Slackline-Profi Heinz Zak:Angst in der Pupille

"High" und "Line" haben zumindest in der Kletterszene nichts mit Kokain zu tun - aber durchaus mit einem Rausch, der sich einstellt, wenn man das Balancieren auf einem wenige Zentimeter breiten Band über dem Abgrund überstanden hat.

Hans Gasser

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(Foto: Heinz Zak auf der Zugspitze. Foto: Zak/BLV)

Die Worte "High" und "Line" assoziiert der durchschnittliche Großstädter vermutlich eher mit Kokainkonsum als mit einer Sportart. Dabei ist eine Highline im Jargon der Klettererszene nichts anderes als ein Seilband, das zwischen zwei Felsen, Bäumen oder Gebäuden über einen Abgrund gespannt wird. Dies hat den Zweck, dass mutige, manch einer mag sagen: lebensmüde Menschen über das Seil balancieren und sich auf der anderen Seite ziemlich "high" fühlen von all dem Adrenalin und Serotonin. Einer dieser Menschen ist Heinz Zak.

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(Foto: N/A)

Der österreichische Kletterer und Fotograf ist so etwas wie der Missionar des Slackline-Sports in Europa. Wie viele Trends kommt auch dieser aus den USA. Im Yosemite-Tal in Kalifornien begannen die Kletterer in den Siebzigern im Camp 4 wohl aus Langeweile, Seile zwischen Bäume zu spannen und zu balancieren - als Übung für Gleichgewicht und Konzentration. Zak war einer von ihnen, begann in Absprunghöhe über dem Boden und arbeitete sich immer höher, zu den Highlines.

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(Foto: N/A)

Jene am "Lost Arrow"-Pfeiler, die er als erster Europäer schaffte, verläuft fast 1000 Meter über dem Grund. Zwar ist er gesichert am Hauptseil, aber über einen so tiefen Abgrund zu balancieren, läuft den menschlichen Urinstinkten so dermaßen zuwider, dass es ihm anfangs schier unmöglich erscheint: "Ich versuche, zumindest an der Kante des Abbruchs zu stehen, einen Fuß auf die Leine zu setzen und mir vorzustellen, dass ich losgehe", schreibt Zak und wundert sich über seine rasende Angst: "Einfach losgehen, alles loslassen, in die gestellte Aufgabe eintauchen, wieso funktioniert das, was ich beim Klettern gut kann, hier absolut gar nicht?"

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(Foto: Zak/ BLV Buchverlag)

Er sieht unscharf, weil sich seine Pupillen aus Angst erweitern. 17 Meter lang ist das etwa fünf Zentimeter schmale Band. "Just do it, Heinz", ruft ihm sein Freund und Ober-Slackliner Dean Potter zu. Bei den ersten Schritten zittert die Leine, droht ihn abzuwerfen. "Bleib ruhig Heinz, vergiss nicht zu atmen", sagt er sich. Der Atem sei die einzige Quelle der Ruhe in "diesem Sturm der Gefühle". Er geht weiter, wird ruhig. "Ich merke, dass keine Angst mehr in mir ist, bemerke den leisen, nach Schnee riechenden Wind." Mit einem "Urschrei der Erleichterung" erreicht er den kleinen Felsabsatz: "Die Freude hat an diesem Tag kein Ende."

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(Foto: Zak/ BLV Buchverlag)

Die Worte, die die besten Slackliner in dem Buch über ihre Grenzgänge verlieren, sind oft unzulänglich, häufig pathetisch. Die Fotos der Highlines reichen zuweilen schon, um als Leser ein flaues Gefühl im Magen zu bekommen: ein winziges Männchen auf einem kaum sichtbaren Seil, darunter nichts als Luft.

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(Foto: Zak/ BLV Buchverlag)

Wenn man dann noch sieht und liest, dass so ein Männchen, zum Beispiel Dean Potter, ohne Sicherung 1000 Meter über dem Yosemite-Tal balanciert, dann wird die Sport- zur Mordart, zumindest gedanklich. Ganz wenige Ausnahmekönner wie Potter oder Mich Kemeter schaffen es, sich in schier tranceartige Konzentration zu versetzen und die Urangst zu bewältigen. Kemeter spricht von "Flowzustand" und "höheren Sphären".

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(Foto: Coverfoto: Zak/ BLV Buchverlag)

Potter schreibt, er habe gleich nochmal drübergehen wollen, nachdem er es geschafft hatte, sich aber der Worte eines Freundes erinnert: "In dem Augenblick, in dem du denkst, dass dich nichts aufhalten kann, musst du dir selbst sagen: Ich habe genug!" HEINZ ZAK: Slackline am Limit. BLV Buchverlag, München 2011. 160 Seiten mit 190 Farbfotos, 29,95 Euro.

© SZ vom 27.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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