Weltwirtschaftsforum in Davos:Merkel löscht, wo Cameron zündelt

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Kein Wort zu Camerons Europa-Kritik: In ihrer Rede vor der Wirtschafts- und Polit-Elite konzentriert sich Kanzlerin Merkel auf Gemeinsamkeiten und wirtschaftspolitische Themen. Ihre Vorschläge zur Aufgabe weiterer nationaler Souveränitäten dürften dem Briten allerdings kaum schmecken.

Von Lutz Knappmann, Davos

Der erwartete Showdown blieb aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos weitere wirtschaftliche Reformen in Europa gefordert. Auf die Pläne des britischen Premiers David Cameron, sein Land über den Verbleib in der EU abstimmen zu lassen, ging sie mit keinem Wort ein.

Erst auf Nachfrage äußerte sich Merkel zu Camerons wiederholter Ankündigung, Großbritannien werde womöglich nie dem Euro beitreten. "Man darf nicht vergessen, dass der Euro eingeführt wurde mit der Erwartung, dass alle Mitgliedstaaten ihn eines Tages einführen werden", sagte Merkel. "Wir sollten die Frage unaufgeregt beantworten."

Statt auf Konfrontation zu setzen, bemühte sich Merkel, den hoch umstrittenen Vorstoß Camerons gar nicht erst weiter zu thematisieren - und stattdessen Gemeinsamkeiten zu betonen. Explizit stimmte sie Camerons Forderung zu, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. "Das Thema der Wettbewerbsfähigkeit ist ein zentrales Thema für den Wohlstand der Zukunft."

Cameron hatte seinen Vorstoß für ein britisches EU-Referendum am Morgen in Davos zwar noch vehement verteidigt - allerdings nicht ohne durchblicken zu lassen, dass er eigentlich viel wichtigeres zu tun habe. Seine Rede begann er nicht mit dem Thema EU, sondern sprach zunächst demonstrativ über seine Aufgaben während der britischen G8-Präsidentschaft in diesem Jahr, über den Kampf gegen Terrorismus und über sein Ziel, den freien Welthandel zu stärken. Erst dann griff er seine Kritik an der EU auf.

"Sehr intensive" Gespräche, aber nicht in der Öffentlichkeit

Angela Merkel hatte dem britischen Premier am Mittwochabend, kurz nach seiner lange erwarteten EU-Rede, ein Gesprächsangebot gemacht - verknüpft mit einer klaren Forderung: "Europa bedeutet auch immer, dass man faire Kompromisse finden muss", betonte sie. "In diesem Rahmen sind wir natürlich bereit, auch über britische Wünsche zu sprechen." Sie wünsche sich, dass Großbritannien aktives EU-Mitglied bleibe. Es werde nun "sehr intensive" Gespräche geben.

Und die will sie offenbar nicht in der Öffentlichkeit führen. Also konzentrierte sich die Bundeskanzlerin in Davos vor der versammelten Wirtschafts- und Polit-Elite auf wirtschaftspolitische Themen: "Wir sprechen in der EU über einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit, in dem die einzelnen Staaten Abkommen mit der Kommission schließen. Darin verpflichten sie sich, Elemente ihrer Wettbewerbsfähigkeit, die noch nicht ausreichen, zu verbessern." Dabei gehe es häufig um Lohzusatzkosten, Forschungsausgaben, die Infrastruktur. "Also alles Dinge, die in nationaler Hoheit liegen. Die nationalen Parlamente müssen diese Verträge mit legitimieren, die dann verbindlich sind."

Im Kern skizzierte Merkel damit eine stärkere wirtschaftliche Integration der EU-Staaten, die mit der Aufgabe bestimmter nationaler Souveränitäten einhergehen würde. David Cameron dürfte dies kaum schmecken, hatte er doch am Morgen noch einmal betont, dass er Schritte, die hin zu einem europäischen Nationalstaat führen, ablehnt.

Aber auch das werden Merkel und Cameron vermutlich hinter verschlossenen Türen besprechen. In Davos gaben sie sich jedenfalls alle Mühe, jede Konfrontation zu vermeiden.

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