Tipps für die Städtereise:Wegweiser durch Peking

Die schiere Größe von Peking ist so faszinierend wie überwältigend. Wie gut, wenn jemand weiß, wo es im Gewirr der Straßen und Wolkenkratzer das beste Essen gibt, was man dort probieren sollte, welche Sehenswürdigkeiten man sich sparen kann und was es stattdessen anzuschauen gilt.

Marcel Grzanna

Städtereisende wollen vieles erleben, am besten aber Orte entdecken, die nicht in jedem Reiseführer oder jeder App zu finden sind. Wer könnte besser durch die Stadt führen als jemand, der dort wohnt oder zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Süddeutsche.de hat SZ-Korrespondenten in fernen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Diesmal verrät Marcel Grzanna die besten Orte zum Shoppen, einen spannenden Künstlerort und welche chinesischen Speisen Sie unbedingt probieren sollten - und wo.

Peking China Hutong Gassen Wohnhöfe Alltag

Die Hutongs mit ihren Gassen und typischen Wohnhöfen sind das Herz und die Seele der Stadt.

(Foto: AFP)

Was macht Peking als Stadt aus?

Es macht riesigen Spaß, die Sonne und den strahlend blauen Himmel zu genießen. Ähm, vorausgesetzt, man erwischt einen der wenigen Tage im Jahr, in dem die Luftverschmutzung das zulässt. Um ehrlich zu sein, stinkt es sehr oft zum Himmel. Die Stadt verliert dadurch viel ihrer Würde, faszinierend aber ist ihre schiere Größe. Schön ist Peking nicht, geschweige denn lieblich. Aber die Stadt hinterlässt Eindruck. Ob gut oder schlecht, liegt im Auge des Betrachters.

20 Millionen Menschen leben hier. Markant ist die enorme Kluft zwischen Arm und Reich, die in einem Umkreis von wenigen 100 Metern aufeinanderprallen und irgendwie miteinander leben. Aber auch das ist Quell der Faszination, die Peking ausstrahlt: diese unglaublichen Widersprüche und Gegensätze.

Zeitgeschichte spürt man bei jedem Atemzug auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Man kann hinüber sehen zum Beijing-Hotel, von dem das legendäre Foto des "Tankman" aufgenommen wurde. Wer sich hier Zeit und Muße nimmt, um sich intensiv an die Bilder von 1989 zu erinnern, dem läuft es eiskalt den Rücken herunter und er bekommt ein gesundes Verhältnis zu dem, was ihn an Prunk und Protz blenden könnte. Ich würde außerdem darauf wetten, dass es keine andere Stadt in der Welt gibt, in der die Taxifahrer so schlecht gelaunt sind wie in Peking. Umso schöner ist es, einen der netten Kerle zu treffen, mit denen man in wenigen Augenblicken Freundschaft schließt.

Diese Sehenswürdigkeiten dürfen Sie nicht verpassen:

Fraglos gehören der Platz des Himmlischen Friedens und die Verbotene Stadt dazu, weil sie viele Jahrhunderte chinesische Geschichte erzählen. Auch die Große Mauer sollte man gesehen haben. Danach aber lässt sich ein Peking-Besuch sehr flexibel gestalten. Wer religiöse Stätten mag, der sollte sich den riesigen Lama-Tempel am zweiten Autobahnring nicht entgehen lassen. Der Besuch lässt sich zudem prima mit einer Tour durch die kleinen Gassen des alten Peking (Hutongs) verbinden.

Wer sich für neuere Geschichte interessiert, der sollte sich den Olympiapark anschauen. Die Stadien und Hallen sind gewaltig, und die zahlreichen einheimischen Touristen ergeben ein buntes Mosaik der chinesischen Gesellschaft. Sehenswert ist auch das Sanlitun-Village. Es ist ein Shopping- und Vergnügungszentrum mitten im Botschaftsviertel, das besonders an Wochenenden aus allen Nähten platzt. Seine Struktur und seine Vielfalt sind absolut spannend anzusehen.

Am vierten Ring liegt das Künsterviertel 798 - ja, ja, kommerziell durch und durch. Dennoch ist es einen Besuch wert, weil sich auf dem ehemaligen Gelände einer Waffenfabrik etliche Galerien und Cafes aneinanderreihen. Und wer ganz genau hinschaut, der findet unter all dem kommerziellen Krempel etliche kritische Kunst. Die Antwort, weshalb sie dort erlaubt ist, lautet: Es ist ein staatlich organisierter Raum. Hier können die Behörden die Entwicklung wunderbar verfolgen und müssen keine Untergrundbewegung fürchten.

Was ist noch sehenswerter - doch nur wenige Urlauber wissen davon?

Sie müssen zum Abendessen auf die Ghoststreet (Guijie). Tausende Laternen bringen die Straße in der Nähe des Lama Tempels abends zum Erleuchten. Vor den (fast ausschließlich) chinesischen Restaurants (es sind mehr als 100) stehen die Schlepper, die ihnen die Namen der Köstlichkeiten in die Ohren brüllen, um sie hinein zu locken. In der warmen Jahreszeit stehen etliche Tische auf der Straße, fliegende Händler verkaufen ihre Waren. Die Restaurants haben alle Speisekarten mit Bildern, und niemand übervorteilt ausländische Touristen, die eine überschaubare Minderheit auf der Straße bilden. Häufig sieht man auch chinesische Beamte, gestützt auf ihre Genossen, aus den Restaurants torkeln. Sich gnadenlos zu betrinken, ist auf der Ghoststreet gesellschaftlich akzeptiert.

Wer es gediegener und exklusiver mag, der sollte in der Bar des Park Hyatt in Jianguo-Soho einen Cocktail nehmen. Wenn die Luft klar ist, entschädigt der Blick auf das umstrittene, aber faszinierende China Central Television Headquarters-Gebäude (CCTV) für die hohen Preise. In den Möbelmanufakturen von Gaobeidian findet sich immer wieder auch ein Schmuckstück. Man kann durch die pragmatisch eingerichteten Ausstellungsräume schlendern und einen Blick in die Werkstätten werfen. Spannend ist auch ein Besuch im 70 Kilometer östlich von Peking gelegenen Dorf Donggaocun. Hier emfpangen große und winzige Geigenbauerbetriebe auch unangekündigt Touristen. Charmant sind besonders die kleinen Familienmanufakturen.

Diese Viertel sollten Sie unbedingt besuchen:

Das Studentenviertel Wudaokou im Nordwesten von Peking ist etwas für junge Leute. Hier trifft man in den Kneipen und Cafes ausländische Studenten aus aller Welt und viele Chinesen, mit denen man Englisch sprechen kann. Technikfreaks müssen unbedingt nach Zhongguancun (ebenfalls im Nordwesten), Pekings Antwort auf Tokios Stadtviertel Akihabara. Hier bekommt man in zahlreichen mehrstöckigen Kaufhäusern alles an Elektronik, was man sich wünschen kann. Man läuft wie in einem Tunnel vorbei an unzähligen Verkäufern, die "Sony", "Apple", "Samsung", "Computer", "TV", "DVD" und sonstwas flüstern oder brüllen. Ein echtes Abenteuer der Moderne.

Die alten Gassen mit ihren Wohnhöfen (Hutongs) sind das Herz und die Seele der Stadt. Wer extreme Eindrücke mag, der sollte mit einem Fahrrad in der Dunkelheit durch die vergnügungssüchtigen Menschenmassen von Sanlitun radeln, die Straße Dongzhimenwai hinunterfahren über den zweiten Ring in Richtung Ghoststreet und dort abbiegen in einen der Hutongs. Es ist wie auf einem anderen Planeten. Ruhe, Gelassenheit, keine Eitelkeiten, Männer in Unterhemden, Frauen in Schlafanzügen. Das ist Peking, wie es viele Jahrzehnte lang ausgesehen hat.

Den schönsten Blick auf Peking haben Sie...

... vom Kohleberg bei Sonnenuntergang nördlich von der Verbotenen Stadt. Eine beeindruckende Sicht über das Reich der chinesischen Kaiser.

Das können Sie sich in Peking sparen...

... wahrscheinlich das Mao-Mausoleum auf dem Tiananmen-Platz. Man wartet lange und bekommt fünf Sekunden schlechte Sicht auf einen Körper, der an eine Wachsfigur erinnert, und das alles bei schwummrigen Licht. Der Himmelstempel im Süden der Stadt ist historisch zwar sehr interessant, aber wer die Verbotene Stadt gesehen hat, muss hier nicht mehr hin.

Transport, Essen und Trinken

Hier finden Sie Marcel Grzannas Empfehlungen für Essen und Trinken und für Ihren Weg durch die Stadt.

Peking China Nachtleben

Restaurants, Kneipen, Live-Musik: Überall in Peking gibt es Möglichkeiten, um sich ins Nachtleben zu stürzen.

(Foto: Reuters)

So kommen Sie am besten durch die Stadt:

Die Taxis sind billig (erwarten sie aber kein Englisch!), die U-Bahnen manchmal schneller und spottbillig. Faustregel im Pekinger Taxi: zehn Yuan (etwa 1,20 Euro) für zehn Minuten. Die U-Bahn kostet 25 Cent pro Fahrschein, egal, wie lang die Strecke ist.

Damit sollten Sie unbedingt fahren:

Mit der Motorrikscha. Das ist ein Riesenspaß im Berufsverkehr.

Wenn Sie hungrig sind, probieren Sie:

Peking-Ente ist in Peking ein Muss. Die krosse Entenhaut im Teigblättchen mit Soßen und Gemüse ist für die meisten Besucher eine positive Überraschung. Wer klassisches Straßenessen erleben will, der sollte sich an eine der zahlreichen Grillstationen halten, wo Fleisch- oder Gemüsespießchen (Chuanzi) angeboten werden. Man sitzt auf winzigen Hockern und erlebt die Esskultur der Einheimischen.

Auf die Hand gibt es vielerorts deftige Pfannkuchen (Jianbing), die wahlweise mit Hackfleisch oder Gemüse gefüllt sind. Die Restaurants bieten unterdessen häufig Kost aus allen Teilen des Landes. Freunde des scharfen Geschmacks sollten sich die fantastische Sichuan-Küche nicht entgehen lassen. Probieren Sie unbedingt das einfachste aller Gerichte, die Sichuan-Nudeln, die es überall gibt. Pekinger Teigtaschen (Jiaozi) sind eigentlich auch Pflichtprogramm.

Das Tolle in Asien und besonders auch in China ist die Esskultur des Teilens. Bestellen Sie mit fünf Leuten zehn Gerichte und jeder isst von jedem Teller. Ein herrlich geselliges Gemeinschaftserlebnis und die Möglichkeit vielfältig zu probieren.

Gegen den Durst ...

Beim lokalen Bierangebot scheiden sich die Geister. Anhängern deutscher Braukunst mag chinesisches Bier irgendwann über sein. Meistens aber gibt es nichts anderes. Fragen Sie unbedingt nach "bing pijiu", eiskaltem Bier, sonst öffnet die Kellnerin womöglich eine Flasche lauwarme Plörre und erzählt Ihnen, das sei besser für die Gesundheit. Wer mit chinesischen Beamten Arm in Arm aus einem Restaurant schreiten mag (siehe Ghost Street), versucht sich am hochprozentigen Getreideschnaps Baijiu. Maotai ist die exquisiteste Variante. Manche Flaschen kosten über 1000 Euro und noch mehr. Es gibt ihn aber auch zu erschwinglichen Preisen.

Das schönste Café:

Cafe Zarah auf der Gulou Dong Dajie, deutsches Frühstück bei Julia und Zhang Lin

Das beste Restaurant:

Auf der Ghost Street (Gui Jie) das Hua Jia Yi Yuan, das sich über zwei Hutong-Blöcke erstreckt. Man muss nur den Mut haben, nach hinten rauszugehen. Es gibt viele Speisen, auch für ängstliche Esser. Da Dong bietet perfekte Peking-Ente und zahlreiche andere exzellente Gerichte. Geba-Geba (23 Guandongdian Beijie) im äußersten Süden der Bar- und Kneipenstraße Sanlitun im Chaoyang-Viertel ist ein echter (japanischer) Geheimtipp, den ich nur ungern preisgebe. Aber seine Karte ist ausschließlich auf Chinesisch und Japanisch, was ihn vor Massentourismus bewahrt. Din Tai Fung zaubert fantastische chinesische Dumplings (Teigtaschen), vielleicht nicht ganz so gut wie das Michelin-Stern-gekrönte Mutterrestaurant in Taipeh, aber dennoch ein Hochgenuss der Teigtaschen-Kunst. Argo im Viertel Dongcheng (59 Wudaoying Hutong, Yonghegong) ist ein griechisches Restaurant, ehemals mit einem griechischen Koch, der 20 Jahre in Gießen gelebt hat. Jetzt ist leider nur noch der Besitzer Grieche und die chinesischen Köche haben ein anspruchvolles Erbe angetreten. Aber sie machen das gut. Saveurs du Coree bietet Bio-Reis- und Bio-Huhn-Gerichte und natürlich etliche Klassiker der koreanischen Küche. Besitzer King Tai ist Hongkong-Chinese, der auch Englisch und Französisch wie seine Muttersprache beherrscht. Sein Hofrestaurant liegt in einer Stichstraße der Nanluoguxiang in der Nähe des Trommelturms. Crystal Jade im Oriental Plaza, Teil einer Kette aus Restaurantkette aus Singapur, macht großartiges Dim Sum, was vergleichbar ist mit den chinesischen Teigtaschen.

Nachtleben und Sprachbarrieren

Auf dieser Seite geleitet Sie Marcel Grzanna durch das Nachtleben von Peking und gibt Kniggetipps.

Peking China Sonnenaufgang Tiananmen-Platz

Sonnenaufgang über dem Tiananmen-Platz. Die besten Plätze für den Tagesanbrauch liegen auf den Häuserdächern in den Hutongs. Aber dorthin gelangt nur, wer einen der Bewohner kennt.

(Foto: AFP)

Typisch für das Nachtleben in Peking ist, ...

... dass die Nacht nie aufhört anzufangen. Aber es gilt: je später der Abend, desto betrunkener die Gäste

Hier beginnt der Abend:

In einem der unzähligen Restaurants (in Sanlitun oder auf der Ghoststreet) oder auf einem Hocker an einem Spießchengrill (dort kann man ihn aber auch wahlweise ausklingen lassen)

Dann ziehen Sie weiter ins:

2 Kolegas, wo es in der warmen Zeit eine Freilufttheke mit Biergarten gibt. Der dazugehörige Club bietet alternative oder rockige Musik und Liveauftritte. Gelegen an der Liangmaqiao Road.

Hier wollen alle rein ...

Ich weiß nicht, wo alle reinwollen. Aber ich bin sicher, man verpasst nichts, wenn man nicht reingeht. Es liegen sicherlich zu viel Parfüm und Testosteron in der Luft.

Dabei ist es hier viel besser:

Im Cafe de la Poste (französische Bar/Restaurant) gibt es Steaks bis halb zwölf, Fassbier, und laute Musik je später der Abend. Sogar die Toilette wurde inzwischen renoviert. Man kommt sich vor wie in Berlin. Liegt auf der Yonghegong Dajie (Street) am Lama Tempel.

Dies ist der beste Platz für den Sonnenaufgang:

Eines der Dächer in den Hutongs. Leider nur mit entsprechenden Kontakten zu begehen.

Mit diesem Satz kommen Sie überall zurecht:

"Wo bu yao" ("ich will nicht")

Darüber spricht man in Peking:

"Kongqi bu hao" ("die Luft ist mies")

Vorsicht, Fettnäpfchen! Sagen Sie bloß nicht:

"Nin tuijian" - "Schlagen Sie etwas vor". Das gilt besonders in Restaurants, wo möglicherweise Dinge auf dem Teller landen, die abschreckend auf einen MItteleuropäer wirken können. Wird Ihnen mit dem Trinkspruch "Ganbei" zugeprostet, sollten Sie das Glas in einem Zug leertrinken und nicht nur daran nippen. Ihre chinesischen Mittrinker wären sonst mindestens enttäuscht, vielleicht sogar pikiert.

Weitere Informationen über den Autor der Peking-Tipps:

Marcel Grzanna, 39, ist gelernter Sportjournalist, war Chef des Berliner Büros der Nachrichtenagentur SID. 2007 nahm er die nahenden Olympischen Spiele in Peking zum Anlass, ein Leben als Auslandskorrespondent zu versuchen. Er berichtete sowohl für zahlreiche deutschsprachige Tageszeitungen und Onlinemedien, als auch für den TV-Nachrichtensender N24 und den Rundfunkservice der Deutschen Presseagentur (dpa) aus der chinesischen Hauptstadt und diversen anderen Ländern in Ost- und Südostasien. Seit Sommer 2009 ist er China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung mit dem Schwerpunkt Wirtschaft. Er lebt mit seiner Frau und seiner anderthalbjährigen Tochter in den Pekinger Hutongs. Kontakt unter www.asienreporter.de.

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