Reisen in Problem-Länder:Diktatur-Stempel im Urlaubskatalog?

Lesezeit: 2 min

Politik und Reisebranche streiten über eine Hinweispflicht zur Menschenrechtslage - und darüber, wie Touristen und Touristiker mit Urlaubszielen in der Krise wie Ägypten umgehen sollen.

Monika Maier-Albang

Das Thema ist heikel, das merkt man schon daran, dass der Büroleiter des Abgeordneten während des Gesprächs im Zimmer bleibt und mithört, damit bloß kein falsches Wort zitiert wird. Denn falsch wiedergegeben worden sei er bereits, sagt Klaus Brähmig, CDU-Abgeordneter und Vorsitzender des Tourismusausschusses im Bundestag. Brähmig hatte jüngst unter Bezugnahme auf Ägypten an die Reisenden appelliert, sich Gedanken darüber zu machen, ob Urlaub in einem Land sinnvoll sei, das Minderheiten drangsaliert.

Touristen spazieren auf der Straße der Menschenrechte in Nürnberg. Wie es um die Menschenrechte in Reiseländer bestellt ist, dürfe der Tourismusindustrie nicht gleichgültig sein, fordern Politiker. (Foto: dpa)

Er habe, sagt er jetzt, nur sensibilisieren wollen für die Menschenrechtslage in dem Land am Nil, in dem die christliche Minderheit um ihre Sicherheit bangt, in dem Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung "in Käfigen" vorgeführt würden. Eine Empfehlung, nicht nach Ägypten zu fahren, sei dies aber keinesfalls.

Nun ist Ägypten nicht irgendein Land. Es ist das diesjährige Partnerland der ITB, der weltweit größten Tourismusmesse, die dieser Tage in Berlin stattfindet. Die herausgehobene Stellung Ägyptens war schon beschlossene Sache, bevor abzusehen war, wohin das Land politisch steuert - bevor die Muslimbrüder bei den Wahlen Erfolg hatten, bevor Schauprozesse gegen Nichtregierungsorganisationen eingeleitet wurden. Sollte man Ägypten deshalb den Partnerstatus entziehen?

Auf die Einnahmen angewiesen

Es sei, so betont des Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Jürgen Büchy, angesichts des ohnehin dramatischen Gästerückgangs in dem vom Tourismus so abhängigen Land "umso wichtiger, dass wir als Reisebranche jetzt zu Ägypten stehen". Von Reisen dorthin abzuraten, sei "unverantwortlich" - viele Menschen seien auf die Einnahmen angewiesen. Mit Urlaubsverzicht "wäre keinem geholfen". Aber zum Boykott will Brähmig auch nicht aufgerufen haben.

Missverständnis hin oder her: In jedem Fall hat der Abgeordnete mit seinen Äußerungen eine Debatte darüber angestoßen, wie die Reisebranche mit Ländern umgeht, die autoritär regiert werden, mit Ländern, in denen wie in Ägypten Reformer und Islamisten um die Vorherrschaft ringen. Länder, in denen es Korruption gibt, Kinderprostitution, Verfolgung aus religiösen Gründen. Es sei Aufgabe der Politik, argumentiert Brähmig, der Tourismusindustrie auch unangenehme Fragen zu stellen.

Reisen nach Myanmar
:Urlaub in der Zwickmühle

In Myanmar steht nicht nur der demokratische Prozess ganz am Anfang, sondern auch der Tourismus. Viele Urlauber sind im Zwiespalt: Unterstützen sie mit ihrem Besuch wirklich die Menschen im Land - oder stärken sie die vom Militär dominierte Regierung?

Daniela Dau

Anfang März hatten Abgeordnete von CDU/CSU und FDP sowie die SPD-Fraktion Anträge in den Bundestag eingebracht, die erstaunliche Parallelen aufweisen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Druck auf die Reisebranche zu erhöhen, damit diese nicht mehr stillschweigend hinnimmt, wenn in Ländern, mit denen sie Geschäftsbeziehungen pflegt, Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Die SPD hatte in ihrem - abgelehnten - Antrag sogar empfohlen, "Sanktionsmechanismen gegen Unternehmen einzuführen, die Menschenrechte verletzen oder deren Verletzung billigend in Kauf nehmen".

Brähmig indes plädiert dafür, dass Reiseveranstalter künftig in ihren Katalogen und Internetauftritten die jeweilige Menschenrechtslage im Urlaubsland kennzeichnen - basierend auf einer Einschätzung des Auswärtigen Amtes. Die Kennzeichnung könnte helfen, die Urlauber aufzuklären über das Land, das sie bereisen wollen, hofft er. Der Reiseverband lehnt eine solche Kennzeichnung ab. Von einem "Diktatur-Stempel" halte er nichts, kontert DRV-Präsident Büchy.

Keine Konfrontation um jeden Preis

Und wollen die Urlauber diese Aufklärung überhaupt? Oder wollen sie vor allem eines: günstig reisen? Kann sein, dass viele nur auf den Preis schauen, räumt Brähmig ein. Aber so müsse es ja nicht bleiben. Aus dem mündigen Bürger könne sehr wohl ein mündiger Urlauber werden. Dafür nimmt Brähmig Ärger mit dem Reiseverband auch gern in Kauf. Konfrontation scheut der Abgeordnete ohnehin nicht, der in der DDR aufgewachsen ist, sich schon als junger Mann gegen die Jugendweihe und für die Konfirmation entschieden hatte und deshalb nicht aufs Gymnasium gehen durfte.

"Wer 32 Jahre Diktatur erlebt hat, sieht manche Dinge eben anders als der Mainstream", sagt Brähmig. Konfrontation um jeden Preis will er aber nicht. Vielmehr müsse man gemeinsam mit der Tourismusindustrie "nach Wegen suchen", wie die Menschenrechte gewahrt werden können, "ohne dass Reiseveranstalter das als geschäftsschädigend" sähen.

© SZ vom 08.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: