Wahl in Frankreich:Frankreichs Rechte verleugnen die Prinzipien der Republik

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Kopiert beim Front National: der wiedergekehrte Ex-Präsident Nicolas Sarkozy (Foto: dpa)

Die Republikaner um Nicolas Sarkozy wollen den nächsten Präsidenten stellen. Wirklich verdient haben sie den Élysée aber nicht. Denn ihre Ideen sind teils schäbig.

Kommentar von Christian Wernicke

Zwei sehr lange Stunden währte das Trauerspiel, mehr als fünf Millionen Franzosen haben zugesehen: In einem Pariser Fernsehstudio mühten sich in der Nacht zum Freitag sieben Republikaner um den Eindruck, sie könnten die Fünfte Republik regieren.

Im Frühjahr steht die Präsidentschaftswahl an, und die Zeichen stehen günstig für Frankreichs bürgerliche Oppositionspartei, dass ihr Spitzenkandidat das nächste Staatsoberhaupt wird. Denn die Linke ist so zerzankt und zermürbt, dass der sozialistische Amtsinhaber François Hollande kaum den ersten Wahlgang überstehen wird - falls er überhaupt antritt. Nach allen Prognosen dringt stattdessen Marine Le Pen, die Rechtspopulistin vom Front National, in die Stichwahl vor. Egal, wer dann gegen sie antritt: Um Le Pens Sieg zu verhindern, werden die Franzosen massenhaft für "den anderen" stimmen.

Le Pen ist die heimliche Gewinnerin der republikanischen Vorwahl

Den Mann, der Marine Le Pen schlagen soll, will die Rechte im November küren, per Vorwahl. Die Kampagne rollt gerade erst an. Aber schon jetzt ist klar: Madame Le Pen, die absehbare Verliererin der Präsidentschaftswahl, ist die heimliche Gewinnerin der republikanischen Vorwahl. Denn es sind die Ängste, die ihr Front National schürt, und die Scheinlösungen, die sie propagiert, die am lautesten widerhallen unter den Republikanern. Nicht nur Nicolas Sarkozy, der wiedergekehrte Ex-Präsident, kopiert beim FN.

Beispiele? Gleich reihenweise vergessen und verleugnen Republikaner dieser Tage die Prinzipien der Republik. Eine frühere Ministerin räsoniert öffentlich, Frankreich müsse ein Land der "weißen Rasse" bleiben. Der neue Parteichef Laurent Wauquiez polemisiert gegen EU-Quoten für Flüchtlinge und den humanitären Plan, Asylbewerber aus dem Schandlager von Calais wenigstens für die Dauer ihres Verfahrens in halbwegs soliden Unterkünften übers Land zu verteilen. Derweil entwerfen angebliche Rechtsexperten der Parlamentsfraktion Skizzen für Internierungslager à la Guantanamo: Dort wollen sie, ohne Beweise oder Richterbeschlüsse, Verdächtige wegsperren.

Verfassungsrechtliche Bedenken tut Sarkozy als "Haarspalterei" ab. Und die Magistrate im Staatsrat, die im September Frankreichs Sommertheater um die "Burkini"-Verbote an der Côte d'Azur beendeten, zählt er seither zu einer "Koalition der Neinsager". Gegen sie mobilisiert der Populist seine "schweigende Mehrheit": Per Referendum soll das Volk billigen, was europäischen Konventionen und EU-Recht fundamental widerspricht.

Alain Juppé warnt vor einem "Bürgerkrieg"

Nein, nicht alle Republikaner machen mit beim Marsch nach rechts. Alain Juppé etwa, der liberal-konservative Favorit der Vorwahl, stellt sich gegen Sarkozys Exzesse. Er warnt vor einem "Bürgerkrieg", er mahnt, Frankreichs Muslime nicht kollektiv auszugrenzen. Im Kampf gegen den Terror will zwar auch Juppé einen "starken Staat" bauen. Aber eben einen, der respektiert, was Frankreich vor mehr als 200 Jahren der Welt schenkte: die Erklärung der Menschenrechte.

Nur, leider, ein wirklich neues Programm bietet auch Juppé nicht an. Seine Ideen für Wirtschafts- und Sozialreformen gehen zwar in die richtige, weil liberale Richtung. Aber viele seiner Texte lesen sich, als stammten sie aus dem 20. Jahrhundert. Der 71-Jährige hat außer der recht vagen Verheißung einer "glücklichen Identität" keine ambitionierte Idee. Ein "Projekt Juppé" gibt es nicht.

Der Niedergang der Linken erlaubt der Rechten gedankliche Faulheit. Der Aufstieg der Marine Le Pen verflacht die Debatte gleich zweimal: Er trübt die Sinne - und macht das Siegen zu leicht.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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