Tourismus-Branche:Comeback der Reisebüros

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Den idealen Urlaub versprechen sich wieder mehr Menschen von der Beratung im Reisebüro. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Plötzlich ist alles ganz anders: Viele Urlauber suchen wieder eine persönliche Beratung, ehe sie sich für ein Angebot entscheiden. Online-Portale dagegen wachsen schwächer als zuvor.

Von Michael Kuntz, Abu Dhabi

Ein online bestellter Pullover, der nicht passt, lässt sich leicht umtauschen. Der Kunde schickt ihn zurück und weil das ziemlich viele Menschen tun, ist das Geldverdienen im Internet nicht so einfach wie gern gedacht. Nicht ganz ohne Tücken geht offenbar auch der Kauf einer Urlaubsreise vonstatten. Eine Reise lässt sich schlecht umtauschen, erst recht, wenn man schon unterwegs ist.

Immer mehr Menschen merken, dass mit ein paar raschen Mausklicks auch einiges schiefgehen kann. Sie bekommen entweder nicht, was sie wollten oder aber buchen letztlich zu einem deutlich höheren Preis als den, mit dem sie auf eine Website gelockt worden sind. Das hat Folgen.

Die erste Euphorie des Internets kühlt gerade ab und die Anbieter von Pauschalreisen erleben neuerdings nicht mehr die zweistelligen Wachstumsraten, an die sie sich gewöhnt hatten. Der Wunsch nach mehr persönlicher Beratung beschert Unternehmen eine Rückkehr, die längst totgesagt worden waren: den Reisebüros. Erstmals seit zehn Jahren nimmt die Zahl der Reisebüros in Deutschland nicht mehr ab, sondern zu.

Deutschland galt lange mit Reisebüros ähnlich überversorgt wie mit Apotheken und Bankfilialen. Nirgendwo sonst gibt es so viele bezogen auf die Einwohnerzahl. Deutschland ist auch auf diesem Gebiet Weltmeister, und seit das Internet die Welt verändert, ist das ein Titel, auf den das Land nicht unbedingt stolz sein sollte. So dachten viele, und auch innerhalb der Tourismusbranche betrachteten etliche Fachleute das Reisebüro eher als ein Auslaufmodell.

Urlaub soll nicht unglücklich machen

Zum Teil ist das tatsächlich so: Wer nur einen Flug braucht oder ein Hotel oder einen Mietwagen, der bucht sich das inzwischen tendenziell selbst im Internet. Wer allerdings, wie es jedes Jahr über 20 Millionen Deutsche tun, eine Pauschalreise unternimmt, der will nur eines: Sein Urlaub soll ihn glücklich machen, vor allem aber nicht unglücklich. Für den Familienvater gibt es kaum Schrecklicheres, als sich monatelang beim Frühstück anhören zu müssen, dass die letzte Urlaubsreise nicht so toll war.

Die Kombination aus Flügen, Transfers, Unterkünften plus vielleicht noch einem Mietauto, Verpflegungspaket und Ausflügen einschließlich Erster Hilfe in Notsituationen ist offenbar ein sensibles Produkt. Dabei verlässt sich der Käufer nicht allein auf Bewertungsportale, sondern sucht wieder das persönliche Gespräch. Hinzu kommt, das laut einer Untersuchung der GfK-Marktforscher die Nachfrage nach hochpreisigen Reisen besonders kräftig wächst, bei denen das Informationsbedürfnis vor der Buchung besonders ausgeprägt ist.

Gemeint sind Pauschalreisen, die mehr als 3000 Euro pro Person kosten und damit fast doppelt so viel wie der Durchschnittsurlaub. Dazu zählen auch viele der Kreuzfahrten, die besonders gut laufen und die für Vermittler deutlich lukrativer sind als der gewöhnliche Badeurlaub.

"Das widerspricht ein Stück weit dem, was wir erwartet haben"

So ist es dann wohl zu erklären, dass die Online-Reisebüros im laufenden Jahr ebenfalls beim Umsatz nur noch um ein bis zwei Prozent zulegen werden, so viel wie die normalen Reisebüros, stellt jetzt der Deutsche Reiseverband DRV anlässlich seiner Jahrestagung fest. Im vergangenen Jahr hatten die Internet-Anbieter mit Komplettangeboten von Pauschalreisen noch eine Zuwachsrate im oberen einstelligen Bereich.

"Das widerspricht ein Stück weit dem, was wir erwartet haben", sagt selbst der neue DRV-Präsident Norbert Fiebig zur Rückkehr der Reisebüros.

Offenbar bietet der insgesamt wachsende Markt genügend Spielraum für viele. Griechenland wird wohl schon dieses Jahr besser gebucht als vor der Krise, Spanien und die Türkei bleiben stark gefragt. Nur in die politisch unruhigen Länder Ägypten und Thailand fahren weniger Menschen. In der Gesamtbilanz der Reiseindustrie spielt das keine allzu große Rolle.

Gefährliche Reiseziele
:Die Welt wird kleiner

Selten hat es so viele Warnungen des Auswärtigen Amts gegeben wie derzeit. Und selten wurde von so vielen Urlaubszielen abgeraten. Als Gradmesser für die Angst der Touristen gilt ein gebeuteltes Land: Ägypten.

Von Jochen Temsch

Unruhe herrscht nicht nur in Ägypten und Thailand, die Urlaubsanbieter müssen sich inzwischen ganzjährig krisenhaften Herausforderungen stellen. Dazu zählten ebenso die Situationen in der Ukraine, Israel, Syrien, dem Irak, die Ebola-Epidemie in Westafrika sowie die Isis-Drohungen, aber auch Streiks von Piloten und Lokführern. Gereist wird trotz aller politischen Krisen und Naturkatastrophen immer mehr, nur die Ziele ändern sich - mitunter rasch. "Bis auf das Wirtschaftskrisenjahr 2009 ist unsere Branche dabei stetig gewachsen. So auch in diesem Jahr wieder", sagt Fiebig und ergänzt ein wenig pathetisch: "Wir sind wahrlich ein Fels in der Brandung." Auf diesem "Fels" liegen sieben Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland.

Nach der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Sommer stieß die Branche sogar an ihre Kapazitätsgrenze, etwas wovon Manager in vielen anderen Wirtschaftsbereichen nur träumen können. Weil sich viele Fans erst nach dem Endspiel entschlossen, noch kurzfristig einen Pauschalurlaub zu buchen, wurden die Plätze vor allem in den Flugzeugen knapp.

Wer noch rasch dringend mitwollte, kam oft nur gegen Aufpreis mit. Last Minute anders herum. "Hier hat die Marktwirtschaft funktioniert", freut sich der Reiseverbands-Präsident.

Für Fiebig kehren nicht nur die Kunden in die Reisebüros zurück, auch die großen Reiseveranstalter nehmen ihre meist mittelständischen Vertriebspartner vielleicht wieder "ernster als früher". Derzeit legen sich die Konzerne wie Tui, Thomas Cook und DER eher wieder eigene Reisebüros zu, "als dass sie sie loswerden wollen".

Die Zahl insgesamt stieg bisher bereits um hundert auf 9829 Reisebüros, seit 2004 war sie stets geschrumpft. Für Norbert Fiebig ist das eine auch betriebswirtschaftlich durchaus sinnvolle Entwicklung: "Es gibt keinen günstigeren Vertriebsweg als das Reisebüro." Dabei zählen nicht allein die nackten Zahlen: Auch die Kundenzufriedenheit sei deutlich höher als bei den maschinengetriebenen, anonymen Verkaufsformen im Internet.

© SZ vom 04.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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