Rotterdam:Party an der Maas

Größter Hafen Europas, viele Kunsttempel und eine ganz besondere Architektur: Für eine Reise nach Rotterdam gibt es schon tagsüber gute Gründe. Am Abend geht es dann richtig los.

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Wer in Holland A sagt, sollte unbedingt auch R sagen. Denn das A wie Amsterdam ist trotz seiner Grachten, der putzigen Kirchtürme, Coffee-Shops und Rotlichtviertel längst nicht alles, was das Königreich einem Städtereisenden zu bieten hat. Es gibt auch ein anderes Holland - ein hypermodernes, junges, lautes, trendiges, ja avantgardistisches. Um es zu erleben, reicht es aus, am Ticketautomaten auf dem Amsterdamer Hauptbahnhof "R" wie Rotterdam zu tippen und 13,50 Euro zu löhnen - und nach gut einer Fahrtstunde taucht man ein ins Leben einer der aufregendsten Hafenstädte Europas.

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Die zweitgrößte Stadt der Niederlande ist zwar auch ohne den Umweg über Amsterdam eine Reise wert. Aber Rotterdamer lieben nun mal den Vergleich mit der eleganten Hauptstadt weiter nördlich und kultivieren die Konkurrenz. Man muss nicht erst den Fußballklassiker Feyenoord Rotterdam gegen Ajax Amsterdam erleben, um zu begreifen, wie die Mischung aus gegenseitiger Ab- und Zuneigung aussieht, die man auch eine Hassliebe nennen könnte. Holland-Plaudereien mit Einheimischen bei ein paar "Biertje" oder "Wijntje" in Rotterdams angesagtem Café "De Witte Aap" werden rasch leidenschaftlicher, wenn der Fremde durchblicken lässt, er komme gerade aus Amsterdam. Oder - schlimmer noch - er wolle demnächst dorthin weiterreisen.

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"Wir mussten uns halt alles ein wenig härter erarbeiten als die Amsterdamer", sagt Jesse Kazemier. Der junge Bootsbauer ist im Oude Haven anzutreffen, einer der beliebtesten und bemerkenswertesten Ecken der Stadt. Denn hier verschmelzen holländische "Gezelligheid" (Gemütlichkeit) mit der Kühnheit, für die das ganze Land durch seine Seefahrer berühmt wurde: Kuschelige Cafés stehen vor der mutigen, kantigen Architektur der Kubushäuser, die der Architekt Piet Blom hier 1984 hinsetzte. Unter freiem Himmel frönt Jesse Kazemier an Wochenenden seiner Leidenschaft, Kanus in traditioneller Handarbeit herzustellen. Gern gibt er auch Touristen Auskunft, aber eine Pause macht er dafür nicht. "Schließlich sind wir in Rotterdam", sagt Jesse. "Unser Motto lautet 'Niet lullen maar poetsen!'" - frei übersetzt: "Nicht labern, sondern rackern". In Rotterdam, so sagt man, werden Hemden immer gleich mit aufgerollten Ärmeln verkauft. Diese Macher-Mentalität war es, die Rotterdam nach oben brachte in der Blütezeit der weltweiten Handelsexpansionen. Sie trug maßgeblich zum Wachstum der Stadt bei - neben der idealen Lage unweit der Nordsee und an der Maas, die über ein verzweigtes Netz von Flüssen mit Rhein und Waal weite Teile Europas mit Rotterdam verbindet. So ist es kein Wunder, dass Fleiß und ein gesunder maritimer Geschäftssinn hier den mit Abstand größten Hafen Europas heranwachsen ließen. Erkunden können ihn Besucher bei Touren mit einem der modernen Spido-Boote oder auch ganz niederländisch bei Radwanderungen entlang der Kais, für die man aber angesichts der schieren Größe des Geländes mindestens einen halben Tag einplanen sollte.

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"Niet lullen maar poetsen" - es war auch diese "angeborene" Einstellung, die den Rotterdamern half, schwere Zeiten nach den verheerenden Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg nicht nur zu überstehen, sondern wie Phönix aus der Asche daraus hervorzugehen. Rund 70 Jahre ist es her, dass die deutsche Luftwaffe die zweitgrößte Stadt der Niederlande innerhalb weniger Tage in Schutt und Asche legte und das Königreich an der Nordsee damit zur Kapitulation zwang. "Aus der Not hat Rotterdam nach Kriegsende eine Tugend gemacht", sagt der junge Architekt Marcel Geerding. "Die Zerstörung wurde als Möglichkeit gesehen, unsere Stadt als moderne weltoffene Metropole neu zu erfinden. Von den Stadtvätern gefördert, und dank großer Talente wie Rem Koolhaas wurde Architektur neben dem Hafen zu einem zweiten Standbein. Rotterdamer Bauplanung ist ein Exportschlager." Würfelhäuser, entworfen von Piet Blom

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Gern führt Geerding - im Nebenjob für das Tourunternehmen ArchiGuides - Touristen zu den städtebaulichen Glanzlichtern seiner Heimatstadt. Man muss kein Liebhaber moderner Architektur sein, um Bauten zu bewundern, die Fachleute aus aller Welt nach Rotterdam locken. Die Palette reicht von der ikonenhaften und nach einem der größten Söhne der Stadt benannten Erasmus-Brücke über das World Port Center von Sir Norman Foster, die "schräge" Zentrale des Telekom-Konzerns KPN von Renzo Piano, den Riesenturm "Montevideo" des niederländischen Büros Mecanoo bis hin zu den beiden neuesten Wolkenkratzern, dem "New Orleans" von Alvaro Siza und dem "Rotterdam" von Rem Koolhaas. Die Riesen rahmen das altehrwürdige Jugendstilhotel "New York" ein, einst das Hauptquartier der Holland-Amerika-Linie. Sicher hat Rotterdams Kühnheit auch damit zu tun, dass die Stadt wie kaum eine andere in Europa von Anfang an mit dem aufstrebendem Amerika verbunden war. Von Delfshaven aus - dem romantisch-gemütlich Hafenviertel, das einst zur nahe gelegenen Stadt Delft des Malers Jan Vermeer gehörte - begannen 1620 die Pilgerväter ihre Überfahrt in die Neue Welt. Rotterdams Beiname "Manhattan an der Maas" spielt also nicht allein auf seine Hochausarchitektur an. KPN-Zentrale, entworfen von Renzo Piano (im Bild rechts)

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Der schönste Anfang für eine Erkundung der Wassermetropole ist der gute alte Euromast. Der 1960 zur Eröffnung der Gartenschau Floriade fertiggestellte Aussichtsturm punktet im europäischen Vergleich nicht unbedingt mit überragender Höhe - es sind 185 Meter bis zur Spitze. Aber die Lage ist traumhaft, mit Blicken bis zur Nordsee. Die zwei Luxussuiten in der Turmspitze sind ein Renner bei Paaren, die ihre Hochzeitsnacht in luftiger Höhe verbringen möchten. Unten geht man am besten zum nahen Pier der Wassertaxis. Diese oft von alten Hafenarbeitern gesteuerten, gelb-schwarzen Flitzer rasen in einem Wahnsinnstempo über Rotterdams Wasserstraßen. Vorbei geht es an Fähren, Fahrgastschiffen, Segeljachten, Schleppkähnen und einer neuen Generation von Amphibienfahrzeugen - den schwimmenden Bussen von "Splashtours", die auf Asphalt- und Wasserstraßen einsetzbar sind. Ein häufiges Ziel der Wassertaxi-Kunden ist ein Ozeandampfer. Die "SS Rotterdam" beförderte seit 1958 gut betuchte Gäste nach New York und später bei Kreuzfahrten zu exotischen Zielen. Zu den ersten Passagieren gehörte die damalige Kronprinzessin und spätere Königin Beatrix. "Schon heute auf dem Schiff von morgen reisen", lautete einst der Werbeslogan. Nach einer millionenschweren, sorgsamen Renovierung, bei der glücklicherweise die Kabineneinrichtung der 1950er Jahre aufgemöbelt statt entfernt wurde, liegt der gestrige Stolz der Holland-Amerika-Linie für immer fest vertäut schräg gegenüber vom Euromast am Kai: als Hotel, Museum, Gastronomie- und Partytempel. Im Hintergrund: Stammhaus der Holland-Amerika-Linie

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Rotterdam Is Many Cities" lautete das Motto, als die Metropole vor rund zehn Jahren Kulturhauptstadt Europas war - eine Anspielung darauf, dass hier Menschen aus mehr als 150 Nationalitäten leben. Einen kleinen, aber dafür besonders lebhaften Ausschnitt aus der Multikultiszene bietet die Bar- und Gourmetmeile Witte de Withstraat. Praktischerweise liegt sie neben dem Museumsviertel, so dass zwischen Kunstgenuss und "Biertje" nur ein paar Minuten Fußweg liegen. Man kann hier auch Kroketten oder "Bitterballen" probieren - mit ihren nie ganz klar definierbaren Ragoutfüllungen, wie sie die Niederländer so lieben. Aber man muss nicht. Die Restaurantauswahl reicht von erstklasiger italienischer Küche im "Oliva" - mit einem Drei-Gänge-Überraschungsmenü für 35 Euro - über Imbissgerichte aus surinamischen oder indonesischen Kochstuben bis hin zum türkisch-libanesisch-marrokanisch geprägtem "Bazar" mit herrlichen Couscous-Gerichten für rund 13 Euro. Die Clubbing-Szene der Stadt trägt maßgeblich dazu bei, dass Rotterdam als Metropole der Jugend und immerwährenden Dance-Floor-Innovation gilt. Zu den Hotspots gehören die Großraumdisco "Off Corso" oder der Live-Band-Club "Rotown". Auch hier gilt: Man schaut mit einem Auge nach Amsterdam, um es möglichst immer noch eine Spur toller zu machen. Dem ständigen Drang nach Neuem war 2008 auch die Eröffnung der ersten "Öko-Disco" der Welt zu verdanken. "We want your energy" heißt der Slogan des "Club Watt", in dem ein Teil des Energiebedarfs durch die Gäste erzeugt wird, indem sie die elektromechanische Tanzfläche möglichst kräftig bearbeiten. Wie viel das Stampfen gerade bringt, zeigen Leuchtdioden neben der Bühne an. Auch hier heißt es also: "Niet lullen maar poetsen!".

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Informationen: Rotterdam ist die zweitgrößte Stadt der Niederlande und liegt rund 30 Kilometer von der Nordseeküste entfernt in Südholland. Anreise: Rotterdam ist über Autobahnen von Deutschland aus gut zu erreichen. Vom Ruhrgebiet und Rheinland aus geht es zum Beispiel zunächst über die deutsche Autobahn A40 bis Venlo und dann über Eindhoven, Breda und Dordrecht in die Hafenmetropole. Weiter nördlich führt eine Route über Arnheim, Utrecht und Gouda. Rund 70 Kilometer nördlich von Rotterdam liegt der Flughafen Amsterdam-Schiphol, der von mehreren deutschen Städten aus täglich angeflogen wird. Geld: In den Niederlanden wird mit Euro bezahlt. Sprache: Niederländisch. Englisch wird fast überall verstanden, viele Niederländer sprechen außerdem Deutsch. Weitere Informationen: Niederländisches Büro für Tourismus, Postfach 27 05 80, 50511 Köln (E-Mail: info@niederlande.de); Tourist Information Rotterdam (Tel. von Deutschland: ++31/10/271 01 20).

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