Erlebniszentrum in Belfast eröffnet:So roch die Titanic

Ein Museum will das neu eröffnete "Titanic Belfast" nicht sein, sondern ein Erlebniszentrum, das alle Sinne anspricht. Und sich nicht nur mit der Katastrophe des Luxusliners beschäftigt.

Daniela Dau

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(Foto: Titanic Belfast)

Ein Museum will das neu eröffnete "Titanic Belfast" nicht sein - sondern ein Erlebniszentrum, das alle Sinne anspricht und sich nicht nur mit der Katastrophe des Luxusliners beschäftigt. Schräg und scharfkantig ragen die Ecken des Gebäudes an der Meeresmündung des Flusses Lagan in Belfast in die Luft. Nicht von ungefähr erinnert die Konstruktion an einen Schiffsbug: An gleicher Stelle lag die Werft Harland & Wolff, in der das damals weltgrößte Passagierschiff Titanic bis 1911 gebaut und ausgestattet wurde. Heute erinnert dort das neu eröffnete Erlebniszentrum "Titanic Belfast" an den Untergang des Luxusliners - viel mehr aber noch an die Ingenieursleistung und handwerkliche Arbeit, die den Bau der Titanic erst möglich gemacht haben. Text: Daniela Dau

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(Foto: AP)

"Was der Titanic passierte, war eine Katastrophe", sagt Tim Husbands, Geschäftsführer von "Titanic Belfast". "Doch die Titanic selbst war keine Katastrophe. Ihre Handwerkskunst war ein Symbol der Industrie in dieser Zeit. Ein Symbol des Ehrgeizes, ein Symbol der Hoffnung." RMS Titanic läuft in Southampton zur Jungfernfahrt aus.

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(Foto: Titanic Belfast)

Für die Außenfassade hat Architekt Paul Crowe rund 3000 verschiedene Aluminiumplatten anfertigen lassen, die fast wie Eisberg-Kanten wirken. Von weitem gesehen spiegeln sie das Licht in unzähligen Facetten und lassen das Gebäude seltsam entrückt erscheinen. 97 Millionen Pfund (etwa 115 Millionen Euro) hat der Ausstellungsbau, der sechsstöckig und genau so hoch wie der Bug der Titanic in den Himmel ragt, gekostet. Die vergleichsweise winzige Statue einer Meerjungfrau vor dem Eingang nimmt eine berühmte Pose auf. In einer Szene des 1997 gedrehten Kassenschlagers "Titanic" breiten die Hauptdarsteller Leonardo di Caprio und Kate Winslet am Bug des Schiffes die Arme aus, als wollten sie fliegen.

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(Foto: Titanic Belfast)

Ein Passagierschiff nach dem anderen verließ Anfang des 20. Jahrhunderts die Docks von Harland & Wolff. Die meisten gehörten zur White Star Line, die auch die Titanic in Auftrag gegeben hatte. Die Luft war erfüllt von Hammerschlägen, dem Geräusch quietschender Winden und kreischender Sägen, Arbeiter schrien sich Befehle zu. Auch "Titanic Belfast" empfängt Besucher im Inneren mit rauem Industriecharme: Verrostete Stahlplatten zieren die Wände, die Rolltreppen zu den oberen Stockwerken ragen kreuz und quer in den Raum - ähnlich den Arbeitsbühnen zu Zeiten des nordirischen Schiffsbaubooms.

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(Foto: Titanic Belfast)

Auf eines legen die Ausstellungsmacher großen Wert: Ihr Haus soll kein Museum sein, daher taucht der Begriff nicht einmal im Namen auf. Vielmehr versteht es sich als Erlebniszentrum, das die gesamte Geschichte des legendären Schiffes vor allem auf der sinnlichen Ebene erfahrbar machen möchte - und nicht nur die tragischen Ereignisse rund um seinen Untergang.

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(Foto: PETER MUHLY/AFP)

Nur wenige Originalgegenstände sind in der Ausstellung zu sehen. "Es gibt keine Exponate", erklärt Marketing-Chefin Clare Bradshaw sogar. "Wir wollen vor allem die Emotionen der Besucher ansprechen und ihnen die Möglichkeit geben, die Geschichte selber nachzuvollziehen." Ein wenig Museums-Flair ist dann aber doch spürbar: Nachbauten der Kabinen der ersten Klasse (im Bild) und ...

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(Foto: AP)

... der zweiten Klasse erleichtern die Vorstellung, wie die begüterten Passagiere auf der Titanic logierten.

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(Foto: AFP)

Auch eine Kabine der dritten Klasse steht als Nachbau in der Ausstellung. Selbst die Passagiere im Schiffsbauch reisten für die damalige Zeit vergleichsweise komfortabel. Hätten die Auftraggeber der Titanic nur mehr Geld in Rettungsboote statt in die Kabinenausstattung gesteckt: Von den 2224 Menschen an Bord der Jungfernfahrt von Southampton nach New York überlebten nur 711 die Kollision mit einem Eisberg in der Nacht zum 15. April 1912 und den Untergang des Schiffs.

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(Foto: AFP)

In der "3-D-Höhle" schlägt die Stunde der modernen Ausstellungstechnik: Hier betreten Besucher den virtuellen Speisesaal der Titanic, ...

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(Foto: AFP)

... und durchschreiten das kuppelgekrönte Treppenhaus, das insgesamt sechs Decks miteinander verband oder ...

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(Foto: AP)

... stehen auf der Kommandobrücke wie einst Unglückskapitän Edward John Smith. In anderen Abteilungen der Ausstellung kommen Hörstationen, Filme und interaktive Touchscreens zum Einsatz, eine Datenbank informiert über Passagiere und Crew.

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(Foto: AP)

Körperlich spürbar wird das Besuchserlebnis bei einer Fahrt mit einem Käfigaufzug, die verdeutlicht, in welchen Höhen die Arbeiter damals an dem Schiff bauten. Oder bei einer etwa fünfminütigen Fahrt mit dem "Shipyard Ride" im zweiten Stock des Gebäudes, vorbei an Schwarz-Weiß-Projektionen: In den rotierenden Gondeln bekommen Besucher einen Eindruck von der Arbeitswelt auf einer Werft Anfang des 20. Jahrhunderts.

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(Foto: AFP)

In der Abteilung "The Sinking" ist es dunkler, die Räume sind enger, auch die Zimmertemperatur ist niedriger - all dies, um das Szenario in der Nacht des Untergangs heraufzubeschwören. Dazu flackert die Beleuchtung und die Morsezeichen des letzten Hilferufs der Titanic ertönen.

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(Foto: dpa)

Die Ausstellung mit allen Sinnen erlebbar zu machen, das war die Aufgabe von Chefdesigner Steve Lumby. "Es läuft sehr subtil ab, einen Raum so zu öffnen und zu schließen, dass er einen bestimmten Effekt auf Menschen hat." Lumby tüftelte dafür an unzähligen Details, doch sein größtes Problem war der Geruch der Titanic. "Es war schwer, herauszufinden, wie eine Schiffswerft riecht. Heute baut keiner mehr Schiffe so wie damals, aus Eisen zusammengenietet."

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(Foto: Titanic Belfast)

Nicht alle Stockwerke im "Titanic Belfast" belegt das Erlebniszentrum. In den oberen Etagen sind zum Teil Bankett-, Tagungs- und Konferenzräume untergebracht, eingerichtet mit Stilelementen der Titanic. Die Bedeutung des Prestigeobjekts geht weit über die Geschichte des Luxusliners hinaus. "Dies ist unser Eiffeltum, unser Guggenheim", schwärmt Marketing-Chefin Claire Bradshaw, "es ist unsere Chance, den Blick der Welt auf unsere Stadt zu verändern." Ein Perspektivenwechsel, der offenbar noch nicht weit genug fortgeschritten ist.

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(Foto: AFP)

Ein Wandgemälde in Belfast erinnert an helle und dunkle Zeiten der Stadt. Das linke Gemälde unter dem Firmenemblem von Harland & Wolff soll stellvertretend für die glorreichen Tage sein, in denen Belfast ein hochproduktiver Industriestandort war. Die starken Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs und der jahrzehntelange Nordirland-Konflikt (im Bild rechts dargestellt) beschleunigte und zementierte den Niedergang der einst blühenden Hauptstadt von Nordirland.

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(Foto: AP)

Mit dem  "Titanic Visitor Centre" sind nun große Hoffnungen verbunden: 425.000 Besucher sollen allein im ersten Jahr kommen, schon vor der Eröffnung waren 80.000 Tickets bereits verkauft. Das Erlebniszentrum ist eingebettet in ein neu entstandenes "Titanic"-Stadtviertel mit Büros, einem Filmstudio, Wohngebäuden, Lokalen und weiteren Titanic-Erinnerungsstätten. 2009 kamen bereits 9,3 Millionen Touristen nach Belfast.  "Titanic Belfast" soll den Zustrom weiter anschwellen lassen.

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(Foto: AFP)

Weitere Informationen: In Belfast gibt es für Touristen mehrere Möglichkeiten, der Titanic nahezukommen: Titanic Belfast, eröffnet am 31.3.2012. Eintritt für Erwachsene umgerechnet gut 16 Euro, Kinder etwa acht Euro Ulster Folk & Transport Museum: Die Ausstellung TITANICa beschäftigt sich vor allem mit den Menschen auf dem Luxusliner. Der Eintritt kostet  etwa sieben Euro für Erwachsene. Kinder zahlen knapp fünf Euro Titanic Walking Tour: Zweistündiger geführter Spaziergang durch das ehemalige Werftgelände im "Titanic"-Viertel Titanic Tours Belfast: Geführt wird die Minibus-Tour von Susan Millar, der Urenkelin eines mit der Titanic untergegangenen Schiffsingenieurs. Kosten für Erwachsene: umgerechnet etwa 35 Euro Titanic Boat Tours: Besucher erleben die Baugeschichte der Titanic während einer Bootstour um das Werftgelände, Kostenpunkt umgerechnet etwa elf Euro für die 75-minütige Fahrt

© Süddeutsche.de, mit Material von dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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