Whistleblower in der UN:Gefährlicher Mut eines Diplomaten

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Handelt es sich um einen Racheakt seiner Vorgesetzten? Ein UN-Experte macht auf krumme Geschäfte aufmerksam. Kurz danach wird er gefeuert, verhaftet und seine Wohnung durchsucht - ohne Gerichtsbeschluss. Erst sechs Jahre später erhält er eine Entschädigung. Die Höhe ist bedenklich.

Von Reymer Klüver

Wer den Mund aufmacht, wird bestraft bei den Vereinten Nationen. Jedenfalls muss das James Wasserstrom so sehen. Und er hat guten Grund dazu. Der Anti-Korruptions-Experte hatte bei der UN genau das gemacht, was seine Aufgabe war: seine Oberen in New York auf mutmaßliche krumme Geschäfte und Durchstechereien aufmerksam zu machen. Und was geschah? Er wurde gefeuert. Fristlos. Von der UN-Polizei in Kosovo, wo er seinerzeit arbeitete, wurde er sogar wie ein Krimineller behandelt.

Kaum sind sechs Jahre vergangen, rehabilitierte ihn nun ein UN-Schiedsgericht in New York und sprach ihm eine Entschädigung zu: 65 000 Dollar als Ersatz dafür, dass ihn die UN nach 27 Jahren Dienst ohne Anspruch auf Pensionszahlungen entlassen hatte. Wasserstrom selbst ist frustriert. Er sieht das als eine lächerlich geringe Summe an. Er wollte 3,8 Millionen Dollar. Dem US-Magazin Foreign Policy sagte Wasserstrom: "Die Botschaft ist doch klar. Wenn man sich traut und das Richtige macht, dann macht man das auf eigenes Risiko. Es gibt absolut keinen Schutz."

Tatsächlich dürfte die Entscheidung des United Nations Disputes Tribunal zumindest zweischneidig sein. Auf der einen Seite ist das Urteil nach Einschätzung des Government Accountability Project (GAP), einer Organisation in Washington, die sich für Menschen wie Wasserstrom einsetzt, ein böser Tadel für die Vereinten Nationen und insbesondere für UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Das Schiedsgericht sei "hochkritisch", was den Umgang der Vereinten Nationen mit Whistleblowern angeht, also mit Angestellten, die auf Missstände innerhalb der Organisation aufmerksam machen - und oft genug dafür auch noch gemaßregelt werden. Auf der anderen Seite sei Wasserstroms Entschädigung, so sagt Shelley Walden, die den Fall beim GAP seit Jahren begleitet, eben "eindeutig nicht genug" für das, was ihm widerfahren ist.

Wasserstrom, ein aus den USA stammender UN-Diplomat, hatte Anfang 2007 schriftlich Hinweise ans UN-Hauptquartier in New York weitergegeben, denen zufolge bei der Auftragsvergabe für den damals geplanten Neubau eines großen Kohlekraftwerks in Kosovo Bestechungsgelder in Millionenhöhe geflossen seien - an den zuständigen Minister in Kosovo, aber auch an Beamte der UN-Mission dort. Ein Vierteljahr später erhielt Wasserstrom seine Kündigung. Er wurde an der Grenze von UN-Polizisten festgenommen, sein Pass konfisziert, und sein Haus und Büro wurden durchsucht - ohne dass es einen Gerichtsbeschluss dafür gegeben hätte.

Wasserstrom beschwerte sich beim UN Ethics Office, der Aufsichtsbehörde, die das Verhalten von UN-Beamten prüft, und bei Generalsekretär Ban persönlich. Der reagierte erst gar nicht auf die Eingaben. Und das Ethics Office bescheinigte Wasserstrom zwar, dass Festnahme und Rauswurf "exzessiv zu sein gewesen scheinen". Einen Racheakt seiner Vorgesetzten wollte es indes nicht darin sehen.

Das wiederum vermochte nun das Schiedstribunal ganz und gar nicht zu verstehen. "Klar und unbestritten" hätten Wasserstroms Vorgesetzte ihn als Whistleblower abgestraft. Dass das UN Ethics Office das nicht habe erkennen wollen, sei ein "Versäumnis" und stelle "ernsthaft seine Eignung als Aufsichtsbehörde in Frage".

Das findet auch Shelley Walden von der GAP in Washington. Das UN Ethics Office, das 2006 extra geschaffen wurde, um die Eingaben zu prüfen und Whistleblower zu schützen, habe eine "grauenvolle Bilanz". Tatsächlich sind von 2006 bis 2012 dort 343 Beschwerden von Whistleblowern eingegangen, die sich über Racheakte ihrer Chefs beschwerten. Von denen wurden nur 13 als gerechtfertigt anerkannt, und exakt einer erhielt ohne Klage vorm Schiedstribunal eine Entschädigung. 99,7 Prozent aller Eingaben wurden also als unerheblich erledigt.

Walden glaubt indes, dass Wasserstroms Fall nicht folgenlos bleiben dürfte - und verweist auf das Haushaltsgesetz der USA, in dem die amerikanischen Beitragszahlungen für die UN geregelt werden. Danach müsste Washington 15 Prozent der Beiträge für eine UN-Behörde zurückhalten, wenn sie nicht die geeigneten Schritte zum Schutz von Whistleblowern unternimmt und die Folgen der Racheakte von Vorgesetzten wiedergutmacht. Was im Fall Wasserstrom nicht wirklich geschehen ist. Shelley Walden jedenfalls glaubt, dass die Folgen gravierend sein könnten: "Die Vereinten Nationen gefährden die Beitragszahlungen der USA."

© SZ vom 23.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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