Wahlkampf:Britische Regierung soll Sozialkürzungen verheimlichen

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  • Kurz vor der Wahl in Großbritannien wirft Danny Alexander, Minister der Liberaldemokraten, den Tories von Premier David Cameron Wählertäuschung vor.
  • Die Konservativen würden den Wählern verschweigen, dass sie elf Milliarden Euro weniger an Familien mit Kindern zahlen wollen.
  • Umfragen zufolge liefern sich Tories und Labour bei der Wahl am 7. Mai ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Noch gehören sie einer gemeinsamen Regierungskoalition an. Premier David Cameron (Tories) und Danny Alexander von den Liberaldemokraten 2010. (Foto: Getty Images)

Gerade erst hat Großbritanniens Premier angekündigt, die Arbeiter vor höheren Steuern zu bewahren - und zwar mittels eines Gesetzes. Nun hat der Chief Secretary to the Treasury (Staatssekretär im Finanzministerium), Danny Alexander, Pläne der Tories offengelegt, nach einem Wahlsieg Sozialleistungen zu kürzen - und zwar in Milliardenhöhe.

Wie Alexander der britischen Zeitung Guardian verriet, soll es insbesondere um Kürzungen beim Kindergeld und bei Steuererleichterungen für Familien mit Kindern gehen.

Staatssekretär Alexander - der den Rang eines Ministers innehat - gehört zu den Liberaldemokraten (Lib Dems), dem kleinen Partner der Konservativen in der Regierungskoalition in London. Nun allerdings herrscht Wahlkampf, und Tories und Lib Dems stehen in Konkurrenz um die Wählerstimmen.

Alexander rechtfertigte im Guardian seinen Schritt damit, "dass die Konservativen versuchen, die britische Bevölkerung hinters Licht zu führen, indem sie ihre geplanten Einschnitte bis nach der Wahl geheim halten".

Bei den Maßnahmen geht es vor allem darum, dass Familien für ein drittes Kind kein Kindergeld und keine Steuererleichterungen erhalten sollen. Außerdem soll das Kindergeld nicht mehr bis zum 19. Lebensjahr gezahlt werden, sondern nur noch bis der Nachwuchs 16 Jahre alt ist. Das Kindergeld soll darüber hinaus für das erste Kind nicht mehr höher sein.

Neu sind die Pläne offenbar nicht. Einige Mitglieder des Kabinetts haben Alexander zufolge bereits 2012 ein Dokument mit detaillierten Informationen dazu erhalten, und zwar von Ian Duncan Smith, dem Minister für Arbeit und Pensionen.

Die Tories suchen seit Jahren nach Wegen, die Staatsverschuldung zu senken. Dem Guardian zufolge galten die Kürzungen als eine mögliche Maßnahme, die jedoch verworfen wurde. Hinweisen auf entsprechende Einschnitte bei den Sozialleistungen war von den Regierungsmitgliedern zwischenzeitlich immer wieder widersprochen worden.

Nachdem der Liberaldemokrat Alexander - immerhin Kabinettsmitglied - über die Zeitung an die Öffentlichkeit gegangen ist, wird es Schatzkanzler George Osborne von den Konservativen nicht mehr so leicht fallen, die Vorwürfe abzutun.

Ein Sprecher der Konservativen hat trotzdem bereits versucht, abzuwiegeln. Es sei der verzweifelte Versuch der Liberaldemokraten, Aufmerksamkeit zu erregen - dafür würden sie alles behaupten. Die Vorschläge, auf die Alexander hingewiesen hat, seien "definitiv nicht unsere Politik", sagte er der britischen Zeitung.

Alexander hält sich selbst zugute, in den vergangenen fünf Jahren ideologisch motivierte Einschnitte durch die Tories verhindert zu haben. Nun würden die Konservativen Verbesserungen im Gesundheitswesen und bessere Steuern versprechen, aber die Einschnitte für Millionen von Familien verschweigen. "Sie geben vielleicht mit der einen Hand", sagte er der Zeitung, "aber mit der anderen Hand werden sie doppelt so viel wieder wegnehmen."

Cameron will Steuern bis 2020 gesetzlich festschreiben

Premierminister Cameron hat jüngst versprochen, die Einkommen- und Mehrwertsteuer sowie die Sozialabgaben bis 2020 gesetzlich festzuschreiben. Dazu soll die Grenze, ab der Steuerzahler 40 Prozent Einkommensteuer zahlen müssen, von 42 500 auf 50 000 britische Pfund steigen.

Der Vorsitzende der Labour-Partei, Ed Miliband, hat die Ankündigung Camerons als "faulen Trick der letzten Minute" bezeichnet und gewarnt, dass die Regierung dann weiter sparen müsste. Zum Beispiel bei den Familienleistungen.

Die Arbeiterpartei will unter anderem die Besteuerung von Einkommen von mehr als 150 000 Pfund von 45 auf 50 Prozent anheben. Und Staatssekretär Danny Alexander hatte bereits im März im Parlament in London einen Haushaltsplan der Lib Dems als Alternative zu dem des Schatzkanzlers Osborne vorgestellt - es war das erste Mal, das ein Minister der Regierung auf diese Weise vorgegangen ist.

Der Ausgang der Wahlen in Großbritannien am 7. Mai ist noch völlig offen, Konservative und Arbeiterpartei liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Am heutigen Donnerstag werden der amtierende Premierminister David Cameron und sein Herausforderer von Labour, Ed Miliband, gemeinsam mit Nick Clegg, Vorsitzender der Liberaldemokraten und derzeit noch Vizepremier - zu einer Live-Debatte im Fernsehen antreten. Allerdings werden sie nicht miteinander streiten, sondern nacheinander Fragen aus dem Publikum beantworten.

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