Dschunken in der Halong-Bucht in Vietnam:Weiß statt sicher

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In der Halong-Bucht gibt es Streit um die Farbe der Dschunken: Die berühmten Boote sollen reinweiß gestrichen werden - angeblich um die Sicherheit zu erhöhen. Dabei drohen bei den morschen Schiffen ganz andere Gefahren.

Peter Münder

Wer in diesen Tagen am Hafenterminal von Halong City steht, um sich auf eine traditionelle Dschunke übersetzen zu lassen, reibt sich verwundert die Augen: Zwischen den vielen Schiffen im gewohnt dunkelbraunen Look dümpeln auch einige schneeweiße, frisch gestrichene Segler in der Halong-Bucht.

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Sind das vielleicht neue Modelle der gehobenen Luxusklasse, die für besonders anspruchsvolle Kreuzfahrer umgerüstet wurden?

"Nein, überhaupt nicht", erklärt Cheung, ein Tour-Guide, mit süffisantem Lächeln. Einige übereifrige Konkurrenten hätten bereits jetzt eine neue amtliche Verordnung erfüllt und ihre Dschunken weiß angestrichen. "Wofür das gut sein soll, fragen wir uns hier allerdings", sagt Cheung, "im Nebel erkennt man die weißen Dschunken noch schlechter als die braunen, und für Sicherheit und Komfort ist der neue Anstrich natürlich völlig belanglos."

Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei der Weißel-Aktion um puren Aktionismus handelt, der die Sicherheitsbedenken der ausländischen Gäste beschwichtigen soll. In den vergangenen Jahren hat sich Vietnam zu einem beliebten Reiseziel entwickelt. Sechs Millionen Touristen besuchten 2011 das Land. Und kaum einer lässt die Halong-Bucht aus, eine der weltberühmten Hauptattraktionen: rund 2000 zuckerhutförmige Kreidefelsen, die im türkisfarbenen Wasser des Golfs von Tongking ein pittoreskes Labyrinth bilden.

Die übliche Art, das Naturschauspiel auf sich wirken zu lassen, ist ein meditativer Törn auf den alten beziehungsweise auf alt gemachten Dschunken. Mit ihren Bambuslatten-Segeln leisten sie selbst einen wichtigen optischen Beitrag zum malerischen Gesamteindruck der Bucht.

Auf den Schiffen kann man, je nach gebuchter Preisklasse, mehr oder weniger komfortabel übernachten und sich verköstigen lassen. Die meisten Veranstalter bieten zudem Kajaktouren und Ausflüge an, etwa zu den Sung-Sot-Höhlen oder zur Insel Cat Ba. Nicht alle Anbieter sind jedoch seriös.

Gerade die preisgünstigeren nehmen es nicht immer so genau mit der Sicherheit an Bord. Etliche Unfälle auf einigen maroden Clippern endeten tragisch. Im Februar 2011 ertranken elf ausländische Touristen auf einer Dschunke, deren morsches Gebälk nachts durchgebrochen war - die im Schlaf überraschten Gäste auf dem schnell sinkenden Schiff konnten sich nicht mehr rechtzeitig retten.

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Bei einem weiteren Unfall drei Monate später kenterte ein Boot mit 28 französischen Touristen an Bord, die jedoch alle gerettet wurden. Ähnliche Unfälle gab es schon früher, was zeigt, dass viele Dschunken offenbar überaltert und nicht mehr sehr stabil sind.

Aber kann dies der Grund für das gerade erlassene Dekret des Volkskomitees der Provinz Quang Ninh sein, alle Dschunkenbesitzer und Organisatoren der Rundfahrten zum Neuanstrich der alten Segler zu verpflichten und dafür eine Frist bis Ende April festzusetzen?

Bei Nichtbefolgen der Vorschrift sollen die Tour-Organisatoren ihre Lizenz verlieren. Wie die Tageszeitung Vietnam News meldete, lautete die Begründung des Volkskomitees: "Weiß ist bei Touristen beliebt." Außerdem würde der neue Anstrich das lädierte Image des Halong-Tourismus aufbessern.

Gegen die Weißel-Aktion, die laut Schätzungen der Zeitung rund 500 Dschunken betrifft und pro Schiff rund 2000 US-Dollar nebst dreimonatigem Arbeitsaufwand verschlingen würde, protestierten viele Veranstalter. In den Traveller-Blogs im Internet wird über die Unfähigkeit der Politiker gehöhnt, die nichts Besseres zu tun hätten, als Traditionen zu zerstören, statt dafür zu sorgen, dass die Schiffe tatsächlich sicherer werden.

Stattdessen hat das Volkskomitee erst im Dezember die Eintrittsgebühren für Halong-Touristen verdoppelt.

Dazu passt, dass die vietnamesische Tourismusbehörde von der EU mit elf Millionen Euro für Bemühungen um "nachhaltigen Tourismus" subventioniert wird und sich kosmetische Image-Operationen in der Halong-Bucht in Brüssel werbewirksam präsentieren lassen.

Es hagelte in den vergangenen Wochen jedenfalls weitere Proteste von Organisatoren der Dschunken-Ausflüge, die nicht nur auf die irritierende, gleichmacherische Ästhetik weißer Schiffe hinwiesen, sondern auch ganz pragmatisch den baldigen Schwund des neuen Anstrichs und einen hässlichen Schmuddel-Look graubrauner Dschunken prognostizierten.

"Weiß mag vielleicht für große Kreuzfahrtschiffe aus Stahl geeignet sein", monierte etwa Pham Van Hoa, Chef der Bai Tho Transport Company, "aber eben nicht für unsere Dschunken, weil deren weiß lackiertes Holz sich bald wieder schwarz färben würde." In dieser ganz auf kosmetische Äußerlichkeiten fixierten Debatte bleiben Sicherheitsaspekte schließlich völlig auf der Strecke.

Die jüngste Einlassung zum Thema "white is beautiful" kommt von der Provinz-Gouverneurin Vu Thi Thu Thuy: Man müsse ja nicht alle Schiffe komplett anstreichen und gleichmachen. "Mit einigen weißen Farbtupfern ist es auch getan", erklärte Frau Thuy, die im übrigen wenig von allzu viel staatlichem Zwang zu halten scheint.

Sie meint: "Das können wir getrost der schöpferischen Phantasie der Bootsbesitzer überlassen."

© SZ vom 12.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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