Zum Tod von Ewald-Heinrich von Kleist:Unbeirrbarer Humanist

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Der Verleger Ewald-Heinrich von Kleist im Jahr 1978. (Foto: dpa)

Sein Vater empfahl ihm, sich in die Luft zu sprengen: Ewald-Heinrich von Kleist überlebte nach dem gescheiterten Anschlag auf Hitler sechs Monate im Konzentrationslager. Später begründete er die Müncher Sicherheitskonferenz. Jetzt ist der letzte Mitverschwörer des Stauffenberg-Attentats im Alter von 90 Jahren gestorben.

Von Tobias Kniebe

Was geschah wirklich am 20. Juli 1944, als Claus Schenk Graf von Stauffenberg die Bombe gegen Hitler zündete und im Bendlerblock in Berlin den Staatsstreich organisierte? Fast alle Männer des Widerstands, die Hitler töten wollten, mussten dafür mit dem Leben bezahlen. Nur wenige kamen davon - und nun ist auch der letzte Zeuge gegangen, der damals dabei war, der als junger Leutnant mit der Pistole in der Hand an Stauffenbergs Seite stand: Ewald-Heinrich von Kleist.

Konnte man rechtzeitig den Charakter des Hitler-Regimes erkennen und daraus Konsequenzen ziehen? Für ihn sei das einfach gewesen, sagte Kleist in seiner typischen preußischen Bescheidenheit - schon die Eltern und Großeltern hätten ihm die "moralische Basis" dafür vermittelt. Darin klang Stolz auf die Herkunft an, auf all die Gelehrten, Bischöfe, Generäle, auch Dichter in dieser Familie des deutschen Uradels. Der Vater, Ewald von Kleist-Schmenzin, ein erzkonservativer Politiker aus Pommern, war ein früher und unerbittlicher Gegner der Nationalsozialisten.

So wurde der Sohn, geboren am 10. Juli 1922, als Elfjähriger schon Zeuge, wie das elterliche Gut von der SS umstellt wurde. Zehn Jahre später, im Januar 1944, saß er Stauffenberg gegenüber, der damals Stabschef des Allgemeinen Heeresamtes war, dem er ein "glühendes Herz und einen eiskalten Verstand" attestierte. Ob Leutnant Kleist bereit wäre, fragte Stauffenberg, sich bei einer Präsentation neu gestalteter Uniformen mit Hitler in die Luft zu sprengen? Der 22-Jährige erbat einen Tag Bedenkzeit und fragte den Vater, der keine Sekunde mit der Antwort zögerte: "Ja, das musst du tun. Wer in so einem Moment versagt, wird nie wieder froh in seinem Leben."

20. Juli 1944
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Das geplante Attentat bei der Uniformvorführung fand dann nie statt, stattdessen kämpfte Kleist am 20. Juli im Bendlerblock mit. Dort wurde er dann auch verhaftet, als der Staatsstreich gescheitert war. Er überstand alle Verhöre und sechs Monate im Konzentrationslager Ravensbrück. Nach dem Krieg baute er sich in München eine neue Existenz auf, als Verleger und Erfinder der "Wehrkundetagung", die zur weltweit beachteten Institution wurde und als "Münchner Sicherheitskonferenz" bis heute Staatschefs und Strategen aus aller Welt versammelt. Gerade in den Jahren des Kalten Kriegs war dies das Forum, in dem die wachsende Vernichtungskraft der Atomwaffenarsenale offen und über Ländergrenzen hinweg diskutiert werden konnte - immer mit dem Ziel, den Ernstfall zu verhindern.

Ein Sprecher der Sicherheitskonferenz bestätigte am Dienstag, dass dieser große und unbestechliche Mann, dessen unbeirrbarer Humanismus ein Vorbild für alle ist, die ihm begegnen durften, bereits am vergangenen Freitag im Alter von 90 Jahren gestorben ist.

© SZ vom 13.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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