Chauvet-Höhle:Willkommen in der Galerie der Steinzeit

3-D-Bilder, Tiere, abstrakte Formen, Bewegung: Es ist große Kunst, die unsere Vorfahren vor etwa 36 000 Jahren an die Wände der Chauvet-Höhle in Südfrankreich malten. Nun eröffnet eine detailgetreue Nachbildung.

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(Foto: AFP)

"Das war einer der großen Schocks, eins der großen wissenschaftlichen Gefühle meines Lebens." Auch 20 Jahre später spricht der Prähistoriker Jean Clottes voller Begeisterung über den Tag, an dem er über eine Leiter in eine kurz zuvor entdeckte Höhle in Südfrankreich hinabstieg.

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(Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Dort bot sich ihm ein unglaublicher Anblick, eine Sensation: Hunderte Tierfiguren, vor etwa 36 000 Jahren auf die Felswände gemalt.

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(Foto: AFP)

Die Chauvet-Grotte zählt inzwischen zum Unesco-Weltkulturerbe und wird streng abgeschirmt, denn die Malereien sind höchst empfindlich. Nur von einer Handvoll Menschen darf sie betreten werden, vor allem von Wissenschaftlern. Eine 600 Kilogramm schwere Eingangstür verbarrikadiert den Zugang, den Code kennen nur wenige, rund um die Uhr gibt es eine Kameraüberwachung. Doch nun können auch Touristen dem Gefühl nachspüren, Jahrtausende alte Kunst zu betrachten: Für 55 Millionen Euro ist in der Ardèche-Region, etwa 60 Kilometer nordwestlich von Avignon und nur etwa einen Kilometer vom Original entfernt, eine aufwendige Kopie der Grotte gebaut worden. An diesem Samstag wird sie eröffnet.

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Die wissenschaftliche Bedeutung der 8500 Quadratmeter großen Höhle nahe dem Ort Vallon-Pont-d'Arc ist enorm: Nach Angaben der Unesco, der UN-Organisation für Wissenschaft und Kultur, enthält sie die ältesten bekannten und am besten erhaltenen Figuren-Zeichnungen der Welt. Nur die deutlich einfacheren Hand-Abbildungen in der Höhle von El Castillo in Spanien sind mit 40 000 Jahren noch ein wenig älter.

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Es ist vor allem die große Kunstfertigkeit und Kreativität unserer Vorfahren, die die Chauvet-Höhle so beeindruckend machen: Die Cro-Magnon-Menschen zeichneten nicht weniger als 425 Bilder an die Felswände der echten Höhle, über die der Regisseur Werner Herzog 2011 einen Kinofilm drehte.

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Die Malereien reichen von abstrakten roten Flecken auf der Felswand über einen mit dem Finger in einen feuchten Untergrund geschabten Uhu bis hin zu einem zwölf Meter breiten Panorama, in dem sich Pferde, Löwen und Rhinozerosse tummeln.

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Ein detailverliebtes Meisterwerk, das nicht nur die natürliche Felsstruktur für eine Art 3-D-Effekt nutzt, sondern möglicherweise auch schon versucht, Bewegung darzustellen. So jedenfalls lässt sich interpretieren, dass manche Tiere mit zu vielen Beinen gezeigt werden. Sogar eine Art Minotauros findet sich, wie Projektleiter Pascal Terrasse erzählt: ein Bisonkopf, der in ein Frauenbein übergeht.

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"Wenn man Stück für Stück in die Intimität dieser Malereien einsteigt, wird einem die Größe dieser Künstler klar, ihre Meisterschaft", erzählt Alain Dalis. "Da kann man nur Respekt haben." Der Franzose ist einer der Künstler, die in den vergangenen Jahren die Höhlen-Bilder abgekupfert haben - die "Fälscher", wie sie einer der Verantwortlichen grinsend nennt.

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Mit Hilfe von Wissenschaftlern vollzogen sie detailliert nach, wie die Urzeit-Künstler vorgegangen waren: teilweise mit den Fingern, teilweise mit Stöcken. Sie nutzten die gleichen Materialien wie damals, Eisenoxide und Holzkohle. Selbst die Kratzspuren der Bären an den Felswänden wurden nachgeahmt. Mit einem Computermodell, zahlreichen Fotos und den Eindrücken aus der Originalhöhe entwarfen die Architekten die Nachbildung.

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3500 Quadratmeter groß ist der Höhlennachbau, die Wände haben eine Fläche von 7500 Quadratmetern. Zum Vergleich: Der Nachbau der ebenfalls für ihre steinzeitlichen Malereien berühmten Lascaux-Höhle ist nur 300 Quadratmeter groß.

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Tonnenweise Beton steckt in den falschen Felswänden, für täuschend echtes Höhlengefühl soll die Klimatisierung auf 18 Grad sorgen, sogar Duftstoffe werden freigesetzt. Die Mitarbeiter flüsterten, als sie die ersten geladenen Besucher noch vor der offiziellen Eröffnung über die Metallstege durch die Nachbildung führten. "Das ist ein Spektakel, aber auch so nah wie möglich an der Wahrheit", beteuert der Architekt Vincent Speller.

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Das umliegenden Besucherareal der Höhlen-Nachbildung hat von der Luft aus gesehen die Form einer Bärentatze. Errichtet wurde auch ein Gebäude für Ausstellungen und pädagogische Arbeit, ein Veranstaltungszentrum und ein Restaurant. "Das ist kein Freizeitpark", betont Terrasse. "Die Caverne du Pont d'Arc in ein kultureller, wissenschaftlicher und touristischer Ort."

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Natürlich steckt hinter dem Projekt auch wirtschaftliches Kalkül. 350 000 Touristen soll die Nachbildung pro Jahr anziehen - ein Stück Strukturpolitik für eine Region, die bislang vor allem für ihre Natur bekannt ist, zu großen Teilen finanziert vom Staat und aus EU-Mitteln.

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Entsprechend groß ist das Tamtam, auch Staatspräsident François Hollande war bei der Einweihung am 10. April vor Ort.

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Die Detailgenauigkeit der Nachbildung ist dennoch beeindruckend, selbst für Fachleute. Jean Clottes, der vor mehr als 20 Jahren für die französische Regierung die Echtheit der Höhlenmalereien bestätigte und das Original so gut kennt wie kaum jemand sonst, fühlt sich jedenfalls an seinen ersten Besuch erinnert: "Ich glaube, dass das Publikum diese Emotion in der Nachbildung spüren kann." Weitere Informationen zur Besichtigung finden sich hier.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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