenstisch wabert der weiße Nebel durch das unergründliche Gehölz und verzaubert die mit Moos und Farnen überzogenen Lorbeerbäume, die aus dem weißen Schleier lebenswichtige Feuchtigkeit "auskämmen".

(Foto: Foto: Herbke)

Ein beliebter Picknickplatz und Ausgangspunkt für traumhafte Wanderungen durch diese märchenhafte und geheimnisvolle Landschaft, die sich ideal als Kulisse für einen Phantasy-Film eignen würde.

Unergründliches Grün

La Laguna Grande liegt inmitten des 3980 Hektar großen Parque Nacional de Garajonay, der damit fast ein Drittel der Inseloberfläche einnimmt. Selbst die UNESCO nahm den Park mit seinem schützenswerten und einzigartigen Zedern- und Lorbeerwald - der als besterhaltener der Welt gilt - und seinen vielen endemischen Pflanzen und Insekten in die Liste schützenswerter Kulturgüter auf.

Helmut gibt die Richtung vor und führt uns auf leichten Wegen hinein ins unergründliche Grün, in dem Baumstämme und Äste kreuz und quer wachsen und dabei jede Lücke im Dickicht nutzen.

Gespenstisch wabert der weiße Nebel durch das unergründliche Gehölz und verzaubert die mit Moos und Farnen überzogenen Lorbeerbäume, die aus dem weißen Schleier lebenswichtige Feuchtigkeit "auskämmen".

Die Insel des ewigen Frühlings, die grüne Insel der Kanaren, das Wanderparadies - Floskeln, die trotz des Nebels in den Bergen ihre Berechtigung haben.

Jeder Spaziergang ist Wanderung

Das ganze Jahr über ist das Klima angenehm, doch wer seinen Urlaub auf einem leuchtend weißen Sandstrand unter schattenspendenden Palmen verbringen möchte, ist auf der 373 Quadratkilometer kleinen und fast kreisrunden Insel fehl am Platze.

Denn die zweitkleinste Kanareninsel - gut 25 Kilometer beträgt die West-Ost-Ausdehnung, etwa 22 die in Nord-Süd-Richtung - ist ein einziges Gebirge, jeder kurze Spaziergang ist bereits eine Wanderung.

Vom 1487 Meter hohen Garajonay, dem höchsten Punkt der Insel inmitten des Parque Nacional de Garajonay, ziehen endlose Hänge, Barrancos und Täler - insgesamt sollen es an die 50 sein - hinunter an die zerklüftete Steilküste.

Eine ungünstige Topographie, die die Bauern zu arbeitsintensivem Terrassenfeldbau zwang und die Erschließung mit Straßen lange verzögerte. Auch wenn Gomera als die am wenigsten liebliche Insel der Kanaren gilt: Diese Aussage darf so nicht stehen bleiben. Denn gerade diese Wildnis macht den Reiz des eilands aus und es für Wanderer so interessant.

Hochburg für Aussteiger

Tiefe Schluchten wie das grandiose Valle Gran Rey - einst eine Hochburg für Aussteiger -, die sich wie der Grand Canyon in die Berge eingeschnitten hat, sind das Markenzeichen von Gomera, und für Wanderer ein Highlight.

Mit steilen, teils senkrechten Wänden fällt das Tal von einer Hochfläche zum Meer hin ab, jeder nur halbwegs nutzbare Meter Boden wurde in mühsamer Handarbeit kultiviert.

Wie Treppen ziehen die schmalen Terrassenfelder - von denen mittlerweile ein Großteil aufgelassen wurde - hinunter ans blaue Meer, dazwischen grandiose Aussichtspunkte, schmale, manchmal auch abenteuerliche Pfade, kleine Häuser und Siedlungen. Und einladende Bars.

Die Speisekarten mögen sich vielleicht unterscheiden, doch ein Gericht steht immer drauf: Gofio. Das kanarische Nationalgericht ist zwar nicht jedermanns Sache, doch mit der typischen Salsa de Mojo rojo, einer scharfen und würzigen Knoblauchsuppe, wirklich nicht schlecht, vorausgesetzt, man mag Knoblauch.

Pfeifen auf Gomera

panoramablick

Der perfekte Ausblick: Hotelanlage Jardin Tecina

(Foto: Foto: Herbke)

Wieder verhängen Wolken die höchsten Gipfel der Insel. Doch Helmut kennt sich aus und lotst uns auf die Westseite Gomeras, "denn dort könnte es noch Aufhellungen geben".

Recht hat er. Wir fahren quer über das Zentralmassiv, bis sich die Wolken plötzlich auflösen und tief unter uns das Meer in der strahlenden Sonne leuchtet. Durch die unterschiedlichen Vegetationszonen geht es hinunter nach Vallehermoso, ins "schöne Tal".

Verführerische Früchte

Aus dem immergrünen Nebelwald mit seinen mannshohen Farnen wandern wir über einen aussichtsreichen Rücken bergab, kämpfen uns durch die karge Mittelstufe mit ihren stacheligen Feigenkakteen und Agaven, und genießen die üppige Vegetation im Talboden.

Auf den Feldern wachsen exotische Früchte, verführerisch hängen je nach Jahreszeit die Birnen, Orangen oder Pfirsiche an den Bäumen, dazwischen wieder kleine Gärten, in denen der fast baumgroße Weihnachtsstern neidvolle Blicke deutscher Urlauber auf sich zieht. Ganz unten, wo es ausreichend Wasser für die Bewässerung gibt, breiten sich große Bananenplantagen aus, auf denen die kleine, schmackhafte kanarische Banane wächst.

Dazwischen ragen immer wieder Dattelpalmen aus dem Grün heraus, von denen es auf Gomera fast 150.000 geben soll. Die Datteln werden hier aber vorwiegend als Tierfutter verwendet, viel interessanter ist der Palmenhonig (Miel de Palma), der aus dem Saft der Dattelpalme gewonnen wird.

Keine Langeweile im Garten Eden

Rund zehn Liter Saft kommen im Laufe einer Nacht zusammen, aus dem neben dem Honig auch noch ein gleichnamiger Likör hergestellt wird. Gomera ist ein Garten Eden, durch den man stundenlang wandern kann, ohne dass es einem langweilig wird.

Nach einer Woche ist man reif für die Insel, zumindest fürs Relaxen und süße Nichtstun. Und dies kann man auf Gomera gut etwa in der Hotelanlage Jardin Tecina.

Hoch über der Steilküste breiten sich die gemütlichen Bungalows aus, traumhaft ist der Blick über das weite Meer, erholsam die wohltuende Ruhe unter den schattenspenden Bäumen und zwischen den farbenfrohen Blumen.

Ein regelrechter botanischer Garten breitet sich hier aus, die kanarische Flora in ihrer ganzen Vielfalt ist auf 55.000 Quadratmetern zu bewundern. Auch die Fauna fühlt sich hier wohl. Das sanfte Trällern der Vögel klingt aber nur für ungeübte Ohren wie El Silbo.

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