Strandleben in Italien:Auf der Bühne des Lebens

Der italienische Strand ist mehr als Sand und Wasser: Er stellt die Kulisse für Eitle, Erholungswillige und Geschäftemacher.

Andrea Bachstein

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Europa Italien Strand, dpa

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La Spiagga, der Strand, das ist in Italien mehr als die bloße Bezeichnung eines Küstenstreifens. Wie man sich am Strand verhält, ist eine Weltanschauung und ein Spiegel der italienischen Gesellschaft. So ist es von fundamentaler Bedeutung, nicht alleine an den Strand zu gehen, sondern mit möglichst vielen befreundeten und verwandten Menschen. Dabei muss möglichst viel Zubehör mitgeschleppt werden. An Sonntagen bereiten die Mammas in mitgebrachten Küchenzelten komplette Menüs für Großfamilien zu, während Männer und Söhne Fußball spielen. Die Töchter telefonieren und arbeiten an ihrer abbronzatura, der knackigen August-Bräune. Wichtige Nebenrollen spielen Eisverkäufer, Bademeister und Schmuckhändler.

Europa Italien Strand, dpa

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Liegenstreik gegen die EU

Das wäre mal ein herrlicher Streik gewesen: Liegestühle und Sonnenschirme einen Tag lang gratis für alle. So hatte sich das der Verband der italienischen Badestrandpächter vorgestellt. Als Aufbegehren gegen die von der EU verlangte für 2015 geplante Liberalisierung dieses begehrten Geschäftssektors. Leider haben die allermeisten Strandbad-Betreiber dann doch gemerkt, dass gerade Hochsaison ist und sie doch eigentlich Unternehmer sind, Geld verdienen wollen und die einzigen Gekniffenen dieser unmenschlichen Maßnahme gewesen wären. Immerhin, so wurde gemeldet, seien in Cesenatico einige Protestplakate der Balneari gesichtet worden.

Europa Italien Strand, apn

Quelle: apn

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Fast 5000 Kilometer Küste

Die Länge der zum Baden geeigneten Küsten Italiens liegt nach verschiedenen Angaben entweder bei 4042 oder bei 4969 Kilometern. 25.301 Pachtkonzessionen sind vergeben. Jeder Längenmeter Strand kostet die Strandbadbetreiber 24,20 Euro. Im vergangenen Jahr sollen sie an den Staat 97 Millionen Euro gezahlt haben. Nach Schätzungen nehmen die Strandbäder mindestens zwei Milliarden im Jahr ein, das zusätzlich schwarz kassierte Geld wird auf mehr als 300 Millionen taxiert. In Italiens Meeresetablissements arbeiten 500.000 Menschen.

Apulien, nahe Lecce

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Baywatch-Hunde im Stranddienst

Die Gruppe der stark behaarten Bademeister wächst. Gerade sind bei Ostia vier weitere in Dienst gegangen, allein in der Region Latium sind es schon 47. "Baywatch-Hunde" werden die als Rettungsschwimmer ausgebildeten Vierbeiner genannt. Sie sollen mit ihren Herrchen und Frauchen an den Sommerwochenenden für mehr Sicherheit an den kostenlos zugänglichen kommunalen Stränden sorgen. Dort gibt es sonst keine Rettungsschwimmer. Meistens sind es Labradors und Retrievers, die ein Geschirr umgeschnallt mit einem Haltering bekommen, an dem sich ermattete Schwimmer klammern können. In der vergangenen Saison hat zum Beispiel Labrador Rambo bei Palinuro im Cilento einen Mann so lange über Wasser gehalten, bis ihn Helfer aus dem Sog eines Strudels ziehen konnten.

Europa Italien Strand, apn

Quelle: apn

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Tonnenweise Gift im Sand

27 Prozent des Abfalls im Sand italienischer Strände besteht aus Zigarettenkippen. Würde man sie liegen lassen, dauerte es zwischen einem und fünf Jahren, bis sie sich auflösen. Sie würden tonnenweise Gift abgeben, Nikotin, Benzoe, Aceton, Formaldehyd und Toluen. Außerdem Radioaktivität aus dem enthaltenen Polonium. Die Gemeinde Grossetto hat 2500 verschließbare Aschenbecherchen erworben, die sie in diesen Tagen an Strandbesucher verteilen will.

Im Rausch der Sonne

Zigaretten, Sonne und Meeresrauschen reichen nicht allen, um in entspannte Stimmung zu kommen. Kürzlich fiel der Finanzpolizei in Capocotta ein Zelt am Strand auf. Es gehörte drei jungen Kerlen, die sich geschäftlich unter die Badenden gemischt hatten. Im Sand hatten sie handlich dosiert: zweieinhalb Kilo Marihuana und dreieinhalb Kilo Haschisch. Es handelte sich um die Menge, die sie in einer Woche bei den örtlichen Strandpartygängern absetzen konnten.

Europa Italien Strand, picture-alliance

Quelle: picture-alliance

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500 Euro für Liegen und Schirm

Eine vierköpfige Familie kostet ein Tag am Strand im Schnitt auf 95Euro. Das hat die Verbraucherorganisation Adoc ausgerechnet. Es geht aber auch teurer. Im VIP-Paradies Porto Cervo an der Costa Smeralda auf Sardinien muss man zu zweit 500 Euro pro Tag an der Kasse des Hotels Cala di Volpe lassen, für Sonnenschirm und zwei Liegebetten, Service inklusive. Immerhin 150 Euro zahlt man im Bagno Teresita in Viareggio für zwei Liegestühle, zwei Liegebetten, einen Stuhl, ein Tischchen mit Safe unter einem Zelt. Das exklusive Bagno Annetta im benachbarten Forte dei Marmi vermietet nur für die ganze Saison. Preisauskünfte gibt man dort nicht gern. Gerüchteweise muss man pro Saison mit etwa 10.000 Euro rechnen. In Palo Laziale kann man bei La Posta Vecchia sogar mit dem Helikopter anfliegen. Da zahlt man zu zweit für das Beachclub-Paket 110 Euro. Allerdings hat der zu einem Fünf-Sterne-Hotel gehörende Strand nur acht Plätze.

Europa Italien Strand, ddp/Enit

Quelle: ENIT/dapd

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Die schönsten Strände

Die Umweltorganisation Legambiente hat bei der Auswahl der schönsten Strandgegenden die ersten fünf Plätze vergeben an: Pollica Acciaroli und Pioppi in Kampanien; die Cinque Terre in Ligurien (im Bild); Ostuni in Apulien; Capalbio in der Toskana und Castiglion della Pescaia, ebenfalls Toskana.

Schmutziges Baden in Caserta

Unter der Adresse portaleacque.it bietet das italienische Gesundheitsministerium auch auf Englisch Gegend für Gegend, Strand für Strand, Informationen über die Wasserqualität , eventuelle Verschmutzungen oder Beschränkungen. Die meisten unterdurchschnittlich sauberen Strände befinden sich in der kampanischen Provinz Caserta.

Europa Italien Strand, apn

Quelle: apn

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Nippesverkäufer mit Ausweis

Die melodischen "Bello-coco-coco- bello"-Rufe gehören immer noch an den meisten Stränden dazu. Aber die Kokosnussverkäufer sind schon fast Exoten im Heer der Händler, die auf heißem Sand unterwegs sind. Und viele Badegäste fühlen sich durchaus genervt, wenn ihnen alle fünf Minuten jemand Batikkleidchen, Ethno-Schmuck, Spielzeug, Tattoos und gern auch gefälschte Handtaschen, Uhren, Sonnenbrillen, CDs und Gürtel andrehen will. Trotzdem lohnt sich das Geschäft, es geht um Millionen-Umsätze.

Einige Gemeinden wollen die Menge der Verkäufer nun beschränken. Von ihnen soll es allein an den Stränden zwischen Civitavecchia und Anzio in Lazio 15.000 geben. Das sind dem Bürgermeister von Rom zu viel. Er plant, ihre Zahl auf den 20 Kilometern Badeküste in seinem Gebiet auf 20 zu beschränken. Sie sollen einen Ausweis erhalten und registriert werden. Es sieht aber so aus, als würde es damit in diesem Jahr nichts mehr werden.

Tödlicher Job in der Sonne

Der Job des Strandhändlers ist auch sonst gefährlich. Mit vielen Kilo Ware auf dem Rücken stundenlang unter sengender Sonne zu wandern, geht auf den Kreislauf. Für einen 33-jährigen Verkäufer, einen Einwanderer aus Bangladesch, wurde es zu viel. Er brach in Jesolo bei der Arbeit zusammen. Jede Hilfe kam zu spät.

Europa Italien Strand, AFP

Quelle: AFP

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1000 Euro Strafe für Plagiat-Kauf

Billige, gefälschte Designerwaren bei Strandhändlern zu kaufen, kann teuer werden. Eine österreichische Urlauberin, die in Jesolo für sieben Euro bei einem Senegalesen ein angebliches Louis-Vuitton-Täschchen erworben hatte, erhielt dafür diesen Sommer eine Geldstrafe von 1000 Euro. Polizisten hatten den Handel mit dem Fernglas beobachtet. "Zero Tolerance" hat der Stadtrat des Adria-Ortes als Devise gegenüber dem Handel mit illegalen Waren ausgegeben. Für die Strafe der Pensionärin wollten Geschäftsleute und Hoteliers von Jesolo aufkommen.

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Gay-unfriendly Bademeister

An einen anderen Strand versetzt worden ist der bisherige Bademeister von Lecciona bei Torre del Lago in der Toskana. Er hatte einem männlichen Paar aus Mailand, das sich dort in den Dünen geküsst hatte, Vorhaltungen gemacht und eine Geldstrafe angedroht. Die Schwulen-Organisation Gay.it hat gegen das Vorgehen des Bademeisters protestiert und verlangt, dass die Aufsicht am Strand einer anderen Firma übergeben werde. Zudem haben die Aktivisten erwogen, ein "Kiss-in" an dem Strandabschnitt zu veranstalten. Der Chef des Bademeisters hat sich bei dem Paar entschuldigt. Torre del Lago gilt als ein "gay friendly" Touristenort.

Europa Italien Strand, Reuters

Quelle: Reuters

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Lieber Berge als Strand

Die Beliebtheit des Strandurlaubs geht deutlich zurück. In den vergangenen vier Jahren ist der Anteil derer, die den Urlaub in Italien am Meer verbringen wollen, von 76 auf 47 Prozent gesunken. Der Anteil derer, die in die Berge fahren ist zugleich von 12 auf 16 Prozent gestiegen.

Schwämme reinigen das Wasser

Schwamm drüber, heißt es in Rapallo. Dort läuft ein Versuch von Meeresbiologen vor der Küste, das Wasser durch die Ansiedlung von Schwämmen besser reinigen. Die zu den Gewebelosen zählenden Tiere können bis zu 50 Prozent der Bakterien absorbieren, wie die Forscher der Universität von Genua festgestellt haben. Sie siedeln sie auf Gerüsten unter Wasser an, die Bettgestellen ähneln. Nach den bisherigen Erfolgen sollen 26 weitere Plätze in Ligurien Schwämmen bekommen.

Strand in Ostia nahe Rom

Europa Italien Strand, apn

Quelle: apn

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Sex on the Beach

Fußballstar Francesco Totti hat seine Unschuld nicht auf dem Fußballrasen verloren. Sein erstes Mal sei am Strand von Tropea gewesen, bekannte er gerade in einem Radiointerview, und er sei zarte zwölf Jahre alt gewesen.

Wireless in der Sandburg

Kommunizieren ist die wichtigste Beschäftigung an einem italienischen Strand. Damit das noch besser geht, bieten Strandbäder oder Küstengemeinden jetzt immer öfter auch W-Lan-Zugang. Wer es sich in der Brandung nicht traut, kann also jederzeit zum Surfen ins Internet und den 300 engsten Facebook-Freunden mitteilen: Bin schön braun und gerade online ... W-Lan am Strand gibt es unter anderem in Lignano Sabbiadoro, Varazza, Imperia, Rimini, Ravenna, Cervia, Fiumicino, Lecce, am Lido von Venedig oder auf Sardinien. Teils ist der Zugang kostenlos, teils gegen Gebühr. Bei "Mané" im ligurischen Imperia hat man nicht nur drahtlosen Zugang ins Netz, das Bad hält auch ein paar Notebooks bereit.

© SZ vom 25.8.2010/dd
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