Zeuge im NSU-Prozess:Zur Erinnerung gezwungen

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Sein Laden war ein Treffpunkt für die rechte Szene in Jena, von hier stammt die Waffe, mit der der NSU neun Menschen ermordete. Doch der Betreiber will sich am liebsten an nichts erinnern. Im NSU-Prozess stellt der Zeuge die Geduld der Zuhörer gewaltig auf die Probe. Der Richter bleibt hartnäckig.

Aus dem Gericht berichtet Tanjev Schultz

Man möchte ihn schütteln, diesen Zeugen. Natürlich geht das nicht, aber der Mann stellt die Geduld der Zuhörer im NSU-Prozess gewaltig auf die Probe. Frank. L., gelernter Kfz-Mechaniker, betrieb in den Neunzigerjahren das "Madley" in Jena. Es war ein Treffpunkt für die rechte Szene.

Man bekam dort Klamotten, Schuhe und Aufnäher, wie Neonazis sie gerne tragen, auch verbotene CDs mit Rechtsrock - und vermutlich sogar scharfe Waffen. Vor Gericht sagt der 40-Jährige gefühlt tausend Mal, er könne sich nicht erinnern. Es sei alles lange her. Und manches wolle er gar nicht so genau erfahren. "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß."

Aus Geständnissen und anderen Zeugenaussagen ergibt sich, dass ein Mitarbeiter von Frank L. im Frühjahr 2000 die Pistole "Ceska 83" mit Schalldämpfer verkauft hat, mit der die NSU-Terroristen später neun Menschen ermordeten. Frank L. sitzt nun da in Jeans und dunklem Kapuzenpulli, nuschelt Ein-Wort-Sätze ins Mikro und bereitet dem Gericht damit große Mühe.

Richter Manfred Götzl lässt nicht locker, stundenlang zieht sich die Befragung hin. Der Zeuge will oder kann nicht in Zusammenhängen sprechen. So entstehen lauter abgehackte Kurzdialoge. Zum Beispiel, als Götzl sich erkundigt, ob Frank L. das Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe persönlich kannte:

Richter Götzl: Kannten Sie Herrn Böhnhardt?

Zeuge: Ja, vom Sehen her.

Götzl: Bei welcher Gelegenheit?

Zeuge : Früh in der Jugend mal beim Mopedfahren. Vom Laden her. Jena ist halt nicht sehr groß.

Götzl: Wie gut kannten Sie ihn?

Zeuge: Nur vom Sehen her.

Götzl: Wie häufig hatten Sie Kontakt zu ihm?

Zeuge: Nur wenn man sich mal zufällig getroffen hat.

Götzl: War er Kunde bei Ihnen?

Zeuge: Ja, der war ein paar Mal da.

Götzl: Was hat er gekauft?

Zeuge: Klamotten oder Schuhe. Vielleicht auch mal 'ne CD. Ich weiß es nicht.

Götzl: Kannten Sie Herrn Mundlos?

Zeuge: Im gleichen Verhältnis.

Götzl: Seit wann kannten Sie ihn?

Zeuge: Das weiß ich nicht.

Götzl: In etwa?

Zeuge: Irgendwann in den 90er Jahren.

Götzl: Bei welchen Gelegenheiten?

Zeuge: Bestimmt, wenn er mal im Laden war.

Götz: Wissen Sie da was?

Zeuge: Kann ich mich nicht erinnern.

Götzl: Kannten Sie Frau Zschäpe?

Zeuge: Ja.

Götzl: Von welcher Gelegenheit?

Zeuge: Ja, och über den Laden.

Götzl: War Sie Kundin?

Zeuge: Das ist alles ganz schön lange her. Ich weiß nicht, ob sie was gekauft hat. Für Frauen gab es damals nicht so viel bei uns.

Frank L. kannte auch den Angeklagten Ralf Wohlleben, dem vorgeworfen wird, die Ceska-Pistole im "Madley" für den NSU bestellt zu haben. Dem Zeugen wird nun im Gericht vorgelesen, was er voriges Jahr bei der Polizei ausgesagt hat. Dort berichtet er laut Vernehmungsprotokoll, Wohlleben habe ihn mal auf eine Waffe angesprochen. Er habe Wohlleben dann an seinen Mitarbeiter Andreas S. verwiesen. Vor Gericht kommt es wieder zu einem umständlichen Hin und Her, weil Frank L. sich zunächst angeblich gar nicht mehr erinnern kann.

Richter Götzl fragt ihn, ob er denn in jüngster Zeit mit Andreas S. über den Waffenverkauf und dessen Aussagen bei der Polizei gesprochen habe:

Zeuge: Das geht mich nichts an.

Richter Götzl: Das beantwortet nicht meine Frage. Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?

Zeuge: Nein.

Götzl: Warum nicht?

Zeuge: Weil ich es gar nicht wissen wollte.

Götzl: Warum nicht?

Zeuge: Es bringt Probleme mit sich, wenn man zu viel weiß.

Als der Zeuge sich in Widersprüche verwickelt, erinnert ihn der Richter an die Wahrheitspflicht. Frank L. nestelt zeitweise nervös an einem Blatt Papier. Er versucht, seine Vernehmung bei der Polizei in Frage zu stellen: "Es wurde von den Ermittlern alles so schön zurechtgelegt. Etwas zusammengebastelt. Wie das halt so üblich ist bei den Ermittlern."

Das Vernehmungsprotokoll trägt allerdings seine Unterschrift, und durch geschicktes, hartnäckiges Nachfragen des Richters räumt der Zeuge schließlich doch ein, dass er bei der Polizei angab, Wohlleben habe sich nach einer Waffe erkundigt. Frank L. will sich darum aber nicht gekümmert haben. Und was sein Mitarbeiter Andreas S. gemacht hat, wollte und will er ja lieber gar nicht wissen.

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