Namibia:Carving auf dem Matterhorn aus Sand

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Dünen, soweit das Auge reicht und am Horizont das Meer. Schnee gibt es hier keinen. Aber Skifahren geht auch mitten in der Wüste. Man muss nur ein bisschen üben.

Bernhard Santer

Wenn Henrik May nach einem erfüllten Skitag vom Matterhorn nach Hause kommt, leert er als erst einmal seine Skischuhe aus. Auf dem Boden bleiben zwei Häufchen Sand zurück. May lebt in Namibia, und "Matterhorn" nennen die Einheimischen eine der größten frei zugänglichen Dünen an der Atlantikküste.

Skifahren mal anders - mitten in der Wüste in einem Meer aus Sand. Ein bißchen fühlt es sich an wie Tiefschnee fahren. (Foto: Foto: Bernhard Santer)

Sein Hobby hat der gebürtige Thüringer mittlerweile zur Touristenattraktion ausgebaut. Die Fahrt vom Sophia Dale Restcamp, das Henrik mit seinem Bruder und seiner Mutter wenige Kilometer vor Swakopmund betreibt, zum "Matterhorn" dauert nur wenige Minuten, endet mitten in der Wüste, direkt vor der Düne. 114 Meter ist das sandige "Matterhorn" hoch - und erinnert tatsächlich entfernt an seinen felsigen Namensvetter in der Schweiz.

Mit den Spitzen in den Sand

Der Lift? May lacht, zieht sich die Skischuhe an, schultert die Bretter und stapft los. 114 Höhenmeter, immer entlang des Grates gen Gipfel. "Gutes Training ist das", meint er und erklärt, wie man am besten und Kraft schonendsten geht: die Skischuhe mit den Spitzen in den losen Sand einschlagen, kleine Schritte machen und tief atmen.

So sei es nicht ganz so anstrengend, sagt er und erzählt ohne Punkt und Komma von seiner Ankunft in Namibia vor sechs Jahren, der Renovierung des Camps, seinem ersten Skitag im Oktober 2002 und der Idee, das Ganze für Touristen anzubieten. Ich höre gespannt zu und keuche ab und an eine Frage.

Am Horizont der Atlantik

Sanddünen, soweit das Auge reicht - und ganz hinten am Horizont der Atlantik. (Foto: Foto: Bernhard Santer)

Fast 20 Minuten später lässt er seinem Gast dann den Vortritt, als der Weg abrupt an einer Kante endet und sich ein atemberaubender Blick auftut: Sanddünen, soweit das Auge reicht, und ganz hinten am Horizont der Atlantik. Weit unten ist das Auto als kleiner weißer Fleck im gelben Sand auszumachen. Passend wie ein Kühlschrank am Polarkreis stecken die Skier im Sand.

"Die Bedingungen sind optimal heute", meint May und drückt seine Schuhe in die Bindung: Obenauf wenige Zentimeter trockener, loser Sand, gefolgt von einer vom Morgennebel feuchten Schicht, und darunter wiederum loser Riesel. "Es ist wie Tiefschnee fahren", erklärt May.

Ein bisschen Rückenlage - die Bindung ist relativ weit hinten am Ski angebracht -, dann einige Meter Schuss zum Schwung holen, so wenig Kanteneinsatz wie möglich und schon kann man Schwünge ziehen. Bis ich richtig begreife, dass es tatsächlich funktioniert, ist der Fuß der Düne erreicht. Waren es zehn Sekunden? 15 Sekunden? Ungläubig betrachte ich die Spuren im Hang.

May hat seine Skier bereits wieder geschultert und geht erneut los. Er erzählt während des Aufstiegs von seinen mittlerweile 15 Paar Skiern und Skischuhen, die er sich im Laufe der Zeit von Freunden und Bekannten aus Deutschland mitbringen ließ.

Praktisch verschleißfrei

Besonders stolz ist er auf die drei nagelneuen Paar Head-Carver, die ihm der Hersteller vor wenigen Wochen per Paket schickte - umsonst. ,,Zum Glück geht der Verschleiß beim Dünenskifahren gegen Null", meint May. Vorher wird ein hartes Wachs aufgetragen, anschließend der feine Sand mit klarem Wasser abgewaschen.

Zum zweiten Mal ist der Gipfel erreicht, die Oberschenkel brennen. ,,Da unten an der Traverse lässt es sich hervorragend springen", ruft May noch, stürzt sich die Düne hinab und reißt in der Luft die Beine weit auseinander.

Und wieder und wieder

Ein drittes Mal geht es den Sandberg hoch. Diesmal gönne ich ihm fast eine halbe Stunde, dass er von seiner Zeit als Leistungssportler in der DDR erzählen kann: Nordische Kombination, bei Wettkämpfen gegen Sven Hannawald gesprungen, Sportschule Oberhof, harter Drill, Mörderkondition antrainiert. Aber die Leidenschaft sei schon immer alpiner Skilauf gewesen. "Ist nicht so anstrengend." Keine Fragen mehr.

Der vierte Aufstieg grenzt an autoaggressives Verhalten, Mays Zukunftsvision von Quad-Bikes als Liftersatz an psychologische Folter. Die Abfahrt entlohnt die schweißtreibenden Mühen aufs Neue. Den fünften Aufstieg macht May alleine. In zehn Minuten ist er oben - und erklärt zehn Sekunden später, dass er die nächsten Wochen sein Training doch noch intensivieren müsse. Im Sande.

Das Sophia Dale Restcamp liegt an der B2, zwölf Kilometer vor Swakopmund im Swakop-Rivier. Es bietet Zeltplätze (N$ 50) und Bungalows verschiedener Größen und Preiskategorien (N$ 150 bis N$ 400; Familienbungalow N$ 400 bis N$ 600). Der Skiausflug kostet N$ 200 pro Person und dauert entsprechend der Kondition der Gäste. Neben alpinem Skilauf vom ,,Matterhorn" werden auch geführte Langlauf-Skiwanderungen durch die Wüste angeboten. Infos: www.sophiadale.com und www.ski-namibia.com; Kontakt: (064) 403264 oder sophia@mweb.com.na.

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