Städtereise: Moskau:Zuckerbäcker und Moderne

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Die Sprache ist fremd und auch die kyrillische Schrift scheint unlesbar. Und doch: In Moskau gibt es mehr Vertrautes als man denkt.

Das F sieht aus wie ein Strich mit zwei Ohren. Das H steht für N, das P für ein gerolltes R. Daran muss man sich in Moskau gewöhnen. Ohne zumindest minimale Kyrillisch-Kenntnisse wird die Orientierung schwierig.

Doch das ist auch schon die größte Hürde. Moskau kann für Westeuropäer erstaunlich vertraut wirken. Es ist wie ein Stückchen Westen in der Ferne - sieht man von bürokratischen Kapriolen und unverständlichen Speisekarten einmal ab.

Verirrt man sich wegen umgedeuteter Ps und Hs nicht im Straßen- und Metrogewirr? Und wie kommt man an den nachmittäglichen Kaffee und an Ballettkarten, wenn sich das eigene Russisch-Vokabular auf "spasibo" und "poshalsta" - "danke" und "bitte" - beschränkt? Kann man sich in der Stadt frei bewegen? Ja, man kann das alles - sogar sehr gut, vorausgesetzt man verfügt über einen ordentlichen Reiseführer und einen guten Stadtplan.

Im Stadtbild fallen zuerst die vielen großen, eleganten Frauen auf, die Schuhe tragen mit waghalsig hohen Absätzen. Dann fällt der Blick auf die breiten Straßen - Schneisen ist wohl der passendere Ausdruck, als teilten sie die Stadt in greifbare Häppchen. Für die Edelmeile Twerskaja wurden die Häuser in den 30er Jahren meterweit nach hinten versetzt; die Sowjets wollten mehr Platz haben.

Diese Hauptstraßen bieten Fremden Orientierung. Besucher lernen aber auch schnell: Planen sie im Laufe der weiteren Erkundung ihre Straße zu queren, sollten sie sofort die nächstmögliche Unterführung wählen - denn möglicherweise kommt so schnell keine zweite Chance. Die acht-, manchmal zehnspurigen Schneisen einfach so zu überqueren, ist angesichts von rund drei Millionen Autos, die in wahnwitzigem Tempo fahren, reiner Selbstmord.

Moskau ist ringförmig aufgebaut, der innerste Kreis umfasst vor allem den Kreml und den Roten Platz. Auf dem zweiten Kreis, dem Boulevard-Ring, kommt man zu wichtigen Sehenswürdigkeiten wie der Christ-Erlöser-Kathedrale oder zum Puschkin-Museum für bildende Künste. Innerhalb dieses Rings gibt es mehr als genug für eine Woche zu entdecken.

Am Roten Platz sammeln sich Touristengruppen um hochgehaltene Fähnchen. Ein Brautpaar, chauffiert von einer weißen Stretchlimousine, küsst sich vor der rot-grün-weiß-goldenen und fast orientalisch wirkenden Basilius-Kathedrale für ein Erinnerungsfoto. Uniformierte bewachen das marmorne Lenin-Mausoleum, das vor den verzierten Kremlmauern wie ein Fremdkörper wirkt. Ihm gegenüber liegt das Luxuskaufhaus GUM.

Sicherheitskontrollen am Kreml

In den Kreml kommt nur, wer Eintritt bezahlt und eine Sicherheitskontrolle passiert hat. Wie in vielen öffentlichen Gebäuden werden die Taschen durchleuchtet und Besucher gecheckt. Schon beim Eintritt sollte man sich überlegen, ob auch Rüstkammer und Diamantenfonds mit ihren Schätzen zur Besichtigung gehören sollen. Denn dafür wird ein Extra-Ticket notwendig, und die Museen öffnen nur viermal am Tag ihre Türen.

Als Regierungssitz sind weite Teile des Kremls für Besucher gesperrt. Das Ensemble aus dem achteckigen Glockenturm "Iwan der Große", der Erzengel-Michael-, Mariä-Himmelfahrts- und Mariä-Verkündungs-Kathedrale gibt aber auch so genug her.

Letztere war die Krönungskirche aller Zaren und ist mit ihren vergoldeten Kuppeln das berühmteste Bauwerk. Im Innenraum schnappt man unwillkürlich nach Luft - er ist über und über mit Fresken verziert, was ihn düster und in gewisser Weise auch eng wirken lässt.

Moderne Geschäfte und Coffee-Shops

Ganz anders auf den Straßen: In der Fußgängerzone Alter Arbat oder der Twerskaja reihen sich moderne Geschäfte aneinander, darunter viele westliche Marken. Junge Männer und Frauen laufen Hand in Hand oder sitzen in Coffee-Shops - neben "Starbucks" haben sich längst lokale Ketten wie das "Kofe-Haus" etabliert. Statt Tee aus dem Samowar gibt es hier Latte Macchiato oder Griechischen Salat.

Die Metro ist ein Meisterwerk. Steile Rolltreppen führen in eine Unterwelt, die statt schmaler Röhren prunkvolle Hallen aufbietet. "Paläste fürs Volk" wollten die Sowjets schaffen und schreckten auch nicht davor zurück, dort Marmor aus einer zuvor gesprengten Kirche zu verbauen. Und so warten die Moskauer zwischen stuckverzierten Decken und Wandreliefs, vor beleuchteten Buntglasscheiben und Mosaiken aus vielen tausend Einzelsteinchen.

Eine gewisse Gigantomanie lässt sich nicht nur in der Metro beobachten. Immer wieder stößt man auf ehrfurchtgebietend große Denkmäler wichtiger Personen. Gigantomanisch erscheinen auch die Sieben Schwestern - sieben monströse Bauten im russischen Zuckerbäckerstil, die von Stalin als Orientierungspunkte in der Stadt geplant waren. Die ehemaligen Wohnhäuser beherbergen heute unter anderem Hotels, Ministerien und die Moskauer Staatliche Universität.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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