Essen im Flugzeug:Wer die Wahl hat

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Viele Fluggesellschaften bieten lediglich Snacks an, ein richtiges Menü muss der Passagier selbst zahlen. Dazu wären allerdings viele bereit. (Foto: Photocase.com)

Flugreisende sind den oft unzumutbaren Speisen an Bord hilflos ausgeliefert. Dabei wollen Passagiere selbst bestimmen, was sie essen. Erste Airlines reagieren.

Von Lea Heidenreich

Hühnchen oder Pasta? Die Auswahl zwischen zwei matschigen Fertigmenüs in Plastikschalen war lange Zeit trauriger Standard beim Flugzeugessen. Auf Internetseiten wie airlinemeals.net klagen Passagiere über unzumutbare Speisen; unter den Fotos, die sie dort hochladen, stehen nicht selten Kommentare wie: "Ich glaube, das war Lachs, hoffentlich."

Viele, die mit dem Flugzeug verreisen, essen sich da schon lieber vorher satt oder nehmen sich belegte Semmeln im Handgepäck von zu Hause mit.

Das Menü im Flugzeug ist besonders deshalb ein wichtiges Thema, weil man ihm meist hilflos ausgeliefert ist. Dabei achten die Deutschen sehr wohl darauf, was sie essen: Einer Studie der Techniker Krankenkasse zufolge wählen 35 Prozent der Deutschen ihre Kost maßgeblich danach aus, dass sie gesund ist - und 45 Prozent danach, dass es gut schmeckt. Beide Kriterien sind beim Flugzeugessen in der Regel selten erfüllt. Laut einer Umfrage der Flugsuchmaschine skyscanner.de wünschen sich 63,7 Prozent aller Passagiere gesundes Essen an Bord - also Salat, Gemüse oder Suppen.

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Auch das Essen trennt im Flugzeug die First Class von der Touristenklasse. Im Internet zeigen und bewerten Passagiere die ekligsten und leckersten Menüs.

In der Realität sieht das oft anders aus: Die Pasta ist sowieso weg, bis man drankommt. Und ob man statt der Kartoffelpampe zum Hühnchen eine frische Gemüsebeilage bekommen könnte? Eine unerfüllbare Anfrage.

"Dabei ist so ein Service in Restaurants doch schon seit Jahrzehnten normal", sagt Janis Vanags, Pressesprecher von Air Baltic. Dass eine individuelle Zusammenstellung des Essens auch im Flugzeug möglich ist, will die lettische Fluggesellschaft nun beweisen. Seit Oktober bietet Air Baltic ein neues Catering-System an. Es ermöglicht dem Reisegast, bis zu 48 Stunden vor dem Abflug im Internet ein Essen vorzubestellen. Reservierungen von Menüs sind bei Billigfliegern längst verbreitet.

Neu hingegen ist die Vielfalt, die Air Baltic bei der Zusammenstellung des Essens bietet. Dem Kunden stehen 70 verschiedene Hauptgerichte, Beilagen und Nachspeisen zur Auswahl, zum Beispiel Pfannkuchen mit frischen Früchten, gegrillte Riesengarnelen mit Linguine oder Sushi-Röllchen mit Lachs. Diese werden auf appetitlich aussehenden Fotos präsentiert, die der Fluggast per Mausklick auf dem digitalen Tablett anordnen und kombinieren kann. Man wolle, sagt Vanags, den Kunden "humaneres Essen" auch in der Luft anbieten.

Das Essen müssen die Passagiere zusätzlich zum Flugticket bezahlen, die Preise liegen zwischen acht und 25 Euro. Für Low-Budget-Airlines wie Air Baltic sind solche zusätzlichen Einnahmen wichtig, um die Ticketpreise niedrig halten zu können. Die Kunden scheinen sich über die Auswahl zu freuen, die Nachfrage nach Essen auf den Flügen ist Vanags zufolge angestiegen. Allerdings bleibt der Gast in der Regel noch beim Vertrauten: Lachs und Huhn.

So viel Auswahl wie bei den Letten gibt es bei der deutschen Konkurrenz nicht. Josefine Corsten, Sprecherin der LSG Sky Chefs, des größten Cateringanbieters für Fluggesellschaften, glaubt aber, dass das Beispiel Schule machen könnte. Die LSG versorgt mehr als 300 Airlines auf der ganzen Welt mit Flugzeugmahlzeiten, die meisten davon bieten bisher nur festgelegte Standardmenüs an. "Durch die Internationalisierung des Flugmarktes sind die Ansprüche der Reisenden gestiegen", sagt Corsten. Dadurch habe auch das Essen für die Airlines wieder eine größere Bedeutung erlangt, "als Differenzierungsmerkmal, das von der Konkurrenz abhebt".

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Eine neuseeländische Airline schickt Elfen und Hobbits, um die Sicherheitshinweise zu erläutern, in manch britischem Flugzeug erscheinen Warnhinweise vor romantischen Filmen, um sensible Passagiere vor Tränen zu schützen. Andere Fluggesellschaften haben selbstgestickte Zierdeckchen oder einen Kuss vom Kapitän im Angebot: Mit welchen Wohlfühl-Exzessen Airlines ihre Passagiere quälen.

Nach dem 11. September 2001 hatte die ganze Branche mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Nicht selten führte der Kostendruck dazu, dass beim Catering gespart wurde. "In den vergangenen fünf bis zehn Jahren ist die Qualität der Menüs aber wieder gestiegen", sagt Josefine Corsten. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Fluggesellschaften deswegen viel mehr für das Essen ausgeben. Die Budgets, mit denen die LSG Sky Chefs arbeiten, seien in etwa gleich geblieben.

Was die Herstellung eines Flugzeugessens tatsächlich kostet, will keine Airline verraten. Einschätzungen von Experten besagen, dass auf Langstreckenflügen großer Airlines Essen und Getränke in der First Class mehr als 100 Euro kosten, in der Business-Class um die 30 Euro und in der Economy-Class weniger als zehn Euro.

Air Baltic bietet im Vergleich zum Durchschnitt zwar eine besonders große Auswahl, hat aber auch nur 25 Flugzeuge zu versorgen. Einen höheren organisatorischen Aufwand haben hingegen die großen, traditionellen Fluggesellschaften wie die Lufthansa, zu deren Flotte Hunderte Maschinen gehören.

Bei der Lufthansa legt man Wert auf die Exklusivität des Essens in den teureren Klassen, statt Vorbestellungen für alle Kunden anzubieten. "In der Economy- Class werden die Menüs neutral gehalten, damit sie möglichst allen Passagieren schmecken", sagt Josefine Corsten. Für die Business und First Class engagiert die Lufthansa hingegen Starköche.

Serviert wird das Essen auf Porzellantellern, und auch der Kaviarservice gehöre "einfach dazu". Dem Normalverbraucher in der Economy-Class bleibt, wenn er nicht das vegetarische Menü vorbestellt, die Wahl zwischen Rind oder Hühnchen.

Premium-Mahlzeiten zum Sandwich

Generell sind es vor allem die günstigeren Airlines, die ihre Kunden das Essen vorher aussuchen lassen und gegen Bezahlung an den Platz bringen. Ryanair und Easyjet bieten nur kleine Snacks zum Verkauf an.

Auf Charterflügen der Condor können Premium-Mahlzeiten zusätzlich zum regulären Sandwich bestellt werden. "Wir haben etwa 150.000 Zubuchungen im Jahr", sagt Michael Lins, Leiter des Borddienstes der Condor. Noch müssen Passagiere das Essen zwei Tage im Voraus ordern. Condor plant eine Bestellung am Flughafen, die auch noch 45 Minuten vor dem Abflug aufgegeben werden kann.

Bei Condor hat man ähnlich wie bei der lettischen Airline bemerkt, dass die Kunden immer mehr Wert auf Wahlmöglichkeiten beim Essen legen. Seit zwei Monaten bietet der Charterflieger daher sogar ein veganes Menü an - gegen einen Aufpreis von sieben bis 15 Euro, denn die Logistik, die die Wahl möglich macht, kostet. Nur in den teureren Klassen ist die Auswahl des Hauptgangs im Ticketpreis inbegriffen.

Ähnlich wie bei der Lufthansa nimmt man dafür in Kauf, dass auf den Flügen mehr Essen mitgenommen als verzehrt wird - auch das verursacht Kosten. Bei Condor fliegen für 18 Gäste in der Business-Class 28 Essen mit, um eine Auswahl zu garantieren. Was übrig bleibt, muss entsorgt werden. "Gegen den Begriff 'wegwerfen' wehren wir uns", sagt Michael Lins, aber das ändert nichts daran, dass das überflüssige Essen eben doch in der Tonne landet. Durch Vorbestellungen könnte das vermieden werden.

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Doch noch sind die Kunden mit der Planung ihres Menüs zögerlich. Air Berlin bietet schon seit längerer Zeit eine Kooperation mit dem Restaurant Sansibar auf Sylt an. Passagiere können Gerichte wie Currywurst, Flammkuchen oder Ente mit Bratapfel im Internet bestellen oder während des Fluges kaufen. Die meisten entscheiden sich spontan an Bord. Nach Angaben von Air Berlin wurde im vergangenen Jahr nur ein Viertel des Bord-Essens im Internet vorbestellt.

Bei Germanwings, einer Tochter der Lufthansa, gibt es kein System, das eine Vorbestellung von Essen vor dem Abflug ermöglicht. Stattdessen findet ein Bordverkauf statt, bei dem Kunden Snacks erwerben können. Germanwings übernimmt bis 2014 wesentliche Teile der Deutschland- und Europaflugstrecken der Lufthansa. Es gibt dort keine Klassen mehr, sondern drei Tarife.

Im teuersten erhalten Passagiere das Essen inklusive, in den günstigeren müssen sie es extra bezahlen. Die Flugbegleiter erhalten für jedes verkaufte Essen eine Provision. Das fördere die Kommunikation zwischen Flugbegleitern und Passagieren, heißt es aus dem Unternehmen.

© SZ vom 14.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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